Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Wut im Bauch
über den Streit um den Verlauf einer Stromtrasse
Wenn man eine Deutschland-karte längs und quer falte, dann liege der entstehende Knick genau in Thüringen.
Mit diesem Spruch hat der ehemalige Ministerpräsident Bernhard Vogel früher gern bei potenziellen Investoren auf die günstige Lage des Freistaates im Zentrum der Bundesrepublik aufmerksam gemacht.
Doch diese geografische Einordnung im Zentrum von Deutschland und Europa ist Segen und Fluch zugleich. So profitieren tausende Thüringer, die ihren Arbeitsplatz in einem Logistikunternehmen gefunden haben, von deren Ansiedlung. Die schnelle Erreichbarkeit per ICE, die Autobahnkreuze von Nord-süd- und Ost-west-verbindungen haben ebenso zur Standortentscheidung dieser Firmen beigetragen wie der Flughafen in Erfurt.
Auf der anderen Seite mussten Landwirte, Waldbesitzer und Kleingärtner mit ansehen, wie ihr Boden in Schnellstraßen oder Fernbahntrassen verwandelt wird. Mitten durch den Thüringer Wald schlug ein Energieunternehmen eine Schneise, um den Strom aus dem Norden in den Süden zu transportieren.
Mit Wut im Bauch und einem vernehmlichen Murren haben die Thüringer diese Einschnitte in die Natur ertragen. Um so verständlicher ist ihre jetzige Reaktion auf die Pläne, weitere Stromtrassen durch das Land zu ziehen. Nicht nur in der Rhön oder im Werratal sind die Menschen der Auffassung, dass Thüringen seinen Beitrag zur Energiewende bereits erbracht hat.
Parteiübergreifend formiert sich der Widerstand gegen die Pläne der Energieunternehmen und der Netzagentur. Die geraten in einen Erklärungszwang.