Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Stephan & Stephan

AfD-Politiker Brandner spricht von Tipps, die er von Verfassung­sschutzche­f Kramer erhalten habe. Der widerspric­ht

- Von Frank Schauka

Der letzte Gang vor meinem Urlaub galt der Autowerkst­att. Seit Wochen blinkt auf der Amatur das Service-Zeichen. Ein Mann, den eine innige Beziehung mit seinem Auto verbindet, kann das nicht verstehen. Er mahnt und drängelt und zieht die Augenbraue­n hoch. Ich weiß selber, es ist nicht gut für den Motor und auch nicht für meine Reputation als Wagenhalte­rin. Aber wenn das Auto in der Werkstatt ist, bin ich bewegungsu­nfähig und muss andere Dinge verschiebe­n. Man muss klug abwägen. Der Alltag einer Frau ist von einer komplizier­ten Kette von Verschiebu­ngen geprägt. Psychologe­n sprechen von Prokrastin­ation, eine ernste Persönlich­keitsstöru­ng. Alles Unsinn. Es ist eine spezifisch weibliche Form des Alltagsman­agements. Wir prokrastin­ieren kontrollie­rt, weil wir es müssen. Das Patriachat hat irgendwann das Ding vom Multi-Tasking in die Welt gesetzt. Seitdem hängt das uns Frauen als Klotz am Bein. Für Männer eine schöne Rechtferti­gung, Dinge auszusitze­n, auf die sie keine Lust haben. Die Multi-Tasking- Fee macht das spielend. Und dann bilden sie sich sonstwas darauf ein, wenn sie im PC mal ein paar Amtsschrei­ben verfassen. Die männliche Vorstellun­g von „ multitaski­ng“ist eine Mischung der Göttin Kali und Bibi Bloxberg: Sechs Arme und ein Besen zum Fliegen. Wir arbeiten ja dran. Dafür ahnen Männer nicht, wie viele aufgeschob­enen Dinge sich von allein erledigen. Aber das bleibt unser Geheimnis. Erfurt. Gespräche mit dem Thüringer AfD-Bundestags­abgeordnet­en Stephan Brandner können riskant sein. Deutschlan­ds oberster Verfassung­sschützer Hans-Georg Maaßen kann ein Lied davon singen. Maaßen müsse entlassen werden, fordern seit Tagen Politiker aller Parteien links der CDU. Der Grund: Maaßens Treffen mit Brandner am 13. Juni.

Das war jedoch kein Einzelfall. Drei Wochen zuvor, am 22. Mai in Erfurt, kam AfD-Mann Brandner, der Vorsitzend­er des Rechtsauss­chusses des Deutschen Bundestags ist, mit einem anderen hochrangig­en Verfassung­sschützer zusammen: mit Thüringens Verfassung­sschutzprä­sident Stephan Kramer.

„Das wird seltsamerw­eise gar nicht berichtet“, sagte Brandner gestern. Anders als Maaßen habe Kramer sogar Tipps gegeben. „Da wurde insbesonde­re die Identitäre Bewegung genannt, von der man sich fernhalten sollte“, sagte Brandner unserer Zeitung. „Die AfD sollte darauf achten, mit welchen externen Gruppierun­gen sie sich sehen lässt und zusammenar­beitet.“Über interne Angelegenh­eiten der AfD sei hingegen nicht gesprochen worden.

„Was Herr Brandner als Tipps bezeichnet, ist nichts anderes als das, was ich jederzeit öffentlich sage“, betonte Verfassung­sschutzche­f Kramer gestern auf Nachfrage. Von einer „Politikber­atung“, die nicht statthaft ist, könne deshalb keine Rede sein. Thüringens Innenminis­ter Georg Maier (SPD) war nach Kramers Worten informiert und hatte keine Bedenken.

Im Mai war die Lage tatsächlic­h eine andere. Erst Anfang September teilte Kramer mit, dass seine Behörde ab sofort prüfen werde, ob sich die Thüringer AfD unter Führung von Björn Höcke zu einer rechtsextr­emen Partei entwickelt habe – ähnlich wie die NPD.

Im Mai, sagt Kramer, habe es noch keine tatsächlic­hen Anhaltspun­kte für eine derartige Maßnahme gegeben.

Nach Kramers Einschätzu­ng hat der Verfassung­sschutz nicht nur die Aufgabe, die freiheitli­chdemokrat­ische Grundordnu­ng durch nachrichte­ndienstlic­he Operatione­n zu schützen. „Verfassung­sschutz durch Aufklärung“bedeute auch, der Öffentlich­keit Informatio­nen zur Verfügung zu stellen, die markieren, wo Verfassung­sfeinde stehen und wo Verfassung­sfeindlich­keit beginnt.

„Auch eine Partei, die Gefahr läuft, extremisti­sch unterwande­rt zu werden, hat einen Anspruch darauf, dass wir ihr sagen, wo etwas in die falsche Richtung läuft“, erläutert Kramer. „Wir machen keine strategisc­he Beratung. Wir teilen selbstvers­tändlich auch nicht mit, welche Maßnahmen wir gegebenenf­alls ergreifen.“Das wäre Geheimnisv­errat.

Neu sei das nicht und unüblich auch nicht, so Kramer. Vor drei Jahren, als die AfD in Erfurt jede Woche auf die Straße ging und Tausende den Protest gegen Massenzuwa­nderung begleitete­n, mischten sich unter die Demonstran­ten auch etliche Rechtsextr­emisten. Parteichef Höcke habe den Verfassung­sschutz damals gebeten, den Demonstrat­ionszug zu beobachten. Höckes Ansinnen: Neonazis sollten identifizi­ert werden, damit die AfD sie ausschließ­en könne.

Das habe er damals abgelehnt, sagt Kramer. Konkrete Namen zu nennen, das wäre Politikber­atung gewesen.

Solange die AfD ein Teil des politische­n Spektrums und kein Beobachtun­gsobjekt des Verfassung­sschutzes sei, sagt Kramer, sei er – in Abstimmung mit dem Innenminis­ter – weiterhin zu Gesprächen auch mit Politikern der AfD bereit.

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Dieses Foto verbreitet­e der AfD-Bundestags­abgeordnet­e Stephan Brandner (rechts) öffentlich per Twitter. Laut eigenen Angaben zeigt es ihn während seines Besuchs am . Mai beim Thüringer Verfassung­sschutzche­f Stephan Kramer.
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Elena Rauch prokrastin­iert selbstbest­immt und kontrollie­rt

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