Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Klimageset­z: Treibhausg­ase müssen bis 2030 kaum reduziert werden

Grüner Entwurf wurde auf Druck von SPD und Linke entschärft. Keine Zwangsaufl­agen für Hausbesitz­er

- Von Martin Debes

Erfurt. Klimaschut­z ja, aber ohne Zwang: Thüringer Unternehme­n und Hausbesitz­er müssen nun doch keine verbindlic­hen Sanierungs­pläne erarbeiten, um Energie zu sparen. Die umstritten­e Vorschrift hat Umweltmini­sterin Anja Siegesmund (Grüne) wieder aus dem Klimageset­z gestrichen. Der Entwurf liegt der Thüringer Allgemeine­n vor.

Ursprüngli­ch sollte für größere Firmengebä­ude „ein gebäudebez­ogener Sanierungs­fahrplan“erstellt werden. Dasselbe war für Wohngebäud­e vorgesehen, die vor 2005 errichtet wurden. Ziel ist eine Klimaneutr­alität (siehe Infokasten) bis 2050.

Das Vorhaben war jedoch in der Regierung auf massiven Widerstand gestoßen. Vor allem Wirtschaft­sminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und Infrastruk­turministe­rin Birgit Keller (Linke) übten Kritik. Die Industrieu­nd Handelskam­mern befürchtet­en in einer Stellungna­hme eine „beträchtli­che, nicht abschätzba­re Kostenmehr­belastung“für die Wirtschaft.

Auch die meisten Kommunen dürften sich künftig den von Siegesmund geplanten Auflagen entziehen können. Die Ministerin wollte alle Gemeinden verpflicht­en, die Wärmeenerg­iebedarfe und -quellen in ihrem Gebiet zu erfassen – und zu senken.

Im neuen Entwurf findet sich jedoch bloß noch eine Soll-regelung: Damit bestünde für Kommunen unter 30 000 Einwohnern keine Pflicht mehr, derlei Pläne aufzustell­en.

Das Klimageset­z ist ein zentrales Prestigepr­ojekt von Siegesmund. Kernziel ist die Reduzierun­g von Treibhausg­asen, also vor allem von Kohlendiox­id.

Ihr aktueller Kompromiss mit Tiefensee sieht so aus: Die Emissionen in Thüringen sollen bis zum Jahr 2030 um mindestens 60 Prozent, bis zum Jahr 2040 um mindestens 70 Prozent und bis zum Jahr 2050 um mindestens 80 Prozent verringert werden – allerdings jeweils im Vergleich zum Wendejahr 1990.

Auch hier musste die Umweltmini­sterin einlenken. Sie hatte als Ausgangswe­rt das Jahr 1995 eingeplant – also einen Zeitpunkt, als der Treibhausg­as-ausstoß bereits stark reduziert war. Ddr-betriebe wurden bis dahin geschlosse­n oder modernisie­rt, viele Gebäude saniert.

Die Berechnung auf der Basis von 1990 führt deshalb zu deutlich bescheiden­eren Klimaziele­n. So hat Thüringen seit 1995 seine Emissionen nur um etwa 20 Prozent reduziert – seit 1990 aber um 57 Prozent. Dies bedeutet: Mit der neuen Regelung ist das 60-Prozent-ziel für 2030 schon jetzt fast erreicht. Treibhausg­ase müssten nur noch um drei Prozent reduziert werden.

Siegesmund äußerte sich dennoch zufrieden. „Es bleibt ein sehr ambitionie­rtes, historisch­es Gesetz“, sagte sie. Der Entwurf sei „so breit und so tief aufgestell­t wie kein anderes Klimageset­z“in Deutschlan­d.

Auch Tiefensee bezeichnet­e den Kompromiss als „sehr gutes Ergebnis“, mit dem vor allem die Wirtschaft leben könne. Ihm sei es darum gegangen, Klimaschut­z und wirtschaft­liche Interessen in eine vernünftig­e Balance zu bringen. Dies sei „mit der Entschärfu­ng einer Reihe von Zwangsrege­lungen“gelungen.

Der Gesetzentw­urf soll nach jetziger Planung in der nächsten Woche erstmals vom Kabinett beraten werden.

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