Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Dem Brocken so nah wie nie auf der Tour
Ilsenburg und Drübeck warten mit beeindruckenden romanischen Klöstern auf. Eines ist voller Leben
Ilfeld. Sie haben die Alpen vor der Haustür – und machen im Harz Urlaub. Die beiden Münchnerinnen in Ilsenburg sehen mir das Erstaunen darüber wohl an. „Wegen des Brockens“, sagt die eine und erzählt stolz von der 13-Kilometer-wanderung, „800 Höhenmeter inklusive“. Vor ein paar Tagen haben beide den Gipfel von Deutschlands nördlichstem Mittelgebirge erklommen.
Den berühmten Heinrichheine-weg liefen sie hinauf, von vielen als der schönste Brockenaufstieg gerühmt.
Der große Dichter Heinrich Heine schwärmte 1824 in seiner „Harzreise“von der „lieblichen, süßen Ilse“und deren Tal, „an dessen beiden Seiten sich die Berge allmählich höher erheben, und diese sind, bis zu ihrem Fuße, meistens mit Buchen, Eichen und gewöhnlichem Blattgesträuche bewachsen.“Ja, nicht nur der Südharz, auch der Nordharz ist mehr als nur ein dunkles Fichtengrün.
Näher als in Ilsenburg werde ich dem Brocken nie sein bei meiner Tour auf dem Harzrundweg. Und doch verzichte ich auf den sagenumwobenen Berg. Der Harz von seiner schroffen, dunklen und wilden Seite bleibt auf den mehr als 300 Kilometern nahezu unentdeckt.
Was die Strecke nicht weniger reizvoll macht. Ilsenburg ist im Vergleich zu Bad Harzburg ein angenehm entspanntes Städtchen mit einem Kurpark, in dem das Gras keck in die Höhe wächst, der Rasenmähtraktor offenbar nicht jede Woche unterwegs ist. Gegenüber spiegeln sich ein paar Schön-wetterwölckchen im Forellenteich. Was für eine Kurort-idylle. Und plötzlich liest man Straßennamen, die eher an den Ruhrpott erinnern: Hochofenstraße, Stahlwerkstraße. Es gab, lasse ich mich belehren, eine andere Zeit vor der Romantik des Kurorts (der im Übrigen nach wie vor auch von der Metallverarbeitung lebt, ausgelagert in einen Industriepark). Mehr als 700 Jahre lang wurde in Ilsenburg Eisen hergestellt und verarbeitet. Im oberen Ilsetal entstanden in den heutigen Gaststätten „Vogelmühle“und „Nagelschmiede“einst Stabeisen und Schienennägel.
Und der Forellenteich ist wie seine vielen kleineren Brüder im Stadtzentrum nicht als Kurortteich angelegt, sondern als Wasserspeicher – mit Wasserkraft wurden die Schmiedehämmer angetrieben.
Entlang der Ilse gab es 40 Wasserräder, die die Kraft des fließenden Wassers in Antriebsenergie für besagte Hämmer sowie Poch- und Walzwerke verwandelten.
Mit den beiden Münchnerinnen an der Seite geht es auf eine Anhöhe oberhalb der Ilse, zu Schloss und Kloster. Ich erzähle von meinem Plan, den Harz zu umrunden – meine anfängliche Skepsis, das Gelingen des Vorhabens betreffend, ist Zuversicht gewichen. Ich werde es schaffen.
Früher habe sie auch Touren „mit dem Radl“gemacht, erzählt sie, und ich höre viel Wehmut in der Stimme der Mittfünfzigerin. „Toll, dass Sie sich auf den Weg gemacht haben. . .“
Im Jahr 1003 hatten Benediktinermönche die frühere ottonische Pfalzburg in ein Kloster umgewandelt, bald eine Kirche dazu gebaut. Rundherum gab es – von wenigen Städten wie etwa Goslar, Quedlinburg und Halberstadt einmal abgesehen – damals nur Wald und Sumpf.
Manches wurde im Bauernkrieg zerstört, 1609 kamen die Grafen zu Stolberg-wernigerode, machten das Areal zu ihrem Schloss. Eine Stiftung kümmert sich heute um das Kloster, erbittet ein Eintrittsgeld zu ehemaligem Refektorium und Klausur, einem der ältesten erhaltenen romanischen Innenräume im Nordharz. Ich bleibe draußen – denn schon ruft das nächste, fast noch 130 Jahre ältere Kloster: Drübeck, keine fünf Kilometer entfernt, schnell auf einem asphaltierten Weg an der Straße erreicht.
Zugegeben, diesen Ortsnamen kenne ich erst, seitdem der frühere Nordhäuser Superintendent Michael Bornschein ihn 2013 in den Mund nahm, um zu erklären, wo bald sein neuer Arbeitsplatz sein wird. Seine Kirche betreibt hier ein Evangelisches Zentrum, Bornschein leitet das Pastoralkolleg. Dass es nach seiner Auskunft das „wirtschaftlichste“der vier Evangelischen Zentren der Landeskirche ist, hängt mit dem Tagungszentrum samt Hotel zusammen: Es ist derart stilvoll und auf hohem Niveau geführt, dass auch der Vw-vorstand oder die Salzgitter Drübecks Klosterkirche ähnelt der Basilika Münchenlohras. Bornschein führt gern über das Gelände, betont, dass man nach wie vor auch viel Wert auf „Klosterelemente“legt, deshalb das „Haus der Stille“, deshalb die täglich drei Gebete. Erst war das Kloster von Benediktinerinnen bewohnt, nach der Reformation war es evangelisches Damenstift.
Am Hotel sorgen die Rollkoffer auf dem Pflaster für geschäftige Atmosphäre – die Gärten der Stiftsfrauen indes sind eine Oase der Ruhe. Vor der Klosterkirche breitet eine 282 Jahre alte Linde – zusammengewachsen aus sieben Sommerlinden – ihre Äste auf dem Klosterhof aus. Bornschein entschwindet mit Talar zum Mittagsgebet.
Der Harz, sagte er vorhin auf der Terrasse seines Hauses, sei schon eine „emotionale Grenze“. Von hier aus orientiere sich alles gen Norden – Nordhausen ist weit weg.
60 Kilometer quer durch den Harz trennen die Rolandstadt von Drübeck. Michael Bornschein ging sie mit seiner Frau im April 2014 zu Fuß: „So hatten wir Schritt für Schritt Abstand gewonnen von dem, was uns in den letzten zehn Jahren so lieb und vertraut geworden war, und waren dem Neuen mit jedem Schritt näher gekommen, das uns jetzt noch ziemlich fremd vorkam.“
60 Kilometer in zwei Tagen zu Fuß – die Bornscheins haben meinen Respekt. Hinter mir liegen rund 150 Kilometer auf dem Rad in dreieinhalb Tagen.
Der Kurort mit der Stahlwerkstraße
Am Montag geht die Tour weiter. Eine digitale Karte des Rundweges mit Sehenswürdigkeiten und Übernachtungsmöglichkeiten finden Sie auf www.tanordhausen.de Zwölf Kilometer trennen Ilsenburg vom Brocken. Foto: KKV Nordhausen. Bereits zum zweiten Mal haben Unbekannte einen der Treppenkäfer in Nordhausen gestohlen. Ecki stand an der Wassertreppe. „Wir bitten sehr darum, die Bronzeskulptur zurückzugeben“, meldete sich gestern das Jugendsozialwerk als Initiator zu Wort. Der Verein hat Anzeige erstattet. Wer beobachtet hat, wie sich jemand an Ecki zu Schaffen machte, melde sich bitte unter (03631) 960.