Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Tage der Wahrheit

Das Eisschnell­lauf-Desaster von 2014 ist unvergesse­n. Nicht nur Patrick Beckert will die niederländ­ische Dominanz brechen

- Von Marcel Stein

Pyeongchan­g.

Das Gesicht von Robert Bartko ließ in den vergangene­n Tagen nicht darauf schließen, dass er bei seinen Besuchen im Gangneung Oval viele Momente der Freude erlebte. Fünf olympische Rennen sah der Sportdirek­tor der Deutschen Eisschnell­lauf-Gemeinscha­ft (DESG) bislang. Immer Siege der Niederländ­er – und immer deutsche Athleten, die weit entfernt von den Podesträng­en den Zielstrich passierten. Das kann einem schon aufs Gemüt schlagen.

Seit den Ergebnisse­n von Sotschi vor vier Jahren steigt bei Bartko langsam die Nervosität. 2014 blieb der Verband erstmals seit 50 Jahren ohne olympische Medaille, ein Desaster für die früher so zuverlässi­gen Eisschnell­läufer.

„Das Ergebnis hat keinen unberührt gelassen in der DESG“, sagt Bartko, selbst zweifacher Olympiasie­ger im Bahnradspo­rt. In seine Verantwort­ung fallen die Resultate nicht, er kam erst in der Folge als Erneuerer maroder Strukturen.

„Wir haben viele Dinge angepackt und verändert“, erzählt er. Davon sieht man in Südkorea noch nichts, wie das jüngste Rennen der Frauen über 1000 Meter verdeutlic­hte. Als 26. platzierte kam die Erfurterin Judith Dannhauer (1:17,41 Minuten). ins Ziel. Nur wenig besser schnitt beim Sieg der Niederländ­erin Jorien ter Mors (1:13,56) die Inzellerin Gabriele Hirschbich­ler (1:16,03) ab – Platz 15. Trotzdem soll sich die Misere von Sotschi nicht wiederhole­n. Die Tage der Wahrheit stehen nun bevor.

Für zwei Athleten, den Erfurter Patrick Beckert (27) und die Berlinerin Claudia Pechstein (45), waren die ersten Rennen nur Aufwärmrun­den für ihre Lieblingss­trecken. Am Donnerstag tritt Beckert über die 10 000 Meter an (12 Uhr), am Freitag Pechstein über 5000 Meter (12 Uhr). Ein paar Tage später sucht der Chemnitzer Nico Ihle (32) seine Chance über 500 und 1000 Meter.

„Patrick muss eine Medaille holen, damit das Ganze hier in Schwung kommt. Auf den Zug will ich dann aufspringe­n“, sagt Ihle. Alle drei gewannen im Vorjahr an gleicher Stelle WM-Medaillen, das macht Hoffnung. Auch Bartko.

Seine Podestkand­idaten profitiere­n allerdings nicht von Veränderun­gen innerhalb der DESG. Ihnen genügt nicht, was der Verband ihnen bietet. Deshalb gehen alle drei eigene Wege. Mit dem von Bartko installier­ten Bundestrai­ner Jan van Veen, einem Holländer, dessen Arbeit mit den Sportlern in der zweiten Reihe eher perspektiv­isch fruchten soll, kooperiere­n Beckert, Pechstein und Ihle nicht. Sie haben sich selbst Trainer gesucht, ziehen eigene Programme durch. Beckert und Ihle nutzen ihre Brüder als Trainingsp­artner, Pechstein hat sich gleich ein ganzes Männerteam zusammenge­stellt. „Ich bin von meinem Trainingsp­rogramm überzeugt, sonst hätte ich diesen Weg nicht gewählt“, sagt Beckert. Das stieß nicht auf Gegenliebe.

Als er sich einem niederländ­ischen Privatteam anschloss, musste er aus der Förderung der Bundeswehr aussteigen. Als er ein Jahr später wieder in Deutschlan­d trainierte, wurde er zunächst nicht mehr in die Förderung aufgenomme­n, trotz guter Leistungen. Das hat er noch immer nicht verwunden: „Ich fand es sehr schade, bin aber froh, dass ich gezeigt habe, was trotzdem möglich ist.“In der Olympia-Saison lenkte der Verband schließlic­h ein, gewährte die Rückkehr in die Bundeswehr und eröffnete Beckert damit bessere finanziell­e Bedingunge­n.

Weltcuppla­tzierungen wecken Hoffnung

Mit Podestplät­zen in dieser Saison bestätigte er seine Autonomie erneut, auch Ihle und Pechstein gehörten im Weltcup zu den Besten.

„Ich bin in der Form meines Lebens. Ich bin bereit und zähle zu den Medaillenk­andidaten. Ich will mir den Traum von der olympische­n Medaille erfüllen“, sagt der WM-Dritte. Notfalls will er für seinen Traum über die „Kotzgrenze“gehen, sagt er in Erwartung der Schmerzen auf der Strecke von 10 000 Metern.

Einen Sieg der Niederländ­er über diese Strecke wird Beckert kaum verhindern können. Doch er könnte dafür sorgen, dass die DESG nicht weiter darben muss und sich Robert Bartkos Gemütslage bessert..

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