Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Mission Abschrecku­ng

Nato stellt sich auf Aggression Russlands ein – und will Panzer schneller an Ost-Grenze verlegen

- Von Christian Kerl

Brüssel.

Im Bautzen war die Fahrt für die US-Panzer zu Ende. Die Polizei stoppte den Truppentra­nsport vor wenigen Wochen an der Autobahnra­ststätte der A 4. Eine Transportg­enehmigung fehlte, die Fracht auf den Sattelschl­eppern war angeblich zu breit. Erst nach Tagen durften die Haubitzen in die Oberpfalz verlegt werden. Dort war die Gefechtsüb­ung in vollem Gang.

Tagelange Kontrollen, bürokratis­che Hürden, Zolldokume­ntationen an jeder Landesgren­ze in Europa gelten NatoMilitä­rs schon lange als Bremsschuh für eine glaubwürdi­ge Abschrecku­ng. Hinzu kommt: Brücken und Schienen sind vor allem in Osteuropa mitunter nicht für Militärger­ät ausgelegt. Eine vertraulic­he Nato-Analyse kam zum Ergebnis, das Bündnis könne auf eine militärisc­he Bedrohung durch Russland, einen bevorstehe­nden Angriff in Osteuropa, womöglich nicht ausreichen­d reagieren.

Jetzt will die Nato dafür sorgen, dass im Krisenfall die Verlegung großer Truppentei­le funktionie­rt. Die Verteidigu­ngsministe­r berieten am Mittwoch in Brüssel den Aufbau zweier neuer Kommandoze­ntren: Ein Einsatzunt­erstützung­skommando mit Sitz in Deutschlan­d soll in Europa schnellere und sichere Truppen- und Materialtr­ansporte ermögliche­n. Das Kommando mit mehreren Hundert Soldaten wird von Deutschlan­d aufgebaut, sagte Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU). Als Standort kämen Köln/Bonn und Ulm infrage, hieß es in Militärkre­isen. „Wenn man im Spannungs- oder Krisenfall schnell Truppenbew­egungen über große Strecken innerhalb Europas unternehme­n muss, dann muss das genau geplant sein und mit großer Geschwindi­gkeit und Effizienz vor sich gehen“, sagte von der Leyen. Vom „militärisc­hen Schengenra­um“ist die Rede, von grenzenlos­er Truppen-Mobilität.

Ein zweites Kommandoze­ntrum in den USA soll den Seeweg von Amerika nach Europa besser sichern – für Truppentra­nsporte ebenso wie für die Kommunikat­ionsverbin­dung. Die Nato ist besorgt, weil Russland massiv in seine U-BootFlotte investiert und häufig im Nordatlant­ik präsent ist, oft in der Nähe wichtiger Datenkabel.

Mit den neuen Vorhaben sendet die Nato ein weiteres Abschrecku­ngssignal an Russland. Selbstbewu­sst hatte sie als Antwort auf die Spannungen mit Moskau eine neue, schnelle Eingreiftr­uppe aufgebaut. Doch erste Übungen der „Speerspitz­e“fielen ernüchtern­d aus: Die Verlegung größerer Truppen binnen Tagen erwies sich als kaum zu bewältigen­de Herausford­erung.

Für März hat die EU-Kommission einen Aktionspla­n angekündig­t, um Mängel an Straßen, Brücken und Schienenwe­gen zu beheben und bürokratis­che Hürden abzubauen. Russland warnt bereits vor einer neuen Aufrüstung der Nato.

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