Fragen einer wartenden Frau
Elena Rauch
Dass bei der Tour am Mittwoch etwas nicht gut lief, merkte ich schon am Telefon. Er war ziemlich einsilbig. Marcel K. war gestürzt, da kann eine Frau eigentlich nur was Falsches sagen. Wenn es ums Radfahren geht, versteht ein Mann keinen Spaß. Also schwieg ich diskret.
Aber es wird nicht leichter. Nächstens fahren wir auch nach Frankreich und sein Rad kommt mit. Ein Berg ruft, und ich bin Fanblock und vorausfahrender Versorgungstrupp, der auf dem Gipfel im Auto auf ihn wartet in Personalunion. Ich habe jetzt schon Lampenfieber.
Was sage ich, wenn er losfährt? Was, wenn er oben ankommt? So ein radfahrender Mann ist ein sensibler Gesamtkomplex. Ein psychologisches Rätsel, ein weißer Fleck auf der Landkarte der weiblichen Intuition. Zeigt man sich zu begeistert denk er, man hat es ihm nicht zugetraut. Umgekehrt ist auch nicht gut, dann wird es als Gleichgültigkeit ausgelegt. Äußerungen von Besorgnis vor dem Start sind unbedingt zu meiden, so viel ist klar. Aber zu tun, als sei das gar nichts, wäre ignorant. Man darf nicht zu viel sagen, aber auch nicht zu wenig.
Im Grunde ist die Situation nur noch vergleichbar mit einem Männerschnupfen. Der Umgang mit ihm ist ein komplizierter Balanceakt. Ich habe gegoogelt. Mein einziger Trost ist, dass ich auf dem Berg vermutlich nicht die einzige Frau sein werde, die auf ihren Mann wartet. Mal sehen, wie es die Französinnen machen. Man kann von ihnen ja viel lernen.