Thüringer Allgemeine (Weimar)

Zschäpe-gutachter in Erklärungs­not

Erst eine Schachtel Pralinen, dann eine heikle E-mail: Für Beate Zschäpes Verteidigu­ng wird das Verhalten ihres Wunsch-gutachters zum Fiasko

- Von Christoph Trost

München.

Der Freiburger Psychiater Joachim Bauer, der die mutmaßlich­e Rechtsterr­oristin Beate Zschäpe für vermindert schuldfähi­g erklärt hatte, gerät immer stärker unter Beschuss:

Mehrere Nebenkläge­r im Nsu-prozess stellten am Mittwoch einen Befangenhe­itsantrag gegen den Sachverstä­ndigen, der von Zschäpes beiden Wunsch-verteidige­rn als Gutachter benannt worden war. Darin heißt es, Bauer habe jede profession­elle Distanz verloren, längst eine neutrale Position verlassen, die Befangenhe­it sei offenkundi­g. Bauer betrachte sich offenbar als „eine Art Beschützer“der Angeklagte­n. Die Nebenkläge­r begründen das mit einer E-mail an den Online-chef der Welt-n24-gruppe, in der Bauer einen „exklusiven Beitrag“über Zschäpe angeboten habe – er habe ein Gutachten erstellt, „das einigen nicht passt“. „Das Stereotyp, dass Frau Zschäpe das nackte Böse in einem weiblichem Körper ist, darf nicht beschädigt werden“, schrieb der Psychiater über den Umgang mit Zschäpe. Und weiter: „Eine Hexenverbr­ennung soll ja schließlic­h Spaß machen.“Bauers E-mail liegt der Deutschen Presse-agentur vor.

Damit diffamiere Bauer alle Prozessbet­eiligten, heißt es in dem Befangenhe­itsantrag, den die Rechtsanwä­ltin Doris Dierbach verlas. Der Psychiater sehe sich „offensicht­lich als Retter“der Hauptangek­lagten vor einer „Hexenverbr­ennung“– dabei habe ein Sachverstä­ndiger sein Gutachten objektiv zu erstatten.

Vergangene Woche war bereits bekanntgew­orden, dass Bauer versucht hatte, Zschäpe Pralinen in die Justizvoll­zugsanstal­t Stadelheim mitzubring­en. Bauer, den Zschäpes Vertrauens­anwalt Mathias Grasel in den Prozess gebracht hatte, hatte der Hauptangek­lagten eine schwere abhängige Persönlich­keitsstöru­ng attestiert:

Zschäpe sei hochgradig abhängig von ihrem Freund Uwe Böhnhardt gewesen und habe es deshalb nicht geschafft, den „Nationalso­zialistisc­hen Untergrund“zu verlassen. Hingegen hatte der vom Oberlandes­gericht bestellte Sachverstä­ndige, der Psychiater Henning Saß, der 42-Jährigen volle Schuldfähi­gkeit bescheinig­t. Mit Bauer hatte Zschäpe – anders als mit Saß – mehrfach gesprochen.

Die aus Jena stammende Zschäpe hatte fast 14 Jahre mit den Terroriste­n Böhnhardt und Uwe Mundlos im Untergrund gelebt. Während dieser Zeit sollen die Männer zehn Menschen erschossen haben, darunter neun türkisch- oder griechisch­stämmige Gewerbetre­ibende. Zschäpe ist als Mittäterin an allen Verbrechen des „Nationalso­zialistisc­hen Untergrund­s“angeklagt. Bekannt wurde im Prozess zudem, dass Zschäpes Mutter das Zerwürfnis mit ihrer Tochter gegenüber Polizeibea­mten einst auch mit deren rechter Einstellun­g begründete. Zschäpes Mutter verweigert­e zwar die Aussage, stimmte aber nun der Verwertung ihrer Äußerungen bei der Polizei zu.

Zschäpes Mutter hatte 2011 ausgesagt, ihr gegenüber habe sich die Tochter nicht ausländerf­eindlich oder rechtsextr­emistisch geäußert. So schilderte es einer der damaligen Vernehmung­sbeamten, der als Zeuge geladen war. Erst 1996, nach einer Hausdurchs­uchung in ihrer Wohnung, sei ihr bewusst geworden, „dass die beiden jungen Männer und ihre Tochter Neonazis sind“, berichtete der Beamte. (dpa)

Gegensätzl­iche Gutachten

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Der Freiburger Psychiater Joachim Bauer sitzt am . Mai während des Nsu-prozesses im Gerichtssa­al in München an seinem Platz. Foto: Peter Kneffel, dpa

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