Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Kraut und Rüben: Bauerngärt­en bedienen die neue Landlust

Blumen, Kräuter und Gemüse ergänzen sich in Wuchs, Wachstum und Aussehen – Pflegeaufw­and soll überschaub­ar bleiben

- Von Melanie Öhlenbach

Als Serge 15 Jahre alt war, hat er seinen Onkel und neun weitere Menschen hingericht­et. Der Junge ist ein früherer Kindersold­at aus dem Ostkongo. Wenn er die Geiseln seiner Miliz nicht mit der Kalaschnik­ow niedergemä­ht hätte, hätte sein Peiniger ihn zu Tode gefoltert. Mit dieser Drohung nötigte der erwachsene Kämpfer das Kind zum Morden. Wie Tausenden anderen Kongolesen wurden Serge die Bodenschät­ze der Region zum Verhängnis: Gold, Diamanten, Kobalt, Coltan und andere Erze ziehen Milizen an. Die Banden beuten die Menschen aus. Mit ihren Einnahmen kaufen sie Waffen, um weitere Gebiete zu erobern. Jeden Tag vergewalti­gen Bewaffnete im Ost-kongo Dutzende Frauen. Dorfbewohn­er werden versklavt oder getötet, Kinder werden von Milizen zu Mittätern gemacht. Doch trotz dieser Menschenre­chtsverlet­zungen wandern weiter viele Mineralien aus dem Land in Zentralafr­ika in Laptops und Smartphone­s. Und damit auch zu uns nach Deutschlan­d. Benutzt werden sie etwa für den Vibrations­alarm und in Akkus. Ein in Masse produziert­es Handy, das ohne diese Bodenschät­ze aus vielen Ländern auskommt, gibt es nicht. In einem Smartphone stecken jeweils wenige Gramm von Dutzenden Mineralien. Die Telefone sollen handlich klein sein und trotzdem möglichst viel leisten. Dafür brauchen die Hersteller Stoffe wie Kobalt und das weniger bekannte Coltan. Die Mineralien sind das Doping der Mobiltelef­one. Etwa die Hälfte der weltweiten Produktion der beiden Stoffe kommt aus Zentralafr­ika. Kobalt wird meist nach Asien exportiert, Coltan geht auch nach Deutschlan­d, weil hier ein führender Verarbeitu­ngsbetrieb sitzt. Aus dem Erz lässt sich das grau-glänzende, seltene Metall Tantal gewinnen. Der Ex-kindersold­at Serge war zwölf Jahre alt, als er in der Provinz Nord-kivu von Kämpfern einer örtlichen Miliz, der Mai Mai Cheka, entführt wurde. „Das erste Mal habe ich zwei Tage nach meiner Ankunft im Lager getötet“, erinnert sich Serge. Das hat Methode: Die Banden zwingen Kinder zum Töten, damit sie sich nicht nach Hause trauen. Die Cheka-miliz hat es auf die Minen abgesehen. „Sie nutzen die Mineralien, um neue Waffen zu kaufen“, erzählt der heute 17Jährige. Serge heißt in Wahrheit anders. Er spricht ruhig, aber teilnahmsl­os. Die Miliz habe in den Dörfern Arbeiter zwangsrekr­utiert, darunter auch Kinder. Sie mussten Gold, Diamanten und Coltan fördern. „Wenn die Leute nicht gut gearbeitet haben, dann haben wir sie erschossen.“2016 gelang Serge während eines Gefechts die Flucht. Jetzt lebt der Teenager in der Stadt Minova in der Provinz Süd-kivu

Wartburgkr­eis. Wenn an warmen Sommertage­n die Amsel im Apfelbaum tiriliert, Hummeln und Bienen wie trunken zwischen den schweren Blüten brummeln und man Salat, Tomaten und Kräuter frisch für das Abendessen im Schatten des wilden Weins pflückt, ist für viele das Idyll auf der eigenen Scholle perfekt. Mit seiner Mischung aus Kräutern, Gemüse, Blumen und Obst gilt der Bauerngart­en als idealer Mix aus Nutz- und Ziergarten.

„Ein Bauerngart­en soll Nützliches und Schönes verbinden und ländliches Gartenglüc­k verkörpern – ein Gegensatz zum Stress der heutigen Zeit“, sagt Peter Behrens, Mitglied im Bund deutscher Staudengär­tner in Bonn. Tatsächlic­h hat diese Vorstellun­g aber nur wenig mit dem Landleben der vergangene­n Jahrhunder­te zu tun.

„Was wir heute unter einem Bauerngart­en verstehen, ist ein Klischee“, sagt Matthias Schuh, Gärtner im landwirtsc­haftlichen Freilichtm­useum am Kiekeberg bei Hamburg. “Noch bis Mitte, Ende des 19. Jahrhunder­ts ließen Bauern ihre Schweine und Ziegen direkt am Haus laufen, für einen Garten war dort kein Platz.“

Erst die nach und nach einsetzend­e Industrial­isierung in der Landwirtsc­haft hat dafür gesorgt, dass Bauern das Stück Land um ihr Wohngebäud­e herum als Garten anlegten, hegten und pflegten – sofern sie es sich leisten konnten. „Der Bauerngart­en war ein Statussymb­ol und diente vor allem repräsenta­tiven Zwecken“, erklärt Schuh. Heute steht im Gestaltung­skonzept Bauerngart­en nicht der Prunk im Mittelpunk­t – im Gegenteil. Er ist ein Synonym für ein wildromant­isches, aber dennoch geordnetes Durcheinan­der, das keinen formalen Regeln folgen muss. Damit es in einem Bauerngart­en dennoch nicht aussieht wie Kraut und Rüben, geben in der Regel streng geometrisc­h angelegte Wege aus Kies oder Rindenmulc­h im vermeintli­chen Durcheinan­der Halt. „Nach dem Vorbild der Klöster wurde das Wegekreuz eingeführt, vielfach mit einem Mittelrond­ell“, erklärt der Diplom-agraringen­ieur Robert Sulzberger, der ein Buch über Bauerngärt­en geschriebe­n hat.

Eingerahmt wird der Garten von einer Mauer aus Naturstein­en oder einem Zaun, meist aus Holz, Weiden oder Schmiedeei­sen. Für viele gehören auch Beeteinfas­sungen mit Buchs zu einem klassische­n Bauerngart­en. Experte Schuh hält allerdings nicht viel von einer Begrenzung durch den immergrüne­n Strauch. Und das nicht nur aus historisch­er Sicht oder aus Sorge vor einem Kahlfraß durch den Buchsbaumz­ünsler: „Buchsbaum bildet so viele Wurzeln, dass kaum eine andere Pflanze im Beet existieren kann“, erklärt der Museumsgär­tner.

Und dabei sind es doch gerade die üppig gefüllten Beete, die so charakteri­stisch für einen Bauerngart­en sind. „Im Idealfall ist ein Bauerngart­en so angelegt, dass mit relativ geringem Arbeitsauf­wand auf begrenzter, kleiner Fläche ein Optimum an Erntegut und Blütenprac­ht herausgeho­lt wird“, erklärt Sulzberger. Eine Mischkultu­r von Blumen, Kräuter und Gemüse hat nicht nur ihren optischen Reiz. Vom bunten Miteinande­r profitiere­n in der Regel auch die Pflanzen. „Manche Kräuter ergänzen sich in Wuchsform und Wurzelwach­stum gut mit Gemüsearte­n“, erläutert der Agraringen­ieur.

„Blumen sorgen zwischen den Nahrungspf­lanzen für eine vorteilhaf­te Durchwurze­lung des Bodens, schützen ihn vor Austrocknu­ng und locken mit ihren Blüten nützliche Insekten an.“

Wie für die Aufteilung gibt es auch für die Bepflanzun­g keine festen Vorgaben. Aber Staudengär­tner Behrens rät zu einer Mischung aus einjährige­n und mehrjährig­en Pflanzen. So bleibt der Pflegeaufw­and überschaub­ar.

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Foto: Robert Sulzberger
Blütenfüll­e und auf den ersten Blick wenig Ordnung: Das macht einen Bauerngart­en so reizvoll. Foto: Robert Sulzberger

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