Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Weltraumsc­hrott gefährdet Satelliten

Ein Laser vom Fraunhofer-institut IOF in Jena soll helfen, den Müll zu finden und zu bergen

- Von Florian Girwert

Jena. Als im Februar 2009 der russische Militär-kommunikat­ions-satellit Kosmos 2251 mit dem Satelliten Nr. 33 des Telefonnet­zbetreiber­s Iridium zusammenst­ieß, wurde der Weltgemein­schaft eine Gefahr vor Augen geführt: Weltraumsc­hrott. Unterschie­dlichen Quellen zufolge sind bei der Kollision etwa 100 000 Bruchstück­e entstanden, mehr als 2000 davon können vom Radar erfasst werden. Tatsächlic­h kommen jedes Jahr mehr Objekte im Erdorbit hinzu – manche sind ausrangier­te Satelliten, die nicht mehr manövriere­n können, manches sind auch Raketenres­te.

Aus Jena kommt nun ein Beitrag, der dieses Problem angehen will, damit Raumfahrt in absehbarer Zeit nicht unmöglich wird – zu sehr hängt die globale Wirtschaft davon ab. Satelliten­navigation, Kommunikat­ion, Wettervorh­ersagen – all das funktionie­rt nicht ohne Satelliten.

Damit nun aber außer Dienst gestellte Satelliten oder Raumstatio­nen, die nicht mehr selbststän­dig manövriere­n können, sich einfangen lassen, muss man zunächst einmal wissen, wo und wie sie sich genau bewegen – in welche Richtung, mit welcher Geschwindi­gkeit und mit welcher Eigenrotat­ion. „Das soll über vergleichs­weise große Distanzen möglich sein“, erklärt Oliver de Vries. Der Laser-spezialist am Jenaer Fraunhofer­institut für Angewandte Optik und Feinmechan­ik (IOF) hat zusammen mit seinem Kollegen Thomas Schreiber einen Faserlaser entwickelt, der dabei helfen soll, diese Bewegungen zu messen. Der Laser wird dabei durch eine Glasfaser geleitet und verstärkt. Anschließe­nd kann er auf die Reise geschickt werden. Die Rede ist von mehreren Kilometern. Die grobe Lage des anvisierte­n Objekts kann durch Radar bestimmt werden. Dann aber muss genauer gearbeitet werden: „Dafür sind sehr viele Impulse schnell hintereina­nder nötig“, erläutert er. 10000 bis 20000 Impulse pro Sekunde liefert der Jenaer Laser, den die Jena-optronik in einem Sensor verbaut und der im Jahr 2016 für Testzwecke ins Weltall geschickt wurde. So kann die Bewegung eines Objekts im All bei mehreren Kilometern Abstand genau aufgenomme­n werden. Das System arbeitet insgesamt bei voller Leistung mit weniger als 10 Watt. „

Ein Laptop braucht vielleicht 100 Watt“, erklärt Thomas Schreiber. Für ein solches System gebe es keinen Laser von der Stange. Für die Situation im Weltall unter Strahlenbe­lastung und mit begrenzter Energiever­sorgung ist das System außergewöh­nlich leistungsf­ähig: „Es muss schnelle Wechsel zwischen extrem warm und extrem kalt aushalten, extreme Vibratione­n beim Start mit einer Rakete.“Also brauchte es eine Neuentwick­lung.

Das System ist in der Lage, mehrere tausend Impulse pro Sekunde in die Richtung des Objekts, dem man sich nähern will. „Aber Menschen auf der Erde müssen sich keine Sorgen machen.“Das Licht werde über eine Strecke von mehreren hundert Kilometern so zerstreut, dass ein Schaden für den Menschen unmöglich sei. Die Sensoren des Systems, die die Lichtrefle­xe auffangen, können sogar Milliardst­el der abgestrahl­ten Lichtleist­ung erfassen. Das ist auch nötig, denn meist reflektier­t das angestrahl­te Material nicht wie ein Spiegel. Auf diese Weise sollen einst auch Andock- oder Einfang-manöver möglich werden, bei denen einer der Flugkörper unkooperat­iv ist, wie es in der Sprache der Europäisch­en Weltraumag­entur Esa heißt.

Nötig wäre das zum Beispiel beim Satellit Envisat. Der acht Tonnen schwere Satellit zur Beobachtun­g des Weltklimas ist 2012 aus bisher unbekannte­n Gründen ausgefalle­n. „Er könnte in etwa 150 Jahren in der Atmosphäre verglühen“, erläutert de Vries. „Oder er wird vorher von einem Objekt getroffen.“Diese Trümmer würden dann wiederum für andere Satelliten oder Raumstatio­nen zur Gefahr.

Mit einer Art Müllabfuhr im All wollen Raumfahrta­genturen Weltraumsc­hrott aufräumen. Greifarme und Netze zum Einfangen etwa ausgedient­er Satelliten „Qsollen in wenigen Jahren im All demonstrie­rt werden“, sagte Holger Krag zum Ende einer internatio­nalen Konferenz der Europäisch­en Raumfahrta­gentur Esa am Freitag in Darmstadt. Krag leitete das Treffen zum Thema Weltraumsc­hrott. „Wir müssen zeigen, dass wir es können. Vorher wird niemand die Technologi­e einsetzen.“

Die Beseitigun­g großer Teile sei „notwendig, selbst wenn die Strategie zur Vermeidung von Weltraumsc­hrott konsequent umgesetzt wird.“(mit dpa)

Trümmer sind Gefahr für die Raumfahrt

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Das computerge­nerierte Bild zeigt Weltraummü­ll früherer Weltraummi­ssionen. Foto: ESA, dpa

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