Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Auswirkungen bis ins Heute: Vor 140 Jahren gräbt Fr
Begründer der modernen Archäologie in Thüringen hat als Erster Funde peinlich genau dokumentiert und versucht, Rückschlüsse auf die Lebensum
„Der Hügel hat etwas besonderes, ein Fluidum, eine Aura“, ist Heidi Schneider vom Heimatverein überzeugt. „Auf Luftbildaufnahmen lassen immerhin durch die Hinweisschilder auf die Tank- und Rastanlage „Leubinger Fürstenhügel“an der A . Bisher ist hier nur der Parkplatz an Leubingen. Irgendein nichtsnutziger Banause hat mit seinem Quad tiefe Furchen in die Flanke gefahren. Nicht irgendwo, nein, am Leubinger Fürstenhügel, einem Bodendenkmal ersten Ranges. Es war nicht sein erster derartiger Ausritt. „Wir haben inzwischen ein Foto“, sagt Heinz Häger vom Heimatverein. Viel bringt es den Vandalen-jägern nicht. Die Kiste hat kein Kennzeichen . . .
Die Entrüstung ist groß in Leubingen. Auf ihr Hügelgrab lassen sie dort nichts kommen. „Obwohl, es ist ja nicht unseres. Es ist das von ganz Thüringen, von ganz Mitteldeutschland, ach was, ganz Deutschland!“
Alle anderen hätten nur Reste, niemand sonst habe ein derart pompöses, so gut erhaltenes.
Jetzt haben jüngste Grabungen ergeben,dass der Hügel von Leubingen in seinem Durchmesser sogar deutlich größer sein muss als die bisher immer wieder zitierten 34 Meter.
In diesem Jahr ist es 140 Jahre her, dass Friedrich Klopfleisch, Kunsthistoriker, Gründer und langjähriger Leiter des germanischen Museums der Universität Jena, den Hügel ausgegraben hat. 1877 war das – und ein Meilenstein
in der Archäologie. „Man darf sich das nun nicht so vorstellen, dass Klopfleisch die Ausgrabungen mit der Schaufel in der Hand selbst ausgeführt, ja auch nur ständig selbst dabei gewesen ist“, sagt Mario Küßner.
Küßner ist der unter anderem für den Landkreis Sömmerda zuständige Gebietsreferent im Thüringer Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie. „Die Ausgrabung dauerte nur wenige Wochen. So war das damals.“Anders als heute, will er damit sagen. Mario Küßner
Da haben seine Kollegen vom Landesamt mit Hilfe ehrenamtlicher Helfer gerade zehn Tage lang aufwendig eine kleine Grabung am Hügelfuß vorgenommen, Funde behutsam gesichert und dokumentiert. Detail- und Sysiphosarbeit.
Bei Raßnitz südöstlich von Heinz Häger mit der Replik einer frühbronzezeitlichen Schmiedeaxt. „Nur wir zeigen die Fundstücke aus dem Hügel so, wie sie waren, als sie hineingelegt wurden“, sagt Heidi Schneider.
Halle (Saale) in Sachsen-anhalt, an einem anderen Hügelgrab, sind sie inzwischen seit einigen Jahren zugange. Mit Teams von 20 Leuten und mehr, weiß Experte Küßner.
Klopfleisch hatte damals, 1877, vier Wochen für Leubingen – einmal vom 9. bis 21. April, dann noch einmal vom 9. bis 15. September. Zehn bis zwölf Arbeiter hatte er zur Verfügung. 95 Prozent der Zeit gingen für das reine Abgraben drauf.
Er beschränkte sich auf die Nordflanke, trieb einen Schacht hinein und war, als er auf die Steineinhausung einer Totenhütte, unversehrt, 3,90 Meter mal 2,10 Meter mal 1,70 Meter in der Mitte, zeltförmig und aus Eichenholz, stieß, überzeugt, am tiefsten Punkt angekommen zu sein. „Er hat einiges übersehen“, weiß der Gebietsreferent. Manches davon finden die Archäologen noch heute – auch kragenförmig um den Hügel angeordnet in der Erde verborgen.
Küßner zieht dennoch noch heute den Hut vor der Leistung Klopfleischs, den er als „Vater der modernen Archäologie in Thüringen“verehrt. „Er war der Erste, der versucht hat, sich über das, was er bei Ausgrabungen gefunden hat, ein Bild der Lebensumstände früherer Zeiten zu
„Er war der Erste, der versucht hat, sich über das, was er bei Ausgrabungen gefunden hat, ein Bild der Lebensumstände früherer Zeiten zu machen.“
machen“, sagt Küßner. Und er bewundert Klopfleisch dafür, welche Akribie er darauf verwendet hat, die Funde zu untersuchen, zu studieren. „Er hat sie alle gezeichnet, alles erfasst“, so Küßner.
Ohne Klopfleisch wüssten wir kaum etwas über das Leubinger Fürstengrab, ist er sich sicher. Und der hatte das Glück, auf eine noch nicht geplünderte Begräbnisstätte zu stoßen. „Mit Pech hätten sich ansonsten andere das Gold unter den Nagel gerissen und niemand hätte je davon erfahren. Mit Glück wäre das eine oder andere früher oder später in der Öffentlichkeit aufgetaucht. Vielleicht sogar mit dem Hinweis, dass es irgendwo bei Leubingen gelegen hat. Aber niemand hätte genau gewusst, an welcher Stelle, in welcher Beziehung zu anderen Funden oder zum Hügel insgesamt.“
Man könne gewisse Interpretationen in Zweifel ziehen – und müsse das heute auch. Die exakte Dokumentation der Ausgrabung bleibe aber unstrittig. Küßner: „Die Funde allein, jeder für sich, sind relativ aussagelos. Ein Bild ergibt sich erst im Kontext.“Und dafür zögen Altertumsforscher auch heute noch Klopfleischs Arbeiten und Ergebnisse zu Rate. Es gebe dazu nichts Bes- Das Modell – ein Schnitt durch den Leubinger Grabhügel – wurde dem Heim mer in der Heimatstube. Ein anderes Modell (per Knopfdruck wird da die Hü