Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Mähdrescher und Mobilkräne stehen für Weimars Industriegeschichte
Auch goldene Uhren wurden in der Stadt produziert
Weimar. Das lernten wir in den Sechzigern noch in der Schule: Weimar ist eine Industriestadt mit zwei großen Betrieben. Beide haben eines gemeinsam – sie liegen oberhalb des Bahnhofs. Im Uhrenwerk wurden (wie es der Name sagt) Uhren hergestellt, meist zum Aufhängen an der Wand. Was viele nicht wissen: Selbst die edlen Goldgehäuse für Armbanduhren aus Glashütte entstanden hier.
Eine ganz andere Zielgruppe hatte zu Ddr-zeiten das Weimar-werk: Mähdrescher, Kartoffelerntemaschinen und Mobilkräne wurden an die Landwirtschaft oder an volkseigenen Baubetriebe geliefert. In besten Zeiten arbeiteten 6000 Mitarbeiter in diesem Betrieb, dessen Produkte auch im einstigen Ostblock hohes Ansehen genossen.
Doch die Geschichte des Weimar-werkes reicht viel weiter zurück. Am Anfang standen Waggons. Wer mit dem Zug von Leipzig aus in die Stadt Goethes einfuhr, der hatte über viele Jahre die ausgedehnten Anlagen der Waggonfabrik, des späteren Weimar-werkes, im Blick. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert waren Lokomotiven, Waggons und Straßenbahnzüge gefragter denn je.
Auch die Gründer der Waggon-fabrik Weimar wollten daran mitverdienen. 1898 setzten sie ihr Werk auf die grüne Wiese. 1919 zählte man hier 600 Beschäftigte. In diesen Zeiten lag die Jahreskapazität bei 1800 Güterund 200 Personenwagen. Dann kam die Weltwirtschaftskrise: 1931 musste das Werk stillgelegt werden.
Nach 1933 wurde das Weimar-werk unter dem Namen Gustloff zum nationalsozialistischen Musterbetrieb getrimmt. Gleichzeitig begann hier die Waffenfertigung, Granatwerfer machten den Anfang, die Produktion von Flakgeschützen kam hinzu. Die Fabrik sollte sogar Teile für den als Wunderwaffe gepriesenen düsengetriebenen Jagdflieger bauen. Das hatte tragische Auswirkungen für die Stadt selbst, die von den Alliierten zur Zielscheibe ihrer Bomber auserkoren wurde.
1946 wurden die Gustloffwerke Eigentum der UDSSR und als Waggonbau Weimar in die Sowjetische Aktiengesellschaft integriert. Um die 1000 Mitarbeiter zählte das Werk. Und wie in alten Zeiten entstanden wieder die unterschiedlichsten Waggons: Personen- und Güterwagen, Langholzwagen, Kühl-, Kessel- und Bitumenwagen und ein als Elektroenergiestation ausgestatteter Waggon.
1952 wurde die Weimarer Waggonfabrik aus der russischen Obhut entlassen und ins Volkseigentum überführt. Der neue Name lautete VEB Waggonbau Weimar. Doch beim Waggonbau sollte es nicht bleiben. Schon im März 1953 erhielt das Werk die Weisung, Krane zu bauen. Dementsprechend erfolgte eine Umbenennung zum VEB Kranbau Weimar.
Doch auch dabei blieb es nicht. Die Mechanisierung der Landwirtschaft verlangte nach Agrartechnik in völlig neuen Größenordnungen. Die Stunde der Mähdrescher brach an. Im Juli 1955 wurde der 1000. fertiggestellte Mähdrescher in Weimar gefeiert. 1962 verließ der letzte dieser Erntehelfer das Weimarer Werk – er hatte die Nummer 6573. 1990 stutzte man das Unternehmen zurecht: Aus dem Weimar-werk wurden mehrere Gmbh ausgegründet. Auf der einstigen Fläche wuchs ein moderner Industriepark mit kleineren Betrieben.
Das Gelände des ehemaligen Weimar-werkes ist heute ein Industriepark im Norden Weimars oberhalb des Bahnhofs.