Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Reif für die Riesen-laster?
Seit Jahresbeginn dürfen besonders lange Lkw frei in Deutschland fahren. Nutzen und Gefahr bleiben umstritten
vom Bundesverband Güterverkehr und Logistik (BGL). Denn durch die Gewichtsbegrenzung bleibe der Einsatz auf leichte Güter beschränkt. So transportierten die Spediteure damit zum Beispiel Aussendungen der Paketdienste oder große Schaumstoffmengen. Mit ökologischen Vorteilen der Megatransporter will die Branche ebenso wie der Verkehrsminister Kritiker überzeugen. „Zwei Lang-lkw ersetzen drei herkömmliche Lkw“, sagt Dobrindt, „er ist sicher, spart Sprit und führt weder zu Verlagerungen von Verkehren auf die Straße noch zu einer stärkeren Belastung unserer Infrastruktur.“Bezogen auf die klimaschädlichen Co2-emissionen wird die Ersparnis auch von den Gegnern anerkannt. Der Betrieb der Fahrzeuge ist bis zu 25 Prozent billiger. Im hart umkämpften Transportmarkt ist das viel.
Auf lange Sicht kann sich dieser Vorteil ins Gegenteil verkehren. Das befürchten Umweltverbände und die Allianz pro Schiene. „Es besteht kein Zweifel, dass dieses Preisdumping eine Verlagerung von Gütern zurück auf die Straße in Gang setzen wird“, sagt die Sprecherin des bahnfreundlichen Verbands, Barbara Mauersberg. Laut Studien müsse mit 7000 zusätzlichen Fahrten pro Tag gerechnet werden. Im Schienengüterverkehr würden dann 1000 Arbeitsplätze verloren gehen.
Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hält die Fahrerlaubnis für eine falsche Entscheidung. „Gigaliner sind schlecht für den Klimaschutz und ziehen zusätzliche Investitionen in den Straßenbau nach sich“, glaubt BUND-CHEF Hubert Weiger, „gut sind sie nur für die Lkw-lobby.“Beide Verbände haben zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe Anfang April eine Klage gegen die Zulassung eingereicht. Damit wollen sie ein Verbot der Lang-lkw erreichen.
Das Verwaltungsgericht Berlin muss nun in erster Instanz entscheiden, ob sich die Zulassung mit europäischem Recht verträgt. Daran zweifeln die Kläger. In der Eu-richtlinie 96/53 seien Höchstabmessungen für Lkw festgelegt, von denen nur in Ausnahmefällen abgewichen werden darf, erläutert der Anwalt der Kläger, Remo Klinger. „Den gewöhnlichen Verkehr von Riesen-lkw lässt die Richtlinie jedoch nicht zu“, glaubt der Jurist. Die Branchenverbände lässt der Prozess kalt. Die Eukommission sei nicht gegen ähnliche Zulassungen in Nachbarländern vorgegangen, betont der Sprecher des Deutschen Speditions- und Logistikverbands, Markus Ohligschläger.
In Schweden, Dänemark und den Niederlanden sind die neuen Giganten der Straße schon länger im Regelbetrieb. Dort sind sogar noch schwerere Riesen-lkw unterwegs, in Finnland bis zu 76 Tonnen. Hier trifft die Bezeichnung Monstertruck wohl am ehesten zu. Die Richtlinie sieht keine einheitliche Abweichung von den Maximalabmessungen vor. Jeder Staat ist diesbezüglich eine Insel. Grenzüberschreitende Verkehre sind daher vorerst nicht zu erwarten.
Zwei lange ersetzen drei normale Lastwagen
Grenzüberschreitender Einsatz wird geprüft
Mauersberg bezweifelt, dass diese Einschränkung von Dauer ist. „Das Bundesverkehrsministerium prüft bereits grenzüberschreitende Fahrten mit Riesenlkw“, warnt sie. Es sei naiv zu glauben, dass es bei den kleineren Varianten der Gigaliner bleibe. Die Bürger müssten sich darauf einstellen, dass nicht nur überlange, sondern demnächst auch überschwere Lkw durch Deutschland donnern.
Der Verband fordert stattdessen, den Schienengüterverkehr zu verbessern. Die Trassenpreise sollten halbiert und das Netz für längere Güterzüge ausgebaut werden. Nur jeder zehnte Güterzug komme derzeit auf die europäische Standardlänge von 740 Metern.