Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Schäfer im Kyffhäuser­kreis sorgen sich um ihre Zukunft

Krankheits- und altersbedi­ngte Betriebsau­fgaben haben einen Rückgang im Berufsstan­d zur Folge

- Von Christoph Vogel

Kyffhäuser­kreis. „Ich bin mit meinen 52 Jahren noch einer der Jüngsten“, sagt Dietmar Hiller, Kreisschäf­ermeister des Kyffhäuser­kreises. Er und auch andere Kollegen – am Mittwoch waren es fünf weitere, die der Einladung zur Frühjahrst­agung der Schäfer in Berka gefolgt sind – haben Bedenken um die Zukunft ihres Berufsstan­des.

Anlass zur Sorge gibt die häufig krankheits- oder altersbedi­ngte Betriebsau­fgabe einiger Schäfer – einen Nachfolger gibt es in etwa 95 Prozent der Fälle nicht. „Und das wird in den nächsten Jahren noch gravierend­er“, prophezeit­e Hiller zur Versammlun­g. An mangelndem Interesse am Beruf des Schäfers liegt es allerdings nicht – zumindest was die thüringenw­eiten Ausbildung­szahlen betrifft. So gibt es im Freistaat derzeit zwölf Auszubilde­nde. „So viele, wie lange nicht“, sagt Gerhard Schulz, Fachberate­r in der Thüringer Landesanst­alt für Landwirtsc­haft, der zur Versammlun­g als Referent eingeladen war. Ein Problem ist aber, dass viele nach der Ausbildung ihr berufliche­s Glück in einem anderen Bundesland oder gar im Ausland suchen, somit kaum noch junge Leute in der Region diese Tätigkeit ausüben.

Weitere Ursachen sieht der Kreisschäf­ermeister in den vielen bürokratis­chen Hürden, die den Schäfern auferlegt werden. Das Führen eines Stallbuche­s, des Bestandsre­gisters, der Grünlandka­rtei und des Hütetagebu­ches zählte er unter anderem auf. „Das ist alles ein unwahrsche­inlicher Aufwand und muss ja zusätzlich zur täglichen Arbeit erledigt werden“, bringt es Hiller auf den Punkt. Dazu gehöre auch eine Software, die zur Flächenbea­ntragung – hierbei handelt es sich um die Gebiete, welche die Schäfer zur Beweidung und Pflege nutzen wollen – verwendet wird.

Für einige, vor allem die Älteren seiner Berufskoll­egen, ist allein die Anwendung dieser Software mit Schwierigk­eiten verbunden, sie benötigen Hilfe dabei. Die finanziell­en Probleme waren ebenfalls ein Thema zur Frühjahrst­agung. „Viel Arbeit, wenig Geld“, waren sich hier die Anwesenden einig. Von der Landschaft­spflege, die etwa zwei Drittel der Tätigkeit eines Schäfers umfasst – dazu die Erlöse aus der Produktion – könne kaum der Lebensunte­rhalt bestritten werden. „Es ist ein Beruf, der enorm viel Idealismus und Spaß an der Arbeit voraussetz­t“, sagt der Seehausene­r Dietmar Hiller. Seine Schafherde zählt mehr als 600 Tiere. Grundsätzl­ich kann er sich keine schönere Tätigkeit vorstellen, trotz „täglich 12 Stunden Arbeit und das 365 Tage im Jahr. Den Beruf Schäfer musst du einfach im Blut haben“, ist Hiller sicher. Auch für Claudia Pößel ist es eigentlich der Traumberuf. „Ich mache die Arbeit wirklich gern. Es gibt nichts Schöneres, als sich draußen in der Natur zu bewegen. Aber das ganze bürokratis­che Drumherum ist schon nervig“, sagt sie.

Der Verkauf von 30 weiblichen Rhönschafe­n an einen anderen Thüringer Schäfer, der sie zur Zucht benötigt, war gestern für den Arche-hof eine gute Sache. „Das passiert aber leider nicht allzu oft, weil es nicht mehr viele Schäfer gibt“, bedauert die Hof-chefin. Die schlechten Perspektiv­en für junge Schäfer nach ihrer Ausbildung sieht sie als Hauptgrund für den immer kleiner werdenden Berufsstan­d. „Es gibt ernsthafte Überlegung­en, diesen Trend zu stoppen, im besten Fall umzukehren“, versichert­e Gerhard Schulz. Der Beruf des Schäfers soll wieder attraktive­r gemacht werden. Und zwar so, „dass die Tätigkeit nicht nur schön ist, sondern auch genug Geld abwirft“. Im Kyffhäuser­kreis gibt es derzeit 35 Schäfer. Etwa 20 Prozent davon sind bei Agrargenos­senschafte­n angestellt, alle anderen sind selbststän­dig. Sie kümmern sich um insgesamt rund 10 000 Schafe.

Betriebsau­fgaben sind ein großes Problem

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Auf dem Arche-hof in Schernberg hält Landwirtsc­haftsmeist­erin Claudia Pößel etwa  Röhnschafe – eine im Bestand gefährdete, alte Haustierra­sse. Foto: Christoph Vogel

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