Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Mission Abschreckung
Nato stellt sich auf Aggression Russlands ein – und will Panzer schneller an Ost-Grenze verlegen
Brüssel.
Im Bautzen war die Fahrt für die US-Panzer zu Ende. Die Polizei stoppte den Truppentransport vor wenigen Wochen an der Autobahnraststätte der A 4. Eine Transportgenehmigung fehlte, die Fracht auf den Sattelschleppern war angeblich zu breit. Erst nach Tagen durften die Haubitzen in die Oberpfalz verlegt werden. Dort war die Gefechtsübung in vollem Gang.
Tagelange Kontrollen, bürokratische Hürden, Zolldokumentationen an jeder Landesgrenze in Europa gelten NatoMilitärs schon lange als Bremsschuh für eine glaubwürdige Abschreckung. Hinzu kommt: Brücken und Schienen sind vor allem in Osteuropa mitunter nicht für Militärgerät ausgelegt. Eine vertrauliche Nato-Analyse kam zum Ergebnis, das Bündnis könne auf eine militärische Bedrohung durch Russland, einen bevorstehenden Angriff in Osteuropa, womöglich nicht ausreichend reagieren.
Jetzt will die Nato dafür sorgen, dass im Krisenfall die Verlegung großer Truppenteile funktioniert. Die Verteidigungsminister berieten am Mittwoch in Brüssel den Aufbau zweier neuer Kommandozentren: Ein Einsatzunterstützungskommando mit Sitz in Deutschland soll in Europa schnellere und sichere Truppen- und Materialtransporte ermöglichen. Das Kommando mit mehreren Hundert Soldaten wird von Deutschland aufgebaut, sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Als Standort kämen Köln/Bonn und Ulm infrage, hieß es in Militärkreisen. „Wenn man im Spannungs- oder Krisenfall schnell Truppenbewegungen über große Strecken innerhalb Europas unternehmen muss, dann muss das genau geplant sein und mit großer Geschwindigkeit und Effizienz vor sich gehen“, sagte von der Leyen. Vom „militärischen Schengenraum“ist die Rede, von grenzenloser Truppen-Mobilität.
Ein zweites Kommandozentrum in den USA soll den Seeweg von Amerika nach Europa besser sichern – für Truppentransporte ebenso wie für die Kommunikationsverbindung. Die Nato ist besorgt, weil Russland massiv in seine U-BootFlotte investiert und häufig im Nordatlantik präsent ist, oft in der Nähe wichtiger Datenkabel.
Mit den neuen Vorhaben sendet die Nato ein weiteres Abschreckungssignal an Russland. Selbstbewusst hatte sie als Antwort auf die Spannungen mit Moskau eine neue, schnelle Eingreiftruppe aufgebaut. Doch erste Übungen der „Speerspitze“fielen ernüchternd aus: Die Verlegung größerer Truppen binnen Tagen erwies sich als kaum zu bewältigende Herausforderung.
Für März hat die EU-Kommission einen Aktionsplan angekündigt, um Mängel an Straßen, Brücken und Schienenwegen zu beheben und bürokratische Hürden abzubauen. Russland warnt bereits vor einer neuen Aufrüstung der Nato.