Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Für junge Tannen geht Förster Knoll im Morgengrauen jagen
Im Mai startet die neue Jagdzeit. Vorher werden 120 Hochsitze geprüft und repariert
Sondershausen. „Mist, hier ist die Spitze schon weg.“Alle paar Meter findet Förster Andreas Knoll im Witzlebener Schlag vom Possenrevier junge Tannen, denen Rehe die frischen Triebe abgeknipst haben. „Für das Schalenwild sind die zarten Tannennadeln jetzt im Frühjahr reine Leckerbissen.“Eine echte Kostbarkeit sind die in unserer Region sehr seltenen Nadelgehölze für den Possenförster.
Der Revierleiter will, dass sich der winzige Bestand im Hainleitewald in den kommenden Jahrzehnten selbst verjüngt. Das gelingt aber nur, wenn nicht alle Tannen-schösslinge, die es durch die Blätterschicht am Laubwaldboden geschafft haben, sofort vom Wild verbissen werden. Deshalb ist Knoll froh, dass er noch viele unversehrte junge Tannen entdeckt. Richtig stolz ist er auch darauf, dass in seinem Revier Türkenbundlilien blühen. Diese seltenen Pflanzen gelten als besondere Leckerbissen für Tiere des Waldes. Andreas Knoll, Revierförster vom Possenwald
Wenn er gesunde Tannensprösslinge und die seltene Lilienart im Wald findet, ist das für Förster Knoll ein Zeichen, dass er die Wildbestände in der Hainleite gut unter Kontrolle hat. „Dafür muss ich demnächst wieder an sechs Tagen in der Woche um halb vier aus dem Bett.“Im Morgengrauen sitzt er dann auf einem der etwa 120 Hochsitze in seinem Revier, um Rehwild zu jagen. Im Mai ist die Schonfrist in den Wäldern von Thüringenforst aufgehoben.
„Jagd ist für mich ein wichtiger Teil meiner Arbeit, die darin besteht, den Wald zu hegen. Ich schieße Tiere nicht aus Spaß oder als Hobby“, erklärt Knoll. Für einen gesunden Baumbestand sei es notwendig, die Schäden durch das Wild einzudämmen. Würden Rehe, Rotwild oder Wildschweine nicht bejagt, hätten vor allem die selteneren Baumarten keine Chance. Gerade die „Exoten“eines Waldes würden von Pflanzenfressern bevorzugt verbissen.
Nicht umsonst steht auch direkt neben dem Tannenschlag im Witzlebener Forst die Jagdkanzel mit der Nummer K63. Darauf werden Knoll selbst oder andere Jagdfreunde demnächst wieder früh am Morgen ansitzen und die jungen Nadelbäumchen mit gezielten Schüssen von gefräßigen Pflanzenfressern befreien. Vorher aber muss der Förster kontrollieren, ob das Holzgerüst noch sicher steht. Mit einem Hammer klopft er Damit solche winzigen Tannen nicht vom Wild verbissen werden, geht Andreas Knoll bald wieder fast jeden Morgen zur Jagd.
„Türkenbundlilien sind wie Schokolade fürs Wild.“
Stangen, Leitersprossen und die Bretter von Kanzelboden und -verkleidung ab. Klingen die Schläge dumpf, sind die Bauteile der jagdlichen Einrichtung morsch und müssen ersetzt werden. Außerdem schaut sich der Revierleiter die Konstruktion genau an, um sichtbare Schäden aufzuspüren.
Den Zustand von allen 70 Jagdkanzeln und 50 Drückjagdböcken – Hochsitzen ohne Dach und Seitenwände – die verteilt im Revier aufgestellt sind, notiert Förster Knoll in einer langen Liste. Seit Wochen stapft er dafür mit Hammer und Klemmbrett bewaffnet von Standort zu Standort. Stellt er Mängel fest, schickt er Waldarbeiter los, damit sie die Schäden reparieren, bevor die Jagdzeit im Mai beginnt. Zwei Kanzeln musste er in diesem Frühjahr schon komplett ersetzen lassen. Zwei weitere will er an zusätzlichen Standorten im Wald neu aufstellen lassen. „Es gibt noch einen Bereich, der ist bisher noch gar nicht bejagt worden“, hat Andreas Knoll festgestellt. Und in dem entsprechenden Schlag auch deutlich mehr angeknabberte Baumsprösslinge entdeckt, als an anderen Stellen im Wald.
„Wir würden es nie schaffen, das Wild in einem nachhaltig genutzten Forstbestand auf Null zu reduzieren. Und das wollen wir auch gar nicht. Wild gehört in einen gesunden Wald“, stellt Förster Knoll klar. Kontrollieren aber müssten verantwortungsvolle Forstleute die Tierbestände in ihrem Revier. „Das ist nicht nur für den Erhalt einer großen Vielfalt an Baumarten im Wald entscheidend. Die durch Jagd angepassten Wildbestände selbst bleiben gesünder.“ Mit Hammerschlägen prüft Förster Knoll die Festigkeit des Holzes an allen jagdlichen Einrichtungen in seinem Revier. Den Zustand hält er in einer langen Liste fest. Fotos: Timo Götz ()