Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Wippertus und die Früchtchen
Rolf Zienecke ist in seinem Amt als Schutzpatron Respektsperson für die jungen Blaublüter ehrenhalber
Kölleda. Prinzessinnen und Prinzen kommen und gehen. Auch Königinnen und Könige. Nur einer bleibt – der „ewige“Wippertus, Rolf Zienecke.
Kölledas Fleisch gewordener Schutzpatron hat keine festgeschriebene Amtszeit. Er macht, im Kreise all der werbeträchtigen Thüringer Blaublüter ehrenhalber einfach immer weiter. Rolf Zienecke (66) hat dafür inzwischen auch die Genehmigung von der für ihn den Ausschlag gebenden Instanz: Seine Frau Kerstin („Sie ist die Sekretärin des Wippertus.“) sagt: „Soll er doch machen, solange er es noch kann!“Er horcht auf und reagiert prompt: „Da! Jetzt hat Sie es gesagt. Du weißt schon, dass das morgen in der Zeitung steht!“Sie nickt. Als ob sie eine Wahl hätte ...
Rolf Zienecke scheint der geborene Wippertus zu sein. Er ist heute eins mit seiner Rolle. Aber das war nicht immer so. „Hätte mir vor 30 Jahren mal jemand gesagt, dass er so werden würde, dem hätte ich glatt den Vogel gezeigt“, sagt Kerstin Zienecke.
Rolf Zienecke, jüngst von seinem fünfjährigen Enkel erstmals im Kostüm erlebt und sofort „Opa Wippertus“genannt, musste erst werden, was er darstellt. „Sobald er das Kostüm anhat, ist er ein anderer“, sagt seine Frau. „Dann steht seine Gusche keinen Moment still“, lacht sie. Aber es ist ja für einen guten Zweck. Der Wippertus macht Werbung für seine Stadt, verteilt Prospekte und Werbeschriften, lädt Hinz und Kunz ein, lobt seine Heimat über den grünen Klee und die Pfefferminze.
2005, zum Thüringentag, hatte er seinen ersten Auftritt im Bischofsgewand. Das sah damals noch anders aus. Mal davon abgesehen, dass es direkt vom Vorgänger übernommen war und nicht passte. Der Wippertus war schon einmal größer...
Von Mai bis in den Oktober hinein könnte Rolf Zienecke heute, wenn er wollte, jedes Wochenende in sein blau-weißes Gewand mit der goldenen Borte schlüpfen, die Bischofsmütze aufsetzen und sich auf den Bischofsstab stützen – und sich mit jeder Menge jungem Obst und/ oder Gemüse umgeben. Kirsche, Erdbeere, Bolle (Zwiebel), Spargel, Hopfen, Gurke – alles hat seine Prinzessin.
Überallhin wird er eingeladen. Und der Wippertus hat dann, wo er auch auftaucht, die Aufsicht im Blaublüter-kindergarten oder -Gymnasium.
„Die werden aber wirklich immer jünger. Oft sind sie zwischen 12 und 14 – und der Wippertus ist unter ihnen die Respektsperson“, beobachtet Kerstin Zienecke, die aus gesundheitlichen Gründen ihren Rolf nur selten einmal begleitet und nicht eifersüchtig ist. Auch dann nicht, wenn die Prinzessinnen junge Frauen sind.
„Sie könnten alle meine Enkelinnen sein“, sagt Rolf Zienecke. Und selbst wenn sie das nicht sind, als Jungbrunnen wirkt der Umgang mit ihnen für ihn doch.
Heute, Samstag, hat der Wippertus Heimspiel. In Kölleda läuft noch bis zum Sonntag „sein“Fest, das Wippertusfest, und er hat viele Hoheiten eingeladen. 23 werden kommen.
Und Kölleda wird eine neue Pfefferminzprinzessin bekommen. Vanessa I. dankt nach zwei Jahren im grünen Galakleid ab.
Sie hat noch die Eröffnung des Festes geziert, hat den Geschwistern Weisheit bei ihrer „Anno dazumal“-hochseilartistikschau huldvoll applaudiert und den Stolz von Bürgermeister Udo Hoffmann (Freie Wähler) bemerkt, dass diesmal beim Freibier-fassanstich – anders als vor drei Jahren – kein Tropfen daneben ging. Damals, so Hoffmann, sei‘s eine Katastrophe gewesen. „Klappt‘s wieder nicht, ist das mein letztes Mal“, hatte er zuvor angekündigt. Er wird wohl noch einmal ran müssen.
Heute übernimmt Carolin I. Amt, Kleid, Krönchen und Schärpe und stellt sich erstmals in die Reihe der Vielfalt lebenden Veranstaltungs-adeligen.
Neben „Obst und Gemüse“geben sich – um nur einige zu nennen – auch der Laubkönig, die Waidprinzessin, die Muskönigin, die Salzprinzessin, die Stollenkönigin, die Rosen- und die Riedprinzessin die Ehre.
Und die Dahlienkönigin mit Namen Elfriede. Sie, schon über 80, bekommt den Ehrenplatz an des Wippertus Seite, wenn die royalen Werbeträger diesmal besonders stilvoll den Blickfang zur Eröffnung des historischen Markttreibens abgeben. Sie werden nicht nur auf die Bühne geführt. Sie werden vorgefahren. Und das nicht irgendwie, sondern in den Sondermodellen des ortsansässigen Trabi-museums. Allen voran fährt Rolf Zienecke im Wippertusgewand in einem Trabi-papamobil. In der Art der Beförderung hat er als Bischof ehrenhalber damit die Spitze dessen erreicht, was möglich ist.
Die Idee zum hoheitlichen Trabi-korso hatte Zienecke selbst, und er freut sich diebisch, dass die Museumsleute um Dirk Ostwald sich von seiner Begeisterung anstecken ließen.
Bis in den Oktober hinein, den Abschluss bildet für ihn Jahr für Jahr das Zwiebelmarktfest in Artern, ist Rolf Zienecke der Wippertus – mit Leib und Seele. 2015 bekam er dafür den Bürgerpreis des Landkreises Sömmerda. In seinem Wippertuszimmer, die Wände bepflastert mit Fotos von erinnerungswürdigen Auftritten, steht der Pokal an einem Ehrenplatz.
Nach dem Oktober gönnt sich Rolf Zienecke eine kurze Verschnaufpause. Dann wechselt er im Dresscode nahtlos von Blau auf Rot. Denn, pssst, liebe Kinder, den Weihnachtsmann vertritt er auch, wenn der mal nicht kann. In der näheren Umgebung sowieso, neuerdings hat er aber auch Anfragen bis aus Herbsleben, kennt man ihn als darstellerisch begabten Gabenbringer.
Was er als Bischof Wippertus in 12 Jahren gelernt hat, steht so einem eloquenten Weihnachtsmann schließlich auch ganz gut zu Gesicht. . Wippertusfest in Kölleda Samstag ab Uhr historisches Markttreiben mit Schauhandwerk, Showbühne, Aktionen, Technikschau, offenen Museen, „grüner Küche“, offener Kirche und offenem Bauernhof; . Uhr Vorstellung der angereisten Hoheiten und Krönung der neuen Pfefferminzprinzessin Carolin I.; die Majestäten fahren im Korso von Sondermodellen des Kölledaer Trabimuseums vor; und Uhr Hochseil-shows der Geschwister Weisheit; Sonntag unter anderem ab Uhr Flohmarkt, Uhr Festgottesdienst, Uhr Frühschoppen, Uhr Kinderprogramm, Uhr Verlosung Ratespiel, . Uhr Geschwister Weisheit, . Chorkonzert mit der Singgemeinschaft Kölleda