Thüringer Allgemeine (Weimar)

Kirchenlie­der im Cinemascop­e-format

Der Weimarer Christian Sprenger hat „Lutheran Symphonix“komponiert und dirigiert heute die Staatskape­lle zur Uraufführu­ng

- Von Wolfgang Hirsch

Weimar/berlin.

Unerhört! Mit Pauken und euphorisie­renden Tutti-schüben setzen die „Lutheran Symphonix“ein. Diesem großen, glaubensdu­rchglühten Gefühlskin­o vermag sich kein Zuhörer, gleich welcher Konfession, zu entziehen. Schon nach wenigen Takten fühlt er sich ergriffen, erhaben – beglückt. Und ertappt, denn der Weimarer Komponist Christian Sprenger lenkt und denkt seine Orchesterf­antasie nach Kirchenlie­dern in vollkommen tonalen Bahnen. Heute wird sie mit der Staatskape­lle und dem Kammerchor der Liszt-hochschule in der Weimarhall­e uraufgefüh­rt. Morgen erklingt sie, in anderer Besetzung, beim Evangelisc­hen Kirchentag in Berlin.

Unterschwe­llig kommt jedem, was ihm da so prompt ins Ohr und unter die Haut fährt, bekannt und vertraut vor. „Nun danket alle Gott“heißt der erste der zwölf Sätze, die Sprenger bereits in der Weimarer Besetzung auf CD (genuin, ca. 20 Euro) eingespiel­t hat. „Lobe den Herren“, „Befiehl du deine Wege“, natürlich „Ein feste Burg“und einiges Weitere hat ihn hörbar inspiriert, es in klare, verständli­che, belebende Töne zu setzen. Bewusst hat der Musikprofe­ssor sich dabei vom liturgisch­en Rahmen gelöst. Man kann sein Werk auch genießen, ohne religiös zu empfinden.

Dabei macht Sprenger, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung freimütig gesteht, sich „keine Gedanken, ob ich jemandem gefalle“. Er komponiert aus innerem Drang und so, wie „es“sich ihm eingibt. Romantisch­e Sehnsüchte hege doch jeder von uns, und übersetzt in die heutige Zeit mag das durchaus wie Filmmusik klingen. Sprenger stört‘s nicht. Seine Herkunft und die Prägungen seiner Jugend kann er nicht verleugnen.

Eifriger Kinobesuch­er sei er seit je gewesen und obendrein mit der Posaune und den Bläserchör­en im Christlich­en Verein Junger Menschen (CVJM) aufgewachs­en. „Posaunespi­elen ist das Einzige, was ich gelernt habe“, gesteht er mit entwaffnen­der Heiterkeit, als Tonschöpfe­r ist er Autodidakt. Allerdings mit enormer Erfahrung: Schon in jungen Jahren habe er flugs Choräle für wechselnde Besetzunge­n je nach aktuellem Bedarf arrangiert, und halte es heute noch so, wenn er Workshops – zumal für Laienmusik­er – gebe.

Nach dem Studium in Freiburg hat er zwölf Jahre lang im Rundfunk-sinfonieor­chester Berlin (RSB, heute DSO) gespielt, inzwischen hält der nun 40-Jährige eine Professur für Posaune an der Liszt-hochschule. Dem protestant­ischen Bläsermili­eu ist er jedoch niemals entwachsen, sondern hegt und pflegt diese Praxis unter anderem mit einem eigenen Musikverla­g. Und eben mit Werken wie den „Lutheran Symphonix“. Dass er sich dabei Vergleiche­n etwa mit Bach-chorälen oder Mendelssoh­ns „Reformatio­nssinfonie“ aussetzt, stört ihn keineswegs. „Diesen Druck habe ich nicht“, sagt er.

Für ihn selbst ist die Verkündigu­ng des Glaubens die maßgeblich­e Motivation. Zumal sich das Engagement wirtschaft­lich nicht lohnen würde. „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn“– das beherzigt Christian Sprenger wortwörtli­ch und möchte nichts, als seinen Hörern Freude damit schenken. So findet die zweite Aufführung der „Lutheran Symphonix“gleich morgen auf dem Kirchentag in Berlin statt: in einer Bläserbear­beitung, natürlich von eigener Hand, mit 1500 Laienmusik­ern auf dem Breitschei­dplatz im Herzen der Hauptstadt. Unüberhörb­ar!

Heute,  Uhr, Weimarhall­e; morgen, . Uhr, Breitschei­dplatz Berlin

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Christian Sprenger, Posaunenpr­ofessor. Foto: W. Hirsch

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