Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Übertriebener Hochwasserschutz
Naturschutzbund übt harsche Kritik an der Neugestaltung des Linderbachs bei Kleinmölsen
Kleinmölsen.
Eigentlich müsste die Straße „Am Bache“in Kleinmölsen jetzt in „Am Kanal“umgetauft werden. Folgt man den Argumenten von Martin Schmidt, dem stellvertretenden Landesvorsitzenden des Naturschutzbundes Thüringen (Nabu) hat das Gewässer nach seiner „Erneuerung“nichts mehr mit einem Bach zu tun.
Schwerer Schotter verhindert jetzt an beiden Seiten Uferabbrüche, ein Teil der am Ufer stehenden Weiden wurde gefällt, der Bachlauf wurde begradigt und auf ein Niveau gebracht – über die gesamte Länge von Kleinmölsen, von der Grenze zur Landeshauptstadt bis zur Einmündung in die Gramme.
Für den Hochwasserschutz war der Linderbach bereits vor zwei Jahren auf dem Territorium der Landeshauptstadt einer Gewässerunterhaltung unterzogen worden. Für den Naturschutz sei dies, laut Schmidt, auch schon grenzwertig gewesen, da für die Uferbefestigung viele Flächen geschottert wurden – im Landkreis Sömmerda, bei der Verwaltungsgemeinschaft Gramme-Aue, habe man sich allerdings noch gesteigert, beklagt Schmidt – und schweres Gestein an den Uferrand gebracht. Nistund Brutplätze sind nunmehr versiegelt, der Tierwelt wurde ein Stück Natur entzogen. Trotz intensiver Suche habe man kein einziges Lebewesen im Linderbach sichten können – und der Eisvogel, der Bernd Krüger von der Nabu-Geschäftsstelle auf der Töttlebener Höhe immer wieder begeisterte, sei auch verschwunden – sein Nistplatz ist verwaist. Etwas an der Situation ändern zu können, glauben die beiden Naturschützer zwar nicht, ihnen ist es aber wichtig, den Linderbach als Beispiel für naturzerstörerischen Hochwasserschutz darzustellen.
Bernd Krüger und Martin Schmidt bezweifeln, dass durch die nunmehr erhöhte Fließgeschwindigkeit künftige Hochwasser verhindert werden können, sie befürchten vielmehr, dass Steuergelder verschwendet wurden. Laut Schmidt wäre es sinnvoller gewesen, vor dem Auenwald am Ortseingang für Überflutungsflächen zu sorgen – sie böten sich dort geradezu an. Schmidt: „Überall geht der Trend in Richtung Renaturierung von Fluss- und Bachläufen, aber in Erfurt und im Kreis Sömmerda hat sich das scheinbar noch nicht herumgesprochen, da geht es auch anders herum.“
Der stellvertretende NabuLandesvorsitzende wirft den Verantwortlichen blinden Aktionismus vor. Er fordert, dass ein Teil der Wasserbaumaßnahmen rückgängig gemacht wird. Hätte man den Nabu um eine Stellungnahme gebeten, wäre dieser Schaden an der Natur verhindert worden.
Leider habe man den Nabu nicht fragen müssen, da es nur um eine Gewässerunterhaltsmaßnahme ging. Man hätte aber fragen können. Wenn man gewollt hätte.
Dass alle gefragt wurden, die gefragt werden mussten (auch das Umweltamt des Landkreises), davon ist Monika Poppitz, die Bürgermeisterin von Kleinmölsen fest überzeugt. Für sie sind die Vorwürfe aus der Luft gegriffen, ungerechtfertigt. Sie selbst sei Mitglied des Naturschutzbundes und habe darauf geachtet, dass der Lebensraum für die Tierwelt erhalten bleibt. Gemeinsam mit dem Planungsbüro soll dies demnächst noch einmal dargestellt werden. Vergeblich halten Bernd Krüger und Martin Schmidt Ausschau nach Leben im Linderbach. Fotos (): Hartmut Schwarz