Thüringen ist zentraler Ort für rechte Konzerte
Beobachter sind besorgt: Die Neonazi-musikszene hat sich hier eingerichtet. Die Polizei hat darauf reagiert
Erfurt.
Thüringen ist nach Einschätzung von Beobachtern der rechten Szene inzwischen zum wichtigsten Veranstaltungsort für Neonazi-konzerte geworden. Allein die Teilnahme von 3500 Rechtsextremen an einem Konzert 2016 in Hildburghausen zeige, dass der Freistaat das „Festivalland Nummer eins“der extremen Rechten geworden sei, sagte der stellvertretende Leiter der Landeszentrale für politische Bildung, Peter Reif-spirek. Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Thüringen (Mobit) sieht sogar eine „Strahlkraft für die europäische extreme Rechte“.
Für diesen Sommer werden wieder viele rechtsextreme Konzerte in Thüringen erwartet. Mobit-berater Stefan Heerdegen verwies auf mehrere Immobilien in Thüringen, die die rechtsextreme Szene für ihre Konzerte nutze, unter anderem in Kirchheim (Ilm-kreis), Kloster Veßra und Eisenach.
Dort träten immer wieder in der Rechtsrock-szene hochgehandelten Bands auf – „wenn man so will, die „Stars der Szene““. Im Freistaat selbst existiere eine breite rechtsextreme Musik-szene.
Dass Thüringen dafür einen so zentralen Stellenwert hat, hängt nach Einschätzung der Experten nicht nur mit der zentralen Lage des Freistaats zusammen. Es gebe inzwischen routinierte Konzertveranstalter, die selbst aus der rechten Szene stammten, sagte Reif-spirek. Diese verdienten viel Geld mit den Veranstaltungen und hätten daher schon ein Eigeninteresse, solche Konzerte und Festivals „möglichst groß zu machen“.
Zudem sei der Widerstand gegen Neonazi-konzerte in Thüringen vergleichsweise gering, sagte Heerdegen. „Die Vielzahl der Rechtsrock-konzerte insgesamt überfordert die Thüringer Zivilgesellschaft.“Auch übten Versammlungsbehörden und Polizei verhältnismäßig wenig Druck auf Veranstalter und Konzertbesucher aus. Neonazis müssten in Thüringen kaum damit rechnen, wieder nach Hause fahren zu müssen, ohne ihre Band gehört zu haben. Nach Ansicht von Reif-spirek sind auch
Die Bedeutung von Rechtsrock-konzerten
Rechtsrock-konzerte dienen nach Einschätzung der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Thüringen (Mobit) vor allem der Vernetzung der Szene. „Es entsteht und verstärkt sich der Szenezusammenhalt und die Vergewisserung, nicht allein zu sein. Sie vernetzen die politischen Hardliner mit eher unbedarften Szenegängern, wirken über Partei- und Organisationsgrenzen hinweg“, so Stefan Heerdegen von Mobit.
Zudem sind sie nach Ansicht von Experten wichtig diesem Grund einzelne rechte Veranstalter in den vergangenen Jahren von Bayern nach Thüringen ausgewichen, nachdem ihnen in Bayern erheblicher Widerstand entgegengesetzt wurde.
Wegen der Vielzahl der Rechtsrock-konzerte hat die Landespolizei nach eigenen Angaben ihre Einsatztaktik bei solchen Veranstaltungen inzwischen angepasst. So habe die Beweissicherung bei Einsätzen wegen Rechtsrock-konzerten für die Finanzierung der Szene – gerade bei den Festivals durch die Einnahmen unter anderem aus Tickets und Getränkeverkauf. Einzelne rechte Konzertveranstalter könnten gut davon leben, so Heerdegen. Wohl auch deshalb bemühen sich die Veranstalter, als gesetzestreue Bürger zu erscheinen. Straftaten im Zusammenhang mit Konzerten reichen von Propagandadelikten bis hin zu Körperverletzungen und Landfriedensbruch sowie Widerstand gegen Polizeibeamte. einen höheren Stellenwert als in der Vergangenheit. „Aber auch die Kommunikation mit den unterschiedlichen Teilnehmerkreisen, vor allem der Gegendemonstranten, wurde intensiviert“, sagte ein Sprecher der Landespolizeidirektion.
Illegale Neonazi-musikveranstaltungen aufzulösen, sei wegen des „hohes Widerstandsund Aggressionspotenzials“der Besucher häufig nur unter Einsatz starker Kräfte möglich, erklärte der Sprecher. (dpa)