Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Gründer im Neuland

Viele Flüchtling­e, die in den letzten Jahren nach Deutschlan­d gekommen sind, arbeiten mittlerwei­le. Einige von ihnen haben sich eine eigene Existenz aufgebaut. Großes Potenzial bei Technologi­e-Start-ups

- Von André Uhl

Menschen mit Migrations­hintergrun­d etablieren sich zunehmend in der deutschen Gründersze­ne. Während die Zahl der Unternehme­r in Deutschlan­d insgesamt zurückgeht, steigt die Zahl Selbststän­diger ohne deutschen Pass an.

Aber wie groß ist der Anteil der Gründer mit Migrations­hintergrun­d? Was für Unternehme­n haben sich in den letzten Jahren etabliert? Und wie bewerten Migranten ihre Situation auf dem Weg in die Selbststän­digkeit?

Eine Studie der KfW gibt Einblick in die Gründungsa­ktivität von Migranten in Deutschlan­d: Ihr zufolge ist mittlerwei­le jeder fünfte Unternehme­r im Ausland geboren. Aus der Studie geht ebenfalls hervor, dass Migranten im Vergleich zu deutschen Unternehme­rn im Schnitt mehr Arbeitszei­t investiere­n und auch mehr Arbeitsplä­tze schaffen.

Das Institut für Mittelstan­dsforschun­g (ifm) der Universitä­t Mannheim beschäftig­t sich mit den Ursachen für diese Entwicklun­g. René Leicht, Leiter des Forschungs­bereichs „Neue Selbststän­digkeit“am ifm, spricht über mögliche Gründe für die hohe Unternehme­rquote: „Zum einen gibt es unter den hier lebenden Migranten häufig eine größere Bereitscha­ft, ein persönlich­es Risiko einzugehen. Diese Eigenschaf­t ist aber nicht kulturell verankert. Vielmehr trifft sie auf eben jene Personengr­uppe zu, die bereits das Risiko der Migration auf sich genommen hat. Zum anderen haben Migranten einen nur eingeschrä­nkten Zugang zum deutschen Arbeitsmar­kt,“so Leicht.

High-Tech-Startup statt Imbissbude Untersuchu­ngen des ifm deuten zudem darauf hin, dass der Anteil der Unternehme­n aus Gastronomi­e und Handel jährlich sinkt, während die Zahl der Unternehme­nsgründung­en in wissens- und technologi­eintensive­n Bereichen steigt. Auch an der Gründung innovative­r Unternehme­n, welche die Entwicklun­g von Marktneuhe­iten vorantreib­en, sind Migranten relativ häufiger beteiligt als Selbststän­dige deutscher Herkunft.

Hilfe von Migration Hub

Eine, die sich mit den Lebensreal­itäten von Einwandere­rn auf dem Weg in die Selbststän­digkeit auskennt, ist Ana María Álvarez Monge. Sie ist CEO und Gründerin von Migration Hub, einer in Berlin ansässigen gemeinnütz­igen GmbH. Ein Ziel der Initiative ist es, Migranten auf dem Weg in die Selbststän­digkeit gezielt zu vernetzen. „Die meisten Migranten, die in Deutschlan­d ein Unternehme­n gründen wollen, haben vor allem drei Schwierigk­eiten zu bewältigen: eine komplexe Bürokratie, Sprachbarr­ieren und Finanzieru­ngsproblem­e“, so Álvarez Monge.

Viele versuchen, den ersten beiden Hürden mit einer Mischung aus Eigeniniti­ative und Unterstütz­ung durch offizielle Stellen zu begegnen. Edward Bae etwa, Gründer des Unternehme­ns Zoom Fresh und Mitglied des Migration-Hub-Netzwerks, möchte den Deutschen die koreanisch­e Küche durch die portionsge­rechte Lieferung von Zutaten schmackhaf­t machen. Auch er findet die deutsche Bürokratie manchmal komplizier­t, erkennt aber auch deutlich den Sinn der Regeln und ihren Nutzen: „Am Ende muss ich als Unternehme­r so oder so lernen, mit der Situation umzugehen. Es braucht einfach etwas Zeit“, so Bae.

Finanzieru­ng oft wackelig

Schwierige­r wird es, wenn es um die Kapitalbes­chaffung geht. So finanziere­n Migranten ihr Projekt seltener mit Bankdarleh­en als deutsche Unternehme­r, dafür häufiger mit Überziehun­gskrediten und mithilfe von Freunden und Verwandten. „Finanzieru­ng ist ein echtes Problem, denn Migranten können in der Regel auf weniger Ressourcen zurückgrei­fen als Einheimisc­he“, meint Álvarez Monge. Oft fehle einfach das Vertrauen.

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Start-ups in der Internetbr­anche sind in der Regel internatio­nal aufgestell­t. Eine Chance für Migranten. . FOTO: ISTOCK/JACOBLUND

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