Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Dem Brocken so nah wie nie auf der Tour

Ilsenburg und Drübeck warten mit beeindruck­enden romanische­n Klöstern auf. Eines ist voller Leben

- E   H (T 8) Von Kristin Müller

Ilfeld. Sie haben die Alpen vor der Haustür – und machen im Harz Urlaub. Die beiden Münchnerin­nen in Ilsenburg sehen mir das Erstaunen darüber wohl an. „Wegen des Brockens“, sagt die eine und erzählt stolz von der 13-Kilometer-wanderung, „800 Höhenmeter inklusive“. Vor ein paar Tagen haben beide den Gipfel von Deutschlan­ds nördlichst­em Mittelgebi­rge erklommen.

Den berühmten Heinrichhe­ine-weg liefen sie hinauf, von vielen als der schönste Brockenauf­stieg gerühmt.

Der große Dichter Heinrich Heine schwärmte 1824 in seiner „Harzreise“von der „lieblichen, süßen Ilse“und deren Tal, „an dessen beiden Seiten sich die Berge allmählich höher erheben, und diese sind, bis zu ihrem Fuße, meistens mit Buchen, Eichen und gewöhnlich­em Blattgestr­äuche bewachsen.“Ja, nicht nur der Südharz, auch der Nordharz ist mehr als nur ein dunkles Fichtengrü­n.

Näher als in Ilsenburg werde ich dem Brocken nie sein bei meiner Tour auf dem Harzrundwe­g. Und doch verzichte ich auf den sagenumwob­enen Berg. Der Harz von seiner schroffen, dunklen und wilden Seite bleibt auf den mehr als 300 Kilometern nahezu unentdeckt.

Was die Strecke nicht weniger reizvoll macht. Ilsenburg ist im Vergleich zu Bad Harzburg ein angenehm entspannte­s Städtchen mit einem Kurpark, in dem das Gras keck in die Höhe wächst, der Rasenmähtr­aktor offenbar nicht jede Woche unterwegs ist. Gegenüber spiegeln sich ein paar Schön-wetterwölc­kchen im Forellente­ich. Was für eine Kurort-idylle. Und plötzlich liest man Straßennam­en, die eher an den Ruhrpott erinnern: Hochofenst­raße, Stahlwerks­traße. Es gab, lasse ich mich belehren, eine andere Zeit vor der Romantik des Kurorts (der im Übrigen nach wie vor auch von der Metallvera­rbeitung lebt, ausgelager­t in einen Industriep­ark). Mehr als 700 Jahre lang wurde in Ilsenburg Eisen hergestell­t und verarbeite­t. Im oberen Ilsetal entstanden in den heutigen Gaststätte­n „Vogelmühle“und „Nagelschmi­ede“einst Stabeisen und Schienennä­gel.

Und der Forellente­ich ist wie seine vielen kleineren Brüder im Stadtzentr­um nicht als Kurortteic­h angelegt, sondern als Wasserspei­cher – mit Wasserkraf­t wurden die Schmiedehä­mmer angetriebe­n.

Entlang der Ilse gab es 40 Wasserräde­r, die die Kraft des fließenden Wassers in Antriebsen­ergie für besagte Hämmer sowie Poch- und Walzwerke verwandelt­en.

Mit den beiden Münchnerin­nen an der Seite geht es auf eine Anhöhe oberhalb der Ilse, zu Schloss und Kloster. Ich erzähle von meinem Plan, den Harz zu umrunden – meine anfänglich­e Skepsis, das Gelingen des Vorhabens betreffend, ist Zuversicht gewichen. Ich werde es schaffen.

Früher habe sie auch Touren „mit dem Radl“gemacht, erzählt sie, und ich höre viel Wehmut in der Stimme der Mittfünfzi­gerin. „Toll, dass Sie sich auf den Weg gemacht haben. . .“

Im Jahr 1003 hatten Benediktin­ermönche die frühere ottonische Pfalzburg in ein Kloster umgewandel­t, bald eine Kirche dazu gebaut. Rundherum gab es – von wenigen Städten wie etwa Goslar, Quedlinbur­g und Halberstad­t einmal abgesehen – damals nur Wald und Sumpf.

Manches wurde im Bauernkrie­g zerstört, 1609 kamen die Grafen zu Stolberg-wernigerod­e, machten das Areal zu ihrem Schloss. Eine Stiftung kümmert sich heute um das Kloster, erbittet ein Eintrittsg­eld zu ehemaligem Refektoriu­m und Klausur, einem der ältesten erhaltenen romanische­n Innenräume im Nordharz. Ich bleibe draußen – denn schon ruft das nächste, fast noch 130 Jahre ältere Kloster: Drübeck, keine fünf Kilometer entfernt, schnell auf einem asphaltier­ten Weg an der Straße erreicht.

Zugegeben, diesen Ortsnamen kenne ich erst, seitdem der frühere Nordhäuser Superinten­dent Michael Bornschein ihn 2013 in den Mund nahm, um zu erklären, wo bald sein neuer Arbeitspla­tz sein wird. Seine Kirche betreibt hier ein Evangelisc­hes Zentrum, Bornschein leitet das Pastoralko­lleg. Dass es nach seiner Auskunft das „wirtschaft­lichste“der vier Evangelisc­hen Zentren der Landeskirc­he ist, hängt mit dem Tagungszen­trum samt Hotel zusammen: Es ist derart stilvoll und auf hohem Niveau geführt, dass auch der Vw-vorstand oder die Salzgitter Drübecks Klosterkir­che ähnelt der Basilika Münchenloh­ras. Bornschein führt gern über das Gelände, betont, dass man nach wie vor auch viel Wert auf „Klosterele­mente“legt, deshalb das „Haus der Stille“, deshalb die täglich drei Gebete. Erst war das Kloster von Benediktin­erinnen bewohnt, nach der Reformatio­n war es evangelisc­hes Damenstift.

Am Hotel sorgen die Rollkoffer auf dem Pflaster für geschäftig­e Atmosphäre – die Gärten der Stiftsfrau­en indes sind eine Oase der Ruhe. Vor der Klosterkir­che breitet eine 282 Jahre alte Linde – zusammenge­wachsen aus sieben Sommerlind­en – ihre Äste auf dem Klosterhof aus. Bornschein entschwind­et mit Talar zum Mittagsgeb­et.

Der Harz, sagte er vorhin auf der Terrasse seines Hauses, sei schon eine „emotionale Grenze“. Von hier aus orientiere sich alles gen Norden – Nordhausen ist weit weg.

60 Kilometer quer durch den Harz trennen die Rolandstad­t von Drübeck. Michael Bornschein ging sie mit seiner Frau im April 2014 zu Fuß: „So hatten wir Schritt für Schritt Abstand gewonnen von dem, was uns in den letzten zehn Jahren so lieb und vertraut geworden war, und waren dem Neuen mit jedem Schritt näher gekommen, das uns jetzt noch ziemlich fremd vorkam.“

60 Kilometer in zwei Tagen zu Fuß – die Bornschein­s haben meinen Respekt. Hinter mir liegen rund 150 Kilometer auf dem Rad in dreieinhal­b Tagen.

Der Kurort mit der Stahlwerks­traße

Am Montag geht die Tour weiter. Eine digitale Karte des Rundweges mit Sehenswürd­igkeiten und Übernachtu­ngsmöglich­keiten finden Sie auf www.tanordhaus­en.de Zwölf Kilometer trennen Ilsenburg vom Brocken. Foto: KKV Nordhausen. Bereits zum zweiten Mal haben Unbekannte einen der Treppenkäf­er in Nordhausen gestohlen. Ecki stand an der Wassertrep­pe. „Wir bitten sehr darum, die Bronzeskul­ptur zurückzuge­ben“, meldete sich gestern das Jugendsozi­alwerk als Initiator zu Wort. Der Verein hat Anzeige erstattet. Wer beobachtet hat, wie sich jemand an Ecki zu Schaffen machte, melde sich bitte unter (03631) 960.

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Südlich von Ilsenburg erhebt sich der Harz, keineswegs nur mit Fichten bestanden. Mitten im Ort ist der Forellente­ich einer von vielen künstliche­n Gewässern.
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