Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Gründer im Neuland
Viele Flüchtlinge, die in den letzten Jahren nach Deutschland gekommen sind, arbeiten mittlerweile. Einige von ihnen haben sich eine eigene Existenz aufgebaut. Großes Potenzial bei Technologie-Start-ups
Menschen mit Migrationshintergrund etablieren sich zunehmend in der deutschen Gründerszene. Während die Zahl der Unternehmer in Deutschland insgesamt zurückgeht, steigt die Zahl Selbstständiger ohne deutschen Pass an.
Aber wie groß ist der Anteil der Gründer mit Migrationshintergrund? Was für Unternehmen haben sich in den letzten Jahren etabliert? Und wie bewerten Migranten ihre Situation auf dem Weg in die Selbstständigkeit?
Eine Studie der KfW gibt Einblick in die Gründungsaktivität von Migranten in Deutschland: Ihr zufolge ist mittlerweile jeder fünfte Unternehmer im Ausland geboren. Aus der Studie geht ebenfalls hervor, dass Migranten im Vergleich zu deutschen Unternehmern im Schnitt mehr Arbeitszeit investieren und auch mehr Arbeitsplätze schaffen.
Das Institut für Mittelstandsforschung (ifm) der Universität Mannheim beschäftigt sich mit den Ursachen für diese Entwicklung. René Leicht, Leiter des Forschungsbereichs „Neue Selbstständigkeit“am ifm, spricht über mögliche Gründe für die hohe Unternehmerquote: „Zum einen gibt es unter den hier lebenden Migranten häufig eine größere Bereitschaft, ein persönliches Risiko einzugehen. Diese Eigenschaft ist aber nicht kulturell verankert. Vielmehr trifft sie auf eben jene Personengruppe zu, die bereits das Risiko der Migration auf sich genommen hat. Zum anderen haben Migranten einen nur eingeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt,“so Leicht.
High-Tech-Startup statt Imbissbude Untersuchungen des ifm deuten zudem darauf hin, dass der Anteil der Unternehmen aus Gastronomie und Handel jährlich sinkt, während die Zahl der Unternehmensgründungen in wissens- und technologieintensiven Bereichen steigt. Auch an der Gründung innovativer Unternehmen, welche die Entwicklung von Marktneuheiten vorantreiben, sind Migranten relativ häufiger beteiligt als Selbstständige deutscher Herkunft.
Hilfe von Migration Hub
Eine, die sich mit den Lebensrealitäten von Einwanderern auf dem Weg in die Selbstständigkeit auskennt, ist Ana María Álvarez Monge. Sie ist CEO und Gründerin von Migration Hub, einer in Berlin ansässigen gemeinnützigen GmbH. Ein Ziel der Initiative ist es, Migranten auf dem Weg in die Selbstständigkeit gezielt zu vernetzen. „Die meisten Migranten, die in Deutschland ein Unternehmen gründen wollen, haben vor allem drei Schwierigkeiten zu bewältigen: eine komplexe Bürokratie, Sprachbarrieren und Finanzierungsprobleme“, so Álvarez Monge.
Viele versuchen, den ersten beiden Hürden mit einer Mischung aus Eigeninitiative und Unterstützung durch offizielle Stellen zu begegnen. Edward Bae etwa, Gründer des Unternehmens Zoom Fresh und Mitglied des Migration-Hub-Netzwerks, möchte den Deutschen die koreanische Küche durch die portionsgerechte Lieferung von Zutaten schmackhaft machen. Auch er findet die deutsche Bürokratie manchmal kompliziert, erkennt aber auch deutlich den Sinn der Regeln und ihren Nutzen: „Am Ende muss ich als Unternehmer so oder so lernen, mit der Situation umzugehen. Es braucht einfach etwas Zeit“, so Bae.
Finanzierung oft wackelig
Schwieriger wird es, wenn es um die Kapitalbeschaffung geht. So finanzieren Migranten ihr Projekt seltener mit Bankdarlehen als deutsche Unternehmer, dafür häufiger mit Überziehungskrediten und mithilfe von Freunden und Verwandten. „Finanzierung ist ein echtes Problem, denn Migranten können in der Regel auf weniger Ressourcen zurückgreifen als Einheimische“, meint Álvarez Monge. Oft fehle einfach das Vertrauen.