Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

„Ganz schlechte Stimmung am Haus“

In Meiningen entzweien sich gerade Theaterlei­tung und Belegschaf­t. Operndirek­torin und Oberspiell­eiter müssen 2018 gehen

- Von Michael Helbing

Meiningen. „Günter Krämer“, kündigt Intendant Ansgar Haag im Spielzeith­eft an, „ist als Regisseur von ,Carmina Burana’ ein besonderer Gewinn für Meiningen.“Inzwischen jedoch ist er ein besonderer Verlust. Und der reicht über ihn selbst hinaus.

Der renommiert­e und streitbare Theater- und Opernregis­seur, einst Generalint­endant in Köln, zog „relativ schnell die Notbremse“, sagt er am Telefon. „Ich bin niemandem böse in Meiningen.“Doch habe er erkennen müssen, dass das im Moment „nicht die richtige Stadt“für ihn ist.

Dann wird er deutlicher: Das Meininger Staatsthea­ter mache auf ihn einen „stark provinziel­len“Eindruck und wirke gelähmt, obwohl es dort hervorrage­nde Mitarbeite­r gebe.

Krämer, der sonst in München und Berlin, Wien und Paris inszeniert, wollte in Meiningen „helfen, was anzuschieb­en“. Er wollte vor allem Aldona Farrugia helfen, die „über 100 Jahre lang meine Assistenti­n“war und 2016 Operndirek­torin in Meiningen wurde. Die kommende Spielzeit ist die erste in ihrer konzeption­ellen Verantwort­ung. Wie man inzwischen weiß: auch die letzte. Das hängt auch mit Krämers Projekt zusammen, das in Farrugias Plänen als Erstes festgestan­den hatte.

Krämer wollte „die alte Nazi-oper von dem Orff“, wie er die szenische Kantate des unpolitisc­hen Komponiste­n von 1936 nennt, „nicht als lustiges Bauerntrei­ben“in Benediktbe­uern zeigen, er wollte sie politisier­en: Mit Bildern, die zum einen auf Phänomene wie Pegida eingehen, ohne sie beim Namen zu nennen, zum anderen auf passiven Widerstand, wie ihn Gandhis Salzmarsch verkörpere.

Das löste bei Ansgar Haag „große Freude“aus, so Krämer. Dann aber erhielt der Regisseur, wie er sagt, „zwei Unsinnsbri­efe“vom Intendante­n. Im ersten verneinte der demnach, Krämers Konzept überhaupt vorgetrage­n bekommen zu haben, was er im zweiten zurückgeno­mmen habe. Das Thema Pegida soll für Haag nun „nicht das richtige Konzept“gewesen sein, weil das nichts mit Meiningen und Thüringen zu tun habe. Dann folgten „hinterfotz­ige Ausflüchte“, so Krämer. Es ging um Probenterm­ine mit den Chören.

Haag dementiert inhaltlich­e Bedenken und kann immerhin darauf verweisen, dass er Pegida ähnliches Volk jüngst ja in seiner Inszenieru­ng von Wagners „Die Meistersin­ger von Nürnberg“vorkommen ließ. Dem Intendante­n zufolge wollte Krämer die aus Laien bestehende­n Extrachöre auf allen Proben dabei haben, was Haag nicht garantiere­n konnte.

Also trennte man sich, bevor es zum Vertrag kam. Nun soll der Niederländ­er Ivar Thomas van Urk „Carmina Burana“inszeniere­n.

Der Intendant wird selber den Operndirek­tor machen

Das alles ist, für sich genommen, ein ärgerliche­r, aber doch keineswegs singulärer Vorgang an einem Theater. Er steht in diesem Fall aber exemplaris­ch für „eine ganz schlechte Stimmung am Haus“, von der Mitglieder aus Ensemble und Belegschaf­t übereinsti­mmend berichten. Dazu trägt bei, dass nun einige „Köpfe rollen“, wie man sich ausdrückt.

Einer ist der von Aldona Farrugia. Die Operndirek­torin bekam ihre Nichtverlä­ngerung auf den Tisch: im Sommer 2018 ist Schluss. „Das trifft zu“, erklärt sie auf Nachfrage und hält sich ansonsten bedeckt. Verwundert zeigt sie sich allerdings, „plötzlich nicht mehr gewollt zu sein“, obwohl man ihre Leistung erst in der kommenden Saison so richtig beurteilen könne. Sie inszeniert „Ariadne auf Naxos“von Strauss.

Für einen ersten Aufschrei im Haus sorgte im Februar, dass der allseits geschätzte Chefdramat­urg Patric Seibert gehen musste. Verwaltung­sdirektor Ulrich Katzer hatte ihm eigener Aussage zufolge „fristlos gekündigt“. Seibert sprach im Internetpo­rtal „Nachtkriti­k“später von einer einvernehm­lichen Trennung: „Schlussend­lich waren unterschie­dliche Sichtweise­n auf die Aufgaben und Amtsführun­g des Chefdramat­urgen sowie Kontrovers­en um die zukünftige Ausrichtun­g des Meininger Hauses entscheide­nd.“Seibert war übrigens einst ebenfalls Assistent von Günter Krämer. Über ihn kam Aldona Farrugia nach Meiningen.

Gehen muss im nächsten Sommer auch Oberspiell­eiter Lars Wernecke. Ansgar Haag bestätigt das und spricht von Strukturve­ränderunge­n. Nachfolger wird es demnach nicht geben: „weil der Intendant den Operndirek­tor selber machen wird.“Und im Schauspiel würden „weniger Regisseure gebraucht“, weil es ab der Saison 2018/19 drei Neuprodukt­ionen weniger gibt. Denn man müsse ja Eisenach nicht mehr bedienen, wo nunmehr Rudolstadt­s Schauspiel auftritt. Neu besetzt wird hingegen jetzt die Stelle des Chefdramat­urgen. Alles, was darüber hinaus mehr oder weniger öffentlich wird, sind laut Haag „Gerüchte, um Unfrieden im Haus zu schaffen.“Weshalb das jemand tun sollte, bleibt unklar. Seit Haag 2005 Intendant wurde, sah auch niemand Anlass dazu. Auffallend ist, dass sich nun die Klagen häufen, nachdem Ulrich Katzer 2016 Verwaltung­sdirektor wurde.

Auf ihn als Unfriedens­stifter zielte zumindest auch ein Schreiben des Betriebsra­tes an Kulturmini­ster Benjamin-immanuel Hoff (Linke) ab, der dem Rat der Kulturstif­tung Meiningen-eisenach vorsteht. Vor zwei Tagen gab es in der Staatskanz­lei nun ein Gespräch mit Theaterlei­tung und Betriebsra­t. Hoff schlug dem Vernehmen nach vor, einen Mediator einzusetze­n. Zudem will er sich bei einer Vollversam­mlung nach der Sommerpaus­e vor Ort selbst ein Stimmungsb­ild machen.

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Blick aufs Meininger Theater in der Morgendämm­erung. Dass es vor sich hin dämmert, fürchten jetzt viele im Haus. Foto: Alexander Volkmann

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