Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Das Streben nach Glück

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Martin Debes über einen Tag der Gleichbere­chtigung

Als sich die Vereinigte­n Staaten von Amerika am 4. Juli 1776 für unabhängig erklärten, wurde verkündet: „Wir halten die nachfolgen­den Wahrheiten für keines Beweises bedürfend: Dass alle Menschen gleich geboren; dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußer­lichen Rechten begabt sind; dass zu diesen Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören.“

Dieses Dekret gehört zum Fundament der freien Gesellscha­ft. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass jene, die diesen Text und wenig später die Verfassung der USA schrieben, ausschließ­lich vermögende weiße Männer waren, die in der Regel Sklaven hielten – die diese Rechte sich vorbehielt­en.

Als nach dem Zweiten Weltkrieg das deutsche Grundgeset­z vom Parlamenta­rischen Rat beraten wurde, saßen darin 61 Männer und vier Frauen. Mit Ehe und Familie, die sie unter einen „besonderen Schutz“des Staates stellten, meinten sie die Verbindung von Mann und Frau. Was auch sonst: Schließlic­h verfolgte dieser Staat Homosexual­ität als Straftat.

241 Jahre nach Gründung der USA ist selbstvers­tändlich die Sklaverei verboten, sind Frauen gleichbere­chtigt und Minderheit­en geschützt, die damals verfolgt wurden. Die Grundsätze von einst wurden unaufhörli­ch neu gedeutet, im Geiste der Aufklärung, des Humanismus und ja, des Fortschrit­ts.

68 Jahre nach Inkrafttre­ten des Grundgeset­zes öffnete gestern die Mehrheit der Bundestags­abgeordnet­en die Ehe endgültig für Schwule und Lesben. Sie interpreti­erte den Kern der Verfassung auf zeitgemäße Weise: Das Recht, nach Glück zu streben, darf nicht von der sexuellen Orientieru­ng abhängen.

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