Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Eisern geblieben
über die Erfolgsgeschichte von Union Berlin
Der Tabellenstand hat etwas Unwirkliches. Weder die hoch gehandelten Absteiger aus Stuttgart oder Hannover, noch die ambitionierten Braunschweiger oder Dresdner führen das Fußball-unterhaus an. Sondern: Union Berlin.
Jener Club aus dem Osten, der ähnlichen Kultstatus besitzt wie der FC St. Pauli im Westen.
Unangepasst, nicht selten unbequem, sympathisch anders – und ausgestattet mit nahezu grenzenloser Fanliebe.
Union ist der Verein, der vor Weihnachten 30 000 Menschen zum gemeinsamen Singen ins Stadion lockt; für dessen Lizenz seine Anhänger literweise Blut spendeten und bei der Modernisierung der Spielstätte Zehntausende Arbeitsstunden leisteten.
Köpenick ist die Heimat der Malocher; dort pflegt man gern das Image des Außenseiters. Zu Ddr-zeiten war der Verein das Feindbild der Oberen, der Antipode zum Stasi-gelenkten BFC Dynamo. Regelmäßig mussten die Eisernen, wie auch Rotweiß Erfurt, ihre besten Spieler abgeben. Der ständige Überlebenskampf schweißte zusammen – über die Wende hinaus.
Union gelingt es bis heute, sich dem Fußball-kommerz ein Stück weit zu entziehen – und ist trotzdem erfolgreicher denn je. Zum sechsten Mal in seinen elf Zweitliga-serien übernahm der Verein am Montagabend die Tabellenführung; zum ersten Mal allerdings zu einem derart fortgeschrittenen Zeitpunkt der Saison. 50 Punkte nach den bisherigen 25 Partien, dazu die aktuelle Serie von sechs Siegen in Folge: der erste Platz lässt kein Understatement mehr zu.
Zweifellos fällt es nicht leicht, sich den bodenständigen Malocher-verein in der Glitzerwelt der Fußball-millionäre vorzustellen. Aber vielleicht ist auch genau das der Grund, warum Union Berlin der Bundesliga verdammt gut tun würde. Eisenach. Vor ein paar Tagen ist Marcel Schliedermann mit dem Auto an jener Stelle vorbeigefahren, wo er am 29. Januar um ein Haar sein Leben verloren hätte. „An den Unfall kann ich mich nicht mehr erinnern. Insofern hat es mir nichts ausgemacht, dort langzufahren. Aber es ist wohl die beste Art, die Angst zu überwinden“, sagt der Handballer vom THSV Eisenach, der an der Anschlussstelle der Autobahn 1 bei Bad Oldesloe mit seinem Renault Talisman von der Fahrbahn abkam, über die Leitplanke schleuderte, ein Ausfahrtschild sowie eine Notrufsäule umriss und sich mit dem Wagen mehrfach überschlug. Das Auto war nur noch ein Haufen voll Schrott. Im Sommer aber will er wieder auf dem Handball-parkett zurück sein.
„Dass wir da lebend rausgekommen sind, war wohl ein großes Glück“, sagt der Zweitligahandballer, dessen 19 Jahre alte Begleiterin schwer verletzt wurde, sich aber ebenso auf dem Weg der Besserung befindet. Schliedermann kann sich nicht erklären, wie es zum Unfall kam. Alkohol war nicht im Spiel, zudem kennt er die Strecke aus seiner Zeit beim HSV Hamburg, die er damals dort Hunderte Male auf dem Weg zum Training passierte. Beim Horror-crash zog er sich im linken Ellenbogen den Riss aller Sehnen und Bänder zu. Hinzu kamen ein Schädel-hirn-trauma, Blutergüsse sowie eine Rippenprellung. Als der Handball in den ersten Tagen
Training auf dem Rad und mit Laufschuhen