Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Ehe für alle: Mehrheit der Thüringer Abgeordneten stimmt mit Ja
Bundestag stellt Schwule und Lesben vollständig gleich. Ramelow: „Ein guter Tag für unser Land“
Erfurt. In Deutschland dürfen Schwule und Lesben in Zukunft mit allen Rechten und Pflichten heiraten. Das beschloss gestern der Bundestag mit deutlicher Mehrheit.
Auch 11 der 18 Bundestagsmitglieder aus Thüringen stimmten für die Ehe für alle. Darunter waren alle Abgeordneten von Linke, SPD und Grünen.
Auch von der CDU votierten mit Antje Tillmann und Mark Hauptmann zwei Mandatsträger für den Gesetzentwurf. Er war bereits im Jahr 2015 über den Bundesrat unter anderem vom Land Thüringen eingebracht worden.
„In einer Zeit von Werteverlust und Bindungslosigkeit ist die Entscheidung für die Ehe urkonservativ“, sagte Tillmann der Thüringer Allgemeinen. „Das ist keine Entwertung der Institution Ehe. Das ist eine Stärkung.“
Hauptmann sagte, er respektiere die Gegenstimmen aus seiner Partei, aber er verstehe sie nicht. „Wir haben doch diesen Kulturkampf gewonnen. Wenn Schwule und Lesben heiraten, ist das genau das Gegenteil von dem, was die 1968er predigten.“
Anders argumentierte der Ilmenauer Cdu-bundestagsabgeordnete Tankred Schipanski. Die Ehe sei ein „religiös-kultureller Begriff“. Er könne nicht durch ein einfaches Gesetz abgewandelt werden. „Ich finde es spannend, ob der Bundespräsident das Gesetz unterschreibt“, sagte Schipanski. Trete es in Kraft, werde er mit anderen Mitgliedern seiner Fraktion eine Verfassungsklage prüfen.
In der rot-rot-grünen Koalition in Thüringen, von der die Änderung über die Länderkammer mit auf dem Weg gebracht worden war, herrschte dagegen geradezu Euphorie. „Ein guter Tag für unser Land, für mehr Gleichberechtigung“, twitterte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). Vor der Staatskanzlei wehte die Regenbogenflagge.
Der Spd-landtagsfraktionsvorsitzende Matthias Hey sprach von einem längst überfälligen Schritt. „Der Großteil der Bevölkerung wollte die Ehe für alle“, sagte er. „Dass sich die Union so lange dagegen gewehrt hat, ist mit Rationalität nicht zu erklären.“Die aus Thüringen stammende Bundestagsfraktionschefin der Grünen, Katrin Göringeckardt rief im Parlament: „Es ist genug Ehe für alle da.“
Die bisherige eingetragene Lebenspartnerschaft ist schon jetzt bis auf die Bezeichnung der Ehe nahezu gleichgestellt. Schwule und lesbische Paare hatten nur nicht das Recht, gemeinsam Kinder zu adoptieren.
623 der insgesamt 630 Parlamentarier waren gestern – zum Teil vom Krankenbett – zur Abstimmung in den Bundestag gekommen. Insgesamt votierten 393 Abgeordnete mit Ja, darunter 75 Unions-mitglieder.
226 stimmten mit Nein, vier Abgeordnete – alle von der Union – enthielten sich. Der Bundesrat beschäftigt sich am 7. Juli mit dem Gesetz.
In Thüringen lebten zuletzt 1397 Menschen in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Die Zahl hatte sich seit dem Jahr 2011 fast verdoppelt.