Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Thüringer Verleger ist noch selbst der Trüffeljäger
Vor der Messe: Gespräch mit Helmut Stadeler, dem Vorsitzenden des Landesverbands des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels
Jena. Am Donnerstag öffnet die Leipziger Buchmesse – mit insgesamt 3400 Veranstaltungen das Frühjahresereignis der Buch- und Medienbranche. Bis Sonntag treffen sich Autoren, Verlage und Leser, um sich zu informieren und Neues zu entdecken. Aus Thüringen sind 23 Verlage bei der Buchmesse vertreten, aus Sachsen 77 und aus Sachsen-anhalt 12. Zur Messe gibt es auch wieder vier Tage lang Europas größtes Lesefestival „Leipzig liest“.
Herr Stadeler, wie geht es aktuell unseren Thüringer Verlagen?
Die Entwicklung der vergangenen Jahre setzt sich fort. Das heißt, es entstehen weiterhin kleine und innovative Verlage mit guten Themen. Die großen Player wie in Süddeutschland oder Berlin fehlen allerdings in unserem Freistaat. Thüringen liegt im Vergleich der drei mitteldeutschen Bundesländer im Mittelfeld und ist geprägt von Klein- und Kleinstverlagen. Soll heißen, der Verleger ist hier noch selbst der Trüffeljäger auf der Suche nach spannenden Inhalten und Autoren.
Wie viele Verlage gibt es in Thüringen?
Wir pendeln immer so um die 90 Verlage, je nachdem, wo das Landesamt für Statistik die Grenze zieht, wo eine regelmäßige Verlagstätigkeit anfängt und eine Agentur für Gestaltung aufhört. Damit liegen wir zwischen 250 Verlagen in Sachsen und 45 in Sachsen-anhalt.
Wie ist es wirtschaftlich um unsere Verlage bestellt?
Gerade sind die politischen Rahmenbedingungen für unsere Verlage äußerst schlecht. 2016 hat der Bundesgerichtshof in Folge eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes entgegen einer 50-jährigen bewährten Praxis entschieden, dass Buchverlage an den Einnahmen der Verwertungsgesellschaft Wort nicht mehr beteiligt werden dürfen. Künftig sollen nur noch Autorinnen und Autoren von der Ausschüttung profitieren. Das ist eine Verschiebung zuungunsten der Verlage, die ja von der Ideenfindung über die Textarbeit bis hin zum Marketing wesentlich an der Entstehung eines Buches beteiligt sind. Bauchschmerzen bereitet uns auch das Urhebervertragsrecht, nach dem die Rechte nach spätestens fünf Jahren wieder an den Autor zurück fallen. Das verhinderte eine langfristige Arbeit mit den Autoren und bevorteilte Konzerne wie Amazon oder Google. Wir müssen schauen, wohin es sich entwickelt. Und unabhängig von den gesetzlichen Veränderungen?
Der Markt ist weiterhin gesund. Unsere Verlage haben ihre Produktion weitgehend digitalisiert und sind mit Büchern, Hörbüchern und ebooks breit aufgestellt.
Welches Thema dominiert in diesem Jahr die Branche?
Die Verlage haben sich viele spannende Themen einfallen lassen. Aber natürlich dominiert Luther in der gesamten Bandbreite. Von der Religionslehre über Essen und Trinken Luthers, seine Philosophie bis zum Wandern mit Luther. Der Deutsche Wandertag findet in diesem Jahr ja in Eisenach und der Wartburgregion und somit ebenfalls auf Luthers Spuren statt. Aber trotz Reformationsjahr darf man den Rest nicht vergessen. Genuss ist ein weiteres großes Thema unserer mitteldeutschen Verlage, verbunden mit Genussorten und dem Schwerpunkt Entschleunigung. Meist spielt der regionale Bezug eine entscheidende Rolle.
Halten die Leser dem Buch weiterhin die Treue?
Ja, erfreulicherweise. Die Kauflaune ist ungebrochen. Das wird man auch auf der Messe sehen. Die Leipziger Buchmesse ist immer etwas Besonderes, sie eröffnet das Buchjahr. Nach dem großen Weihnachtsgeschäft konnten alle durchatmen und neue Kraft tanken. Nun, im Frühjahr, startet die Branche also mit der Messe wieder ins neue Jahr.
Der Besuch in Leipzig ist also aus Ihrer Sicht ein Muss für alle Literaturfreunde?
Aber ja! Die Buchmesse in Leipzig ist eine wundervolle Veranstaltung, die man unbedingt erlebt haben sollte, wenn man Literatur liebt. Die Stimmung ist wirklich einmalig – und das alles spielt sich quasi vor unserer Haustür ab.