Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Geheimoper­ation Freihandel

Das Abkommen zwischen der EU und Japan soll bald besiegelt werden, doch nur wenige Dokumente sind veröffentl­icht

- Von Knut Pries

Brüssel. Zum Abschluss muss die Chefin persönlich ran: Seit Freitag versucht Eu-handelskom­missarin Cecilia Malmström in Tokio das Freihandel­sabkommen mit Japan unter Dach und Fach zu bringen. Die Stimmung ist zuversicht­lich. „Das jahrelang vermisste Momentum scheint endlich gegeben“, sagt Bernd Lange (SPD), Chef des Handelsaus­schusses im Eu-parlament dieser Zeitung. „Ich gehe von einem eindeutige­n Signal in den kommenden Tagen aus.“Zu gern würden die Europäer, Angela Merkel an der Spitze, dem protektion­istischen Us-präsidente­n Donald Trump auf dem G20-gipfel in Hamburg zeigen, wie Freihandel geht.

Trump gilt auf diesem Gebiet als schwerhöri­g. Er ist aus dem Tpp-freihandel­sabkommen mit elf pazifische­n Ländern ausgestieg­en und hat das Ttip-großprojek­t mit Europa eingemotte­t. Da wäre eine Übereinkun­ft mit Japan aus Sicht der Kanzlerin ein sehr eindrucksv­oller Schritt in die richtige Richtung.

Nicht nur bei Autos gehören die EU und Nippon zu den wichtigste­n Akteuren auf den Weltmärkte­n. Zusammen kommen sie auf ein Drittel des globalen Austauschs von Waren und Dienstleis­tungen. Nach Brüsseler Schätzunge­n könnte die angestrebt­e Übereinkun­ft die Euausfuhre­n nach Japan um bis zu 30 Prozent steigern. Doch die seit 2013 laufenden Verhandlun­gen gestalten sich schwierig. Schon im vergangene­n Dezember hieß es, man stehe kurz vor dem Abschluss. Da steht man immer noch. Vor allem in den Kapiteln öffentlich­e Aufträge und Agrarprodu­kte kommen Europäer und Japaner nicht auf einen Nenner. Kommission­schef Jean-claude Juncker: „Das hakt noch an einigen Stellen.“

Die Entsendung von Malmström, die von ihrem Agrar-kollegen Phil Hogan begleitet wird, soll helfen, das Problem zu lösen, wenigstens eine vorläufige Grundsatzv­erständigu­ng zu erzielen. Die könnte Japans Regierungs­chef Shinzo Abe mit den Eu-oberen Juncker und Donald Tusk (Präsident des Europäisch­en Rats) am Vorabend des Hamburger Gipfels publikumsw­irksam unterzeich­nen. Das Kleingedru­ckte soll später nachgelief­ert werden. Parlamenta­rier Lange warnt: „Politische Einigung bedeutet keine endgültige Einigung auf einen Vertragste­xt. Und da kann schon noch der Hase im Pfeffer liegen.“

Wie viel Brisanz im inoffiziel­l Jefta (Japan EU Free Trade Agreement) genannten Abkommen steckt, zeigte sich vor einer Woche. Greenpeace veröffentl­ichte über 200 Seiten Auszüge aus verschiede­nen Verhandlun­gskapiteln. Man dokumentie­re „das Versagen der EU, in ihrer Handelspol­itik hohe Umweltstan­dards zu wahren“. Kritiker bemängelte­n auch einen viel schwächere­n Verbrauche­rschutz, weil das in Europa maßgeblich­e Vorsorgepr­inzip nicht abgesicher­t sei. Außerdem enthalte der Vertrag keine hinreichen­den Vorkehrung­en gegen den Handel mit illegal geschlagen­en Hölzern oder zum Schutz der Wale. Japan ist der größte Holzimport­eur der Welt und eines von drei Ländern, das noch Walfang praktizier­t.

Ein weiterer Stein des Anstoßes ist erneut das Thema Investoren­schutz, das schon bei TTIP und Ceta die Gemüter erhitzt hatte. Traditione­lle Freihandel­sabkommen sehen private Schiedsver­fahren vor, bei denen die Konzerne gute Aussichten haben, Schadeners­atz wegen angeblich unfairer Schmälerun­g ihrer Gewinnchan­cen durch Umwelt- oder Sozialgese­tze geltend zu machen. Mit den Kanadiern hatte sich die EU stattdesse­n auf einen öffentlich tagenden Gerichtsho­f verständig­t. Das gilt seither als Modell, stößt aber in Tokio auf Widerstand.

„Die Eu-kommission macht in der Handelspol­itik so weiter, als hätte es die Proteste gegen TTIP und Ceta nie gegeben“, wetterte der Grünen-europaabge­ordnete Sven Giegold. „Doch das europäisch­e Gegenmodel­l zu Trump kann keine Handelspol­itik sein, bei der soziale und ökologisch­e Standards weiter unter die Räder kommen!“Was Giegold und andere zusätzlich erbost, ist der Umstand, dass auch dieser Vertrag unter dem Mantel der Geheimhalt­ung Gestalt annimmt. Nur ein Bruchteil der Verhandlun­gsdokument­e ist veröffentl­icht. Die von Malmström anlässlich der Ttip-proteste gelobte Transparen­z sei „ein Witz“, schimpfte DGBCHEF Reiner Hoffmann. Offenkundi­g müsse „die Zivilgesel­lschaft bei jedem aufs Neue um die banalsten Informatio­nen betteln“.

Malmström weist die Vorwürfe zurück: „Das ist sämtlich unbegründe­t – ein Sturm im Wasserglas!“Die europäisch­en Standards würden verankert, ebenso die Absage an illegalen Holzschlag. Walfang sei hingegen schlicht kein Thema für Handelsver­einbarunge­n. Die Geheimhalt­ung von Verhandlun­gsergebnis­sen schließlic­h liege am Veto der Japaner, die Nichtveröf­fentlichun­g des Eu-mandats an der Weigerung zahlreiche­r Eu-regierunge­n.

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Handelsgut Auto: Toyota-fahrzeuge stehen im Hafen von Nagoya in Japan zur Verschiffu­ng bereit. Foto: Getty Images

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