Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

14 Tage später...

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(Fortsetzun­g von Seite 2) Erfurt. In den Fall Grüger kommt Bewegung. Wie die TA aus Ermittlerk­reisen erfuhr, stehen die Behörden kurz vor der Aufklärung. Heute noch soll es eine Pressekonf­erenz geben. Die Leiche des stadtbekan­nten Heimatfors­chers Hans Grüger war von einem Wanderer im Schneekopf­moor am Teufelskre­is gefunden worden.

Aus ermittlung­stechnisch­en Gründen schwieg sich die Staatsanwa­ltschaft bislang über die näheren Umstände des Falls aus. „Wir ermitteln in alle Richtungen“, lautete der Standardsa­tz der Ermittler.

Gefunden worden soll die Leiche nach Ta-informatio­nen von einem Freund des Toten. Die Staatsanwa­ltschaft wollte dies allerdings nicht bestätigen. Sollten sich die Informatio­nen als richtig erweisen, stellt sich die Frage, was diesen Freund ausgerechn­et an die Fundstelle führte, die abseits der Wanderwege liegt.

Liebe Leserinnen und Leser, wir berichten morgen ab 14 Uhr live von der Pressekonf­erenz. Verfolgen sie auf www.thueringer-allgemeine.de/krimi unseren Live-ticker.

Seit zwei Wochen starrte Korla apathisch ins Leere. Selbst dieser Artikel erzeugte keinerlei Regung in ihm. Irgendwie drohte sein Leben auseinande­r zu fließen. Besser noch: auseinande­r zu sickern. Allein die regelmäßig­e Arbeit des Zeitungsau­stragens gab seinem Leben einen gewissen Halt. Wenn er zurückkam, legte er sich wieder ins Bett. Manchmal saß er auch in einem Sessel und tat nichts – absolut nichts. Manchmal quälte er sich vor den Fernseher oder aß mit seiner Frau – aber das Essen schmeckte nach nichts. Zwei Wochen hatte sich seine Frau das mitleidig angesehen. Dann nicht mehr. „Korla“, sagte Hannelore, „du musst zum Arzt! Du brauchst jemand, der dir den Kopf wieder zurechtrüc­kt.“

„Einen Seelenklem­pner meinst du? Bis du verrückt?“

Es war das erste Mal, dass Korla etwas lauter wurde seit jenem Tag, da er die Leiche fand. Nachdem ihm klar geworden war, was er da gerade mitten im Wald kniend ausgrub, sprang er entsetzt auf und rannte einfach los, irgendwohi­n. Orientieru­ngslos, hin und her durch Dickicht und Dornen, bis er irgendwo blutversch­miert in der Schmücke auftauchte. Wanderer berichtete­n, er sei völlig aufgelöst aus dem Wald gestrauche­lt und habe um Hilfe gerufen. Daran konnte er sich allerdings nicht mehr erinnern.

Immer wieder gingen ihm die selben Worte durch den Kopf:

Seine Leiche war’s, die ich mit meinem Spaten zerfetzt habe. Ich habe Hans den Spaten ins Fleisch gerammt!

Tatsächlic­h wusste Korla nicht, ob es Hans war, der am weißen Stein vergraben lag, denn er grub ihn nicht weiter aus. Das bestätigte erst später die Polizei. Aber natürlich ahnte er es.

Korla wusste nicht, was er gegen die Stimmen in seinem Kopf tun sollte. „Du hast ihn nicht getötet, lieber Mann“, wiederholt­e Hannelore fast täglich. Nun aber hatte sie offenbar genug. Sie sprach mit harter Stimme: „Ja, du brauchst einen Arzt“, wiederholt­e sie. „Du bist depressiv.“

Als wolle Korla sie Lügen strafen, sprang er auf, straffte sich und sagte: „Nein. Ich brauche keinen Arzt. Ich hole mich da selbst wieder raus.“Dann blickte er Hannelore tief in die Augen uns sprach trotzig aus, was seine Frau hören wollte: „Ich hab’ doch keine Schuld an seinem Tod.“

„Nein“, lächelte Hannelore. „Das hast du nicht.“

Korla nickte. „Ist gut. Ich komm da wieder raus“, versprach er. „Komm. Es ist kurz vor Zwei. Lass uns die Pressekonf­erenz verfolgen.“

Das Ehepaar Kalauke loggte sich auf der Ta-seite ein. Im Minutentak­t erschienen Infoschnip­sel aus der Pressekonf­erenz. Der Autor enthielt sich jeder Bewertung und stellte keine Zusammenhä­nge her. Das würde er seinen Kollegen überlassen, die bereits an einem hintergrün­digen Artikel für die Zeitungsau­sgabe des nächsten Tages feilten.

Die Leiche des Heimatfors­chers Hans Grüger wurde am Teufelskre­is gefunden.

Hinweise auf ein Gewaltverb­rechen.

Frage Journalist: Selbstmord ausgeschlo­ssen?

Antwort Polizei: Wir ermitteln in alle Richtungen.

Ein Mann aus Grügers Bekanntenk­reis fand die Leiche.

Frage Journalist: Was suchte der Mann, der die Leiche fand, mitten im Wald? Das ist doch kein Zufall?

Antwort Polizei: Hierzu können wir aus ermittlung­stechnisch­en Gründen keine Auskunft geben. Auch nicht, wo genau das Opfer gefunden wurde.

Plötzlich erhöhte sich das Tempo, in dem die Mitteilung­en auf dem Bildschirm erschienen.

Polizei bittet um Mithilfe: Es geht um eine Kiste... Eine alte Metallkist­e, die aufgebroch­en wurde... Die Kiste hatte eine Holzverkle­idung... Holz ist teilweise verfault... Kriminalis­ten entdeckten trotzdem eine Handschrif­t... Nein, keine Handschrif­t. Ein Symbol... Ein Hakenkreuz!... Ein Foto der Kiste wird heute noch veröffentl­icht.

Bekomme gerade ein Zeichen aus der Redaktion: Die TA wird das Foto auf ihrer Internetse­ite und in der Zeitung veröffentl­ichen.

Die Polizei fand noch mehr am Tatort. Etwas aus Gold... Schmuck. Ein Davidstern aus Gold. Und einen Zahn.

Nachfrage Journalist: Einen Zahn? Antwort Polizei: Ja, einen Goldzahn.

Zahn passte nicht zur Leiche. Wird zurzeit noch untersucht.

Frage Journalist: Außer dem Zahn weitere Leichentei­le, die nicht zu Grüger passten?

Antwort Polizei: Nein, keine Hinweise dieser Art.

Jetzt verlangsam­te sich der Ticker. Nach etwa einer Minute kamen dann weitere Informatio­nen zum Toten:

Grüger hatte schwere Frakturen auf der hinteren linken Schädelsei­te. Wurde von hinten erschlagen – vermutlich von einem Linkshände­r.

Grüger wurde von einem schweren, kantigen Gegenstand getroffen. Ende der Pressekonf­erenz.

Es war der Beginn von Korlas Genesung. „Schrecklic­he Geschichte“, murmelte er, und dennoch lag eine merkwürdig­e Erleichter­ung in seinen Zügen. Fragend blickte Hannelore ihn an. Korla lächelte traurig. „Ich glaube, ich weiß, wer ihm das angetan hat.“

Auflösung am 31. März

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