Kirchenlieder im Cinemascope-format
Der Weimarer Christian Sprenger hat „Lutheran Symphonix“komponiert und dirigiert heute die Staatskapelle zur Uraufführung
Weimar/berlin.
Unerhört! Mit Pauken und euphorisierenden Tutti-schüben setzen die „Lutheran Symphonix“ein. Diesem großen, glaubensdurchglühten Gefühlskino vermag sich kein Zuhörer, gleich welcher Konfession, zu entziehen. Schon nach wenigen Takten fühlt er sich ergriffen, erhaben – beglückt. Und ertappt, denn der Weimarer Komponist Christian Sprenger lenkt und denkt seine Orchesterfantasie nach Kirchenliedern in vollkommen tonalen Bahnen. Heute wird sie mit der Staatskapelle und dem Kammerchor der Liszt-hochschule in der Weimarhalle uraufgeführt. Morgen erklingt sie, in anderer Besetzung, beim Evangelischen Kirchentag in Berlin.
Unterschwellig kommt jedem, was ihm da so prompt ins Ohr und unter die Haut fährt, bekannt und vertraut vor. „Nun danket alle Gott“heißt der erste der zwölf Sätze, die Sprenger bereits in der Weimarer Besetzung auf CD (genuin, ca. 20 Euro) eingespielt hat. „Lobe den Herren“, „Befiehl du deine Wege“, natürlich „Ein feste Burg“und einiges Weitere hat ihn hörbar inspiriert, es in klare, verständliche, belebende Töne zu setzen. Bewusst hat der Musikprofessor sich dabei vom liturgischen Rahmen gelöst. Man kann sein Werk auch genießen, ohne religiös zu empfinden.
Dabei macht Sprenger, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung freimütig gesteht, sich „keine Gedanken, ob ich jemandem gefalle“. Er komponiert aus innerem Drang und so, wie „es“sich ihm eingibt. Romantische Sehnsüchte hege doch jeder von uns, und übersetzt in die heutige Zeit mag das durchaus wie Filmmusik klingen. Sprenger stört‘s nicht. Seine Herkunft und die Prägungen seiner Jugend kann er nicht verleugnen.
Eifriger Kinobesucher sei er seit je gewesen und obendrein mit der Posaune und den Bläserchören im Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM) aufgewachsen. „Posaunespielen ist das Einzige, was ich gelernt habe“, gesteht er mit entwaffnender Heiterkeit, als Tonschöpfer ist er Autodidakt. Allerdings mit enormer Erfahrung: Schon in jungen Jahren habe er flugs Choräle für wechselnde Besetzungen je nach aktuellem Bedarf arrangiert, und halte es heute noch so, wenn er Workshops – zumal für Laienmusiker – gebe.
Nach dem Studium in Freiburg hat er zwölf Jahre lang im Rundfunk-sinfonieorchester Berlin (RSB, heute DSO) gespielt, inzwischen hält der nun 40-Jährige eine Professur für Posaune an der Liszt-hochschule. Dem protestantischen Bläsermilieu ist er jedoch niemals entwachsen, sondern hegt und pflegt diese Praxis unter anderem mit einem eigenen Musikverlag. Und eben mit Werken wie den „Lutheran Symphonix“. Dass er sich dabei Vergleichen etwa mit Bach-chorälen oder Mendelssohns „Reformationssinfonie“ aussetzt, stört ihn keineswegs. „Diesen Druck habe ich nicht“, sagt er.
Für ihn selbst ist die Verkündigung des Glaubens die maßgebliche Motivation. Zumal sich das Engagement wirtschaftlich nicht lohnen würde. „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn“– das beherzigt Christian Sprenger wortwörtlich und möchte nichts, als seinen Hörern Freude damit schenken. So findet die zweite Aufführung der „Lutheran Symphonix“gleich morgen auf dem Kirchentag in Berlin statt: in einer Bläserbearbeitung, natürlich von eigener Hand, mit 1500 Laienmusikern auf dem Breitscheidplatz im Herzen der Hauptstadt. Unüberhörbar!
Heute, Uhr, Weimarhalle; morgen, . Uhr, Breitscheidplatz Berlin