Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Exempel verfehlter Landesplanung
Gegenwind für Innenminister: Landtagsvize Höhn, Ihk-präsident Traut und linke Kabinettskollegin Keller protestieren
Erfurt. Uwe Höhn fühlt sich nicht wohl in seiner Haut. Der Südthüringer hat lange überlegt und sich dann entschlossen, sich unmissverständlich zu Wort zu melden. Deshalb ging am Freitag um 9.41 Uhr eine Mail des Spd-landtagsabgeordneten und Parlamentsvizepräsidenten in den Redaktionen ein, in der er sich dezidiert gegen seinen Parteifreund und Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) und dessen jüngste Pläne zur Gebietsreform stellt. „Der nunmehr vorgeschlagene Neuzuschnitt der Landkreise und kreisfreien Städte geht an einem der entscheidenden Kriterien in sehr wesentlichen Teilen vorbei“, schreibt Höhn.
Die wenigen starken Landkreise würden weiter gestärkt und gleichzeitig neue schwache Körperschaften geschaffen, die nur wenig mehr als die ohnehin schon niedrige Untergrenze bei den Einwohnerzahlen aufweisen. Darüber hinaus spreche ein Vergleich der Steuerkraft der kreisangehörigen Gemeinden eine eindeutige Sprache.
Deshalb erfülle der vorgeschlagene Neuzuschnitt die Ausgleichsfunktion als Reformziel deutlich weniger als der ursprüngliche Vorschlag. Mit der jetzt erwogenen Kreisfreiheit der Städte Weimar und Gera werde die Vorgabe bei den Einwohnerzahlen durch das Vorschaltgesetz deutlich unterschritten. „Hätte man von Anfang an gewollt, dass beide Städte kreisfrei bleiben sollen, hätte entweder die Untergrenze im Gesetz deutlich reduziert werden müssen, oder es hätten konkrete Ausnahmen in das Gesetz formuliert werden müssen“, betont Höhn. Beides sei nach intensiven Verhandlungen in der Koalition diskutiert und letztlich verworfen worden, nicht zuletzt auch auf Intervention des zuständigen Ministeriums. „Deshalb ist dieser Schritt nach In-kraft-treten des Gesetzes nicht nachzuvollziehen“, so der langjährige Abgeordnete und Ex-minister.
Natürlich kämpft Höhn auch für seine Region und lässt wissen, mit der Fusion von Sonneberg und Hildburghausen sowie der bisher kreisfreien Stadt Suhl und den Gemeinden Oberhof, Zella-mehlis und Benshausen entstünde einer der strukturell schwächsten Landkreise. Er sei von vornherein mit außergewöhnlichen finanziellen Lasten behaftete und liege in unmittelbarer Nachbarschaft der beiden vermutlich leistungsstärksten Kreise Wartburgkreis/eisenach/schmalkalden-meiningen sowie Gotha/ilmkreis. „Eine solche strukturelle und landesplanerische Unwucht zuzulassen, ist in meinen Augen unverantwortlich und ist ein Paradebeispiel für die verfehlte Ausgleichsfunktion“, nimmt Höhn kein Blatt vor den Mund.
Wenngleich der Innenminister in seinen überarbeiteten Plänen Vorschläge der Wirtschaftskammern aufgreift, hat er sie doch nicht gänzlich auf seiner Seite. „Eine Gebietsreform sollte den Nutzen einer durchdachten und auf Einsparungen orientierten Funktional- und Verwaltungsreform in die Fläche bringen. Davon ist aber nichts zu sehen – im Gegenteil, die Kreisgebietsreform ist zu politischem Selbstzweck geworden und wird keinerlei Einsparungen bringen“, zeigt sich der Präsident der Ihk-südthüringen, Peter Traut, enttäuscht. Auch am Kabinettstisch muss sich Poppenhäger auf Gegenwind gefasst machen. Infrastrukturministerin Birgit Keller (Linke) lässt wissen: „Ich wundere mich über den Vorstoß des Innenministers, das halte ich nicht für den richtigen Stil.“Der Vorschlag sei noch nicht in der Ressortabstimmung, erst am 2. Mai solle im Kabinett über die Beschlussvorlage zur Gebietsreform entschieden werden. „Ich bin gespannt auf die Diskussion“, sagt Keller. SPD-MANN Höhn ist sich indes bewusst, dass mit seiner öffentlichen Wortmeldung „die Koalition in schwieriges Fahrwasser gerät“. Aber neben einem durchaus stark verankerten regionalen Interesse liege ihm auch die „Weiterentwicklung des gesamten Freistaates am Herzen“. ▶ ▶