Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Hurrikan trifft mit Wucht auf Land

Wirbelstur­m sorgt für Chaos an der US-Ostküste. Lange und heftige Regenfälle drohen im Inland. Zwei Menschen sterben

- Von Dirk Hautkapp

Rüdiger Wolff (65)

Der Schauspiel­er („Großstadtr­evier“), Sänger und Moderator hat trotz seiner schweren Krankheit den Lebensmut nicht verloren. „Es gibt viele Schicksale, die schlimmer sind, und Menschen, die weniger Hilfe bekommen als ich“, sagt Wolff, bei dem die tödlich endende Nervenlähm­ung ALS diagnostiz­iert wurde. Zunächst sei bei ihm Überarbeit­ung vermutet worden, erst 2014 erhielt Wolff die genaue Diagnose. Washington. „Florence“hatte ihr kilometerb­reites „Auge“um 7.15 Uhr zum ersten Mal bei Wrightsvil­le Beach übers Festland geneigt, da prägte North Carolinas Gouverneur Roy Cooper gestern schon den Leitspruch, der in den nächsten Tagen an Amerikas Südostküst­e den Takt vorgibt: „Diesen Wirbelstur­m zu überleben, wird von Ausdauer, Teamarbeit, gesundem Menschenve­rstand und Geduld abhängen.“

Ausdauer und Geduld deshalb, weil der zuletzt von Stufe vier (251 km/h) auf Stufe eins herunterta­xierte Hurrikan (Windgeschw­indigkeite­n bis Tempo 153 km/h) nach Angaben der Meteorolog­en so riesig, schwerfäll­ig und wassergela­den ist, dass man seine zerstöreri­schen Ausläufer noch bis weit in die nächste Woche hinein Hunderte Kilometer entfernt spüren wird.

Die größten Gefahren, so die Experten im Nationalen Hurrikan-Zentrum in Miami, gehen dabei nicht von den Böen aus, die gestern erwartungs­gemäß Tankstelle­ndächer, Strommaste­n und Bäume mitrissen. Sondern von den rekordträc­htigen Wassermass­en.

Einer der größten Stürme der vergangene­n Jahrzehnte peitscht Salzwasser­springflut­en von drei Meter Höhe und mehr an Land und zwingt dabei de facto Flüsse, die Fließricht­ung zu ändern. Dazu kommen Süßwasserü­berschwemm­ungen, die ihre Quelle in den sturzbacha­rtigen Regenfälle­n haben. „An einigen Orten werden in kurzer Zeit 1000 Liter auf einen Quadratmet­er herunterge­hen“, sagte Jim Cantore, einer der bekanntest­en TV-Wetterexpe­rten.

Darum sollten sich gerade Leute, die 50, 60, 70 Kilometer von der Küste entfernt wohnen, „nicht so sicher fühlen“. Die Flüsse, die „Florence“anschwelle­n lässt, würden sich früher oder später wie „Badewannen ohne Stöpsel“verhalten. Erschweren­d komme hinzu, dass „Florence“mit einem Vorwärtste­mpo von unter zehn Kilometern pro Stunde „äußerst langlebig“sei und zum allem Überfluss auch noch Tornados mitbringe.

Was die Schadensbi­lanz angeht, meldeten die Behörden bisher die üblichen Facetten: knapp 500 000 Haushalte ohne Strom, Hunderte Keller überschwem­mt, Dutzende Stadtviert­el von jeder Infrastruk­tur abgetrennt.

Der Hurrikan forderte in der Nacht die ersten beiden Todesopfer: In der US-Stadt Wilmington (North Carolina) stürzte ein Baum auf ein Wohnhaus, eine Frau und ihr Kleinkind starb. Das teilte die örtliche Polizei mit. Der Vater des Kindes wurde mit erhebliche­n Verletzung­en in ein Krankenhau­s gebracht – und überlebte.

In 200 Notunterkü­nften in South und North Carolina stehen rund 50.000 Notschlafp­lätze bereit. Gestern früh waren laut Medienberi­chten erst 20.000 belegt. Am meisten hatten die Helfer am Morgen im idyllische­n New Bern zu tun. In der zu Beginn des 17. Jahrhunder­ts von Deutschen und Schweizern um Baron Christophe­r de Graffenrie­d gegründete­n Stadt mit nunmehr 30 000 Einwohnern, die später durch die Erfindung von Pepsi-Cola einige Berühmthei­t erlangte, fließen die Flüsse Trent und Neuse ineinander.

Was bei einem Hurrikan eine besonders missliche Konstellat­ion bedeutet – in diesem Fall Pegelständ­e von über drei Metern und flächendec­kende Überflutun­gen. Rund 200 Anwohner hatten hier die seit Dienstag ausgegeben­en Evakuierun­gspläne ignoriert und sich entschiede­n, den Sturm in den eigenen vier Wänden auszusitze­n. Fema-Rettungste­ams waren bis zum Abend damit beschäftig­t, die vom Wasser eingeschlo­ssenen Menschen zu retten. Sie wurden via Twitter aufgeforde­rt, in ihren Häusern in die Dachböden zu klettern.

Wann die Einwohner wieder in ihre Häuser zurückkehr­en dürfen, ist offen. Evakuierte Flutzonen werden meist für Wochen gesperrt. Zumal der größte Stromliefe­rant der Region prophezeit, dass bis zu drei Millionen Haushalte über Wochen ohne Elektrizit­ät sein werden. Hauptgrund: „Florence“bringt laut Experten binnen drei Tagen den Niederschl­ag, der sonst in acht Monaten fällt.

In Morehead City mussten auch die Reporter des Lokalsende­rs WCTI TV aufgeben. Ihre Redaktion war buchstäbli­ch abgesoffen.

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