Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Die Hochzeit des Jahres
Nächste Woche wird Ernst August Erbprinz von Hannover seine Verlobte Ekaterina Malysheva heiraten
Hannover. Welfenhochzeit! Ein Wort wie ein Versprechen. Hochadel, Glanz und Geschichte, und das Brautpaar wird in einem Vierspänner durch die Stadt kutschiert, in dem schon ein echter König seine Braut heimführte: der Urururgroßvater des Bräutigams nämlich, Georg V., letzter König von Hannover, als der 1843 seine Marie heiratete. Der Bräutigam von 2017 heißt Ernst August. Wie schon sein Vater, sein Großvater, sein Urgroßvater und sein Ururgroßvater (und einige weitere bedeutende Vorfahren).
Der Vater bekam ein paar unschöne Beinamen: Pinkelprinz, Prügelaugust. Er hatte zwischen 1998 und 2000 einen Kameramann mit dem Regenschirm geschlagen, eine Fotografin getreten, einen Hotelier in Kenia geohrfeigt. Und sich, versehentlich äußerst medienwirksam, am türkischen Pavillon der Weltausstellung in Hannover erleichtert. Zwischendurch heiratete er 1999 zum zweiten Mal, und zwar Prinzessin Caroline von Monaco. Dass dieser Ernst August die Schmähnamen nicht mehr richtig loswurde, könnte ein Grund sein, warum sich der heute 33 Jahre alte Junior, Sohn aus erster Ehe mit Chantal Hochuli, in der Öffentlichkeit so zurückhaltend gibt. Er bietet lieber keine Angriffsfläche. Und versucht stattdessen, den Ruf seiner Familie mit guten Nachrichten wieder zu richten. Die Hochzeit gehört dazu. Der Name der Braut 2017: Ekaterina Malysheva. Eine russische Modedesignerin, die Ernst August vor sechs Jahren auf einer Party in London kennenlernte. Die 30-Jährige wuchs in Tschechien auf, studierte in London Mode und versorgt seit vier Jahren unter dem Label Ekat prominente Kundschaft wie Popstar Miley Cyrus mit sogenannten Catsuits – ausgefallenen Einteilern. Nach der Hochzeit will sie ihr Unternehmen nach Hannover verlegen. „Denn ja, wir beabsichtigen, bald hierherzuziehen“, heißt es in der offiziellen Mitteilung zur Hochzeit.
Die Heimat verwaltet Ernst August bisher als Pendler von London aus. Mit seiner Rückkehr setzt er auch ein Zeichen. Und Hannover hat offenbar nichts dagegen – Oberbürgermeister und SPD-MANN Stefan Schostok fungiert bei der standesamtlichen Trauung am 6. Juli als Standesbeamter.
Die letzte große Feier des Hauses war 2014: 300 Jahre waren vergangen, seit es in Personalunion auch den britischen König gestellt hatte. Der Bräutigam von heute ist offiziell nicht einmal mehr Erbprinz – nach der Abschaffung der Standesprivilegien von 1919 ist der einstige Titel nur noch Teil seines Namens. Aber das königliche Erbe hat er im Rücken. Oder auf den Schultern, je nach Betrachtungsweise.
Zum Jubiläum trat Ernst August vermehrt öffentlich auf – eine Rolle, in die er erst hineinfinden musste. Aufgewachsen war er in London, dort hatte er unbehelligt zu Spielen des FC
Fulham ins
Fußballstadion gehen können. Das Scheinwerferlicht war er nicht gewöhnt. Bis es Zeit wurde, Verantwortung zu übernehmen.
Schon 2004 hatte der Vater ihm die Besitztümer der Familie in Deutschland und Österreich übertragen, darunter Schloss Marienburg bei Hannover. „Gesundheitliche Gründe“wurden angeführt. Die Entwicklung des Schlosses zu einer gut besuchten Touristenattraktion ist seit dieser Zeit dokumentiert. Davon profitiert die Region – und die Familie, die ihre Häuser erhalten muss. Der Investmentbanker Ernst August musste außerdem lernen, ganz praktisch mit Land- und Forstbesitz umzugehen.
Zum Wert des Familienvermögens gibt es nur Schätzungen – von sage und schreibe 400 Millionen Euro ist die Rede. Woher der Reichtum kommt? Grundbesitz ist das eine, aber Historiker der Universität Hannover forschen noch im seit 2014 geöffneten Familienarchiv – und gefunden haben sie inzwischen Hinweise auf Geschäftsverstrickungen in der Nazizeit. Der Juniorwelfe, der die Akten nach der Ausstrahlung einer entsprechenden NDR-DOKU freigegeben hatte, betont, wie wichtig ihm die Aufarbeitung ist; er wolle „Glaubwürdigkeit und Transparenz“.
In Tschechien aufgewachsen
Berührt von der Unterstützung
Jetzt aber will er vor allem erst einmal heiraten. Und den Hochzeitsgästen – über den Grad ihrer Prominenz wird noch spekuliert – „die schönen Seiten“der Heimat zeigen. Das Paar sei besonders berührt von der Unterstützung dort: Der Knabenchor Hannover wird singen, die Schützenbruderschaft „Das Große Freie“steht Spalier, und besagte Königskutsche stellt das Landesgestüt Celle zur Verfügung. Der Bräutigam lässt verlauten: „Ein schöneres Willkommen für meine zukünftige Frau könnte ich mir nicht wünschen!“Wer winken möchte, müsste am 8. Juli um 13.15 Uhr an der Marktkirche Hannover stehen, wo sich der berühmte Vierspänner samt Hochzeitspaar auf den Weg machen soll. Während diese Fahrt der Tradition geschuldet ist und Anti-royalisten genervt mit den Augen rollen lassen könnte, kommt der Geschenkwunsch des Brautpaares direkt aus dem Hier und Jetzt: Es wünscht sich eine Spende für den Unterstützerkreis Flüchtlingshilfe Hannover.