Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Zeugnis wurde rückdatier­t

Alte und neue Merkwürdig­keiten werden im Untersuchu­ngsausschu­ss zur Affäre Lauinger debattiert

- Von Martin Debes

Erfurt. Das Zeugnis am Ende der 10. Klasse hatte so seine Besonderhe­iten. Ausgestell­t wurde es angeblich am 24. Juni 2016, also am letzten Schultag. Tatsächlic­h erstellt und unterschri­eben wurde es aber erst in den Ferien ein paar Tage später. Außerdem fanden sich ein paar Sätze darin, die sich so sonst in keinem Zeugnis an der Schule standen.

Sinngemäß lauteten sie: Der Schüler könne in die Klasse 11 vorrücken, ohne die Besondere Leistungsf­eststellun­g (BLF) absolviert zu haben. Er erhalte die Möglichkei­t, diese Prüfung nachzuhole­n – was bedeutete, dass er nicht dazu verpflicht­et sei.

Nun ist es so, dass gemäß Schulgeset­z alle Thüringer Gymnasiast­en am Ende der 10. Klasse verpflicht­et sind, die BLF abzulegen, die einem Realschula­bschluss entspricht. Einzige Ausnahme: Wenn der Schüler das gesamte Schuljahr im Ausland weilt, kann er von der Prüfung befreit werden – was hier eindeutig nicht der Fall war: Der Gymnasiast wurde nur die letzten beiden Monate des Schuljahre­s befreit, um in Neuseeland zur Schule zu gehen.

Aus diesem Widerspruc­h erwächst die Affäre um Justizmini­ster Dieter Lauinger (Grüne), die gerade im Landtag von einem Untersuchu­ngsausschu­ss noch einmal aufgedröse­lt wird. Die Opposition wirft ihm vor, sein Amt missbrauch­t zu haben. Der Verdacht, den er und die Regierungs­fraktionen zurückweis­en: Lauinger habe Kultusmini­sterin Birgit Klaubert und Staatskanz­leiministe­r Benjamin Hoff (beide Linke) dazu gebracht, das Recht zu beugen und seinen Sohn von der Prüfung zu befreien.

Gestern waren zum zweiten Mal Zeugen geladen. Der Direktor des Erfurter Gymnasiums sagte aus, dass die Formulieru­ng im Zeugnis vom Schulamt vorgegeben wurde. Auch die Rückdatier­ung sei der Wunsch der Behörde gewesen.

Zudem räumte er ein, nicht den Schulträge­r – also das katholisch­e Bistum Erfurt – über den Auslandsau­fenthalt informiert zu haben. Damit sei die eigene Schulordnu­ng verletzt worden. Er könne, sagte er, die Kritik daran verstehen. Auch ein Vertreter des zuständige­n Schulamts Mittelthür­ingen wurde vom Ausschuss befragt, der einer Prüfungsbe­freiung zugestimmt hatte – zumindest aus Sicht der Schule. Er hatte in einer E-mail auf die Anfrage des Oberstufen­leiters geantworte­t, dass der Zeitpunkt des Auslandsau­fenthalts „ungünstig“sei, aber die geltenden Regelungen „im Ausnahmefa­ll Anwendung“finden könnten.

Die Anfrage, sagte er, sei „nur ganz allgemein gehalten“gewesen, ohne die Länge des Auslandsau­fenthalts zu benennen. Er habe daher auch nur „recht allgemein“geantworte­t und der Schule die Durchführu­ngsbestimm­ungen zugesandt – aus denen eigentlich klar ersichtlic­h ist, dass eine Genehmigun­g nicht möglich war. „Es lag also kein konkreter Antrag vor“, sagte der Zeuge, was bei staatliche­n Schulen „eigentlich üblich“sei.

Damit bestätigte sich gestern: Am Ursprung der Affäre stand eine offenkundi­g rechtswidr­ige Entscheidu­ng der Schule, die sich dabei auf eine eher allgemeine und unglücklic­h formuliert­e Auskunft des Schulamts verließ. Zudem wurde die eigene Schulordnu­ng nicht beachtet.

Und: Das Zeugnis wurde von der Schule auf Anweisung von oben geändert und rückdatier­t. Eine Fortsetzun­g ist gewiss.

„Im Ausnahmefa­ll Anwendung“

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Justizmini­ster Dieter Lauinger. Foto: Jan Woitas, dpa

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