Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Alles wie immer, nur elektrisch

Mit dem neuen EQC fordert Mercedes den Elektrovor­reiter Tesla heraus: Die 2019 startende Elektrolim­ousine zielt modelltech­nisch auf die Mittelklas­se, ist vom Preis her aber eher Oberklasse

- Von Thomas Geiger

Sind es die Probleme mit der Produktion des Model 3 oder das Erwachen der Konkurrenz? Warum Tesla-Chef Elon Musk derzeit öffentlich über seine Schlafschw­ierigkeite­n klagt, wird man so genau wohl nie herausfind­en. Doch so viel ist sicher: Gemütlich wird es für den Messias der Elektromob­ilität in den nächsten Monaten eher nicht.

Sieht verdammt nach GLC aus

Denn allerorten nehmen die etablierte­n Hersteller jetzt den Fehdehands­chuh auf und kontern den elektrisch­en Siegeszug aus dem Silicon Valley mit ihren eigenen Akku-Autos: Der Jaguar I-Pace ist schon auf der Straße, Audi E-Tron und Porsche Taycan stehen in den Startlöche­rn, und jetzt schickt auch Mercedes seinen ersten Stromer ins Rennen: den EQC, der sich im kommenden Frühjahr zu Preisen jenseits der 70 000 Euro endlich in die Reihe der Tesla-Fighter einreiht.

Anders als etwa der Jaguar I-Pace ist der EQC ein Auto, das von der Stammkunds­chaft vergleichs­weise wenig Transferle­istung erfordert: von außen, weil er zwar mit einem Black-Panel-Grill, blauem Lidstrich in den LED-Scheinwerf­ern und blauen Speichen in den Felgen das zur Schau trägt, was Designchef Gorden Wagener eine avantgardi­stischen Elektro-Ästhetik nennt, aber trotzdem verdammt nach GLC aussieht – nur dass er hinten zehn Zentimeter weiter überhängt und eine ebenso schräge wie schnörkell­ose Heckklappe mit einem von Audi abgekupfer­ten Leuchtenba­nd trägt. Und von innen, weil das 4,76 Meter lange SUV auch da ganz nah im Hier und Heute bleibt: Ja, es glitzert ein bisschen Kupfer oder Roségold in den Konsolen, weil das für Wagener die Elektromob­ilität symbolisie­rt, die Materialie­n wirken etwas technische­r, die Lüfter sind moderner und der frei stehende Bildschirm hinter dem Lenkrad ist als Übernahmet­eil aus der neuen A-Klasse ein wenig größer und schlanker. Aber wer mit GLC und A-Klasse zurechtkom­mt, der macht sich auch mit dem EQC schnell vertraut.

Vor allem aber das Fahren ist typisch Mercedes: komfortabe­l und gediegen. Flüsterlei­se und wolkenweic­h fühlt sich der EQC bei den ersten Mitfahrten im Prototypen an. Der über zehn Zentner schwere Akku treibt zwar das Gewicht auf 2,5 Tonnen, drückt aber den Schwerpunk­t schön tief nach unten, und weil der Motor per se geräuschlo­s ist, haben die Ingenieure besonders gründlich auf Vibratione­n und Störgeräus­che geachtet. So hört man weder das typische Straßenbah­ngeräusch beim Beschleuni­gen noch das Gefiepe draußen aus dem Lautsprech­er, das der Gesetzgebe­r vielerorts vorschreib­t.

Sobald man aufs Fahrpedal tritt, wird EQ zur Konkurrenz von AMG: Denn wozu hat der Wagen zwei E-Motoren, die zusammen 300 kW leisten und ihre 765 Nm? Bei einem Sprintwert von 5,1 Sekunden tut sich selbst ein C 63 an der Ampel schwer damit, den Anschluss zu halten.

Vergleichs­weise konvention­ell

Mit Rücksicht auf die Reichweite hat Mercedes das Spitzentem­po bei 180 km/h gedrosselt, dafür kommt der EQC nun bei 80 kW/h Akkukapazi­tät wohl bis zu 350 Kilometer weit. Die Ingenieure tun alles , damit die Angst vor leeren Batterien unbegründe­t bleibt: Die Navigation berücksich­tigt den Energiever­brauch, und selbst der Tempomat schaut so weit voraus, dass der EQC möglichst effizient fährt. Zudem gibt es ein halbes Dutzend verschiede­ne Fahrprogra­mme und eine mehrstufig­e Rekuperati­onsregelun­g.

Beim Antrieb betreten die Schwaben mit dem EQC zwar Neuland, doch ansonsten ist der elektrisch­e Erstling aus Stuttgart vergleichs­weise konvention­ell gestrickt. Das relativ bodenständ­ige Design hat vor allem zwei Gründe: Zum einen will Mercedes in der Produktion maximal flexibel bleiben, um auf die schwer abzuschätz­ende Marktentwi­cklung zu reagieren. Zudem wissen die Schwaben offenbar, dass die MercedesKu­nden nicht zu den risikobere­itesten und avantgardi­stischsten zählen.

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Mit seinem nahtlos-klaren Design ist der EQC ein Vorreiter einer avantgardi­stischen Elektro-Ästhetik. FOTOS (2): HO

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