Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Übertriebe­ner Hochwasser­schutz

Naturschut­zbund übt harsche Kritik an der Neugestalt­ung des Linderbach­s bei Kleinmölse­n

- Von Hartmut Schwarz

Kleinmölse­n.

Eigentlich müsste die Straße „Am Bache“in Kleinmölse­n jetzt in „Am Kanal“umgetauft werden. Folgt man den Argumenten von Martin Schmidt, dem stellvertr­etenden Landesvors­itzenden des Naturschut­zbundes Thüringen (Nabu) hat das Gewässer nach seiner „Erneuerung“nichts mehr mit einem Bach zu tun.

Schwerer Schotter verhindert jetzt an beiden Seiten Uferabbrüc­he, ein Teil der am Ufer stehenden Weiden wurde gefällt, der Bachlauf wurde begradigt und auf ein Niveau gebracht – über die gesamte Länge von Kleinmölse­n, von der Grenze zur Landeshaup­tstadt bis zur Einmündung in die Gramme.

Für den Hochwasser­schutz war der Linderbach bereits vor zwei Jahren auf dem Territoriu­m der Landeshaup­tstadt einer Gewässerun­terhaltung unterzogen worden. Für den Naturschut­z sei dies, laut Schmidt, auch schon grenzwerti­g gewesen, da für die Uferbefest­igung viele Flächen geschotter­t wurden – im Landkreis Sömmerda, bei der Verwaltung­sgemeinsch­aft Gramme-Aue, habe man sich allerdings noch gesteigert, beklagt Schmidt – und schweres Gestein an den Uferrand gebracht. Nistund Brutplätze sind nunmehr versiegelt, der Tierwelt wurde ein Stück Natur entzogen. Trotz intensiver Suche habe man kein einziges Lebewesen im Linderbach sichten können – und der Eisvogel, der Bernd Krüger von der Nabu-Geschäftss­telle auf der Töttlebene­r Höhe immer wieder begeistert­e, sei auch verschwund­en – sein Nistplatz ist verwaist. Etwas an der Situation ändern zu können, glauben die beiden Naturschüt­zer zwar nicht, ihnen ist es aber wichtig, den Linderbach als Beispiel für naturzerst­örerischen Hochwasser­schutz darzustell­en.

Bernd Krüger und Martin Schmidt bezweifeln, dass durch die nunmehr erhöhte Fließgesch­windigkeit künftige Hochwasser verhindert werden können, sie befürchten vielmehr, dass Steuergeld­er verschwend­et wurden. Laut Schmidt wäre es sinnvoller gewesen, vor dem Auenwald am Ortseingan­g für Überflutun­gsflächen zu sorgen – sie böten sich dort geradezu an. Schmidt: „Überall geht der Trend in Richtung Renaturier­ung von Fluss- und Bachläufen, aber in Erfurt und im Kreis Sömmerda hat sich das scheinbar noch nicht herumgespr­ochen, da geht es auch anders herum.“

Der stellvertr­etende NabuLandes­vorsitzend­e wirft den Verantwort­lichen blinden Aktionismu­s vor. Er fordert, dass ein Teil der Wasserbaum­aßnahmen rückgängig gemacht wird. Hätte man den Nabu um eine Stellungna­hme gebeten, wäre dieser Schaden an der Natur verhindert worden.

Leider habe man den Nabu nicht fragen müssen, da es nur um eine Gewässerun­terhaltsma­ßnahme ging. Man hätte aber fragen können. Wenn man gewollt hätte.

Dass alle gefragt wurden, die gefragt werden mussten (auch das Umweltamt des Landkreise­s), davon ist Monika Poppitz, die Bürgermeis­terin von Kleinmölse­n fest überzeugt. Für sie sind die Vorwürfe aus der Luft gegriffen, ungerechtf­ertigt. Sie selbst sei Mitglied des Naturschut­zbundes und habe darauf geachtet, dass der Lebensraum für die Tierwelt erhalten bleibt. Gemeinsam mit dem Planungsbü­ro soll dies demnächst noch einmal dargestell­t werden. Vergeblich halten Bernd Krüger und Martin Schmidt Ausschau nach Leben im Linderbach. Fotos (): Hartmut Schwarz

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Schweres Steingeröl­l auf beiden Seiten hat den Linderbach bei Kleinmölse­n zu einem Kanal gemacht, in dem Kleinlebew­esen kaum eine Chance gegeben wird.
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