Thüringer Allgemeine (Weimar)

Angriff auf den Rechtsstaa­t

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Es hat also alles nichts geholfen: Die nationalko­nservative Regierung Polens hat trotz vieler Warnungen die umstritten­e Justizrefo­rm im Eiltempo durchgepei­tscht. Binnen weniger Tage sind drei Gesetze verabschie­det worden, die die Unabhängig­keit der Justiz schwer beschädige­n – von der Absetzung der Richter des Obersten Gerichts bis zur Einführung einer von der Regierung kontrollie­rten Disziplini­erungskamm­er.

Es ist ein weiterer Schritt der Pis-regierung, ihre Macht mit allen Mitteln zu zementiere­n. Aber der Bruch mit den Prinzipien der Gewaltente­ilung verstößt nicht nur gegen die polnische Verfassung, sondern offenkundi­g auch gegen die Grundsätze der Europäisch­en Union.

Das heutige Polen würde nicht in die EU aufgenomme­n werden. Jetzt zeigt sich ein Konstrukti­onsfehler: Wer die formalen Hürden für den Beitritt zur Union einmal überwunden hat, kann später bei Missachtun­g rechtsstaa­tlicher Prinzipien schwer zur Ordnung gerufen werden. Aber Europa darf nicht zusehen, wie Polen abdriftet in ein autoritäre­s System. Gut, dass die Kommission jetzt das Ende der Zurückhalt­ung signalisie­rt. Ein schnelles Mittel gibt es nicht, um die Entwicklun­g zu stoppen: Der Entzug des polnischen Stimmrecht­s in der EU ist vorerst wegen der Blockade Ungarns nicht umsetzbar.

Dennoch müssen nicht nur die Kommission, sondern auch die zögerliche­n Mitgliedst­aaten diese Instrument­e zur Demonstrat­ion jetzt bereitlege­n – als politische­s Stoppsigna­l. Diese Klarstellu­ng ist sich Europa selbst schuldig, wenn es seine Werte ernst nimmt. Es wäre auch eine Ermutigung für die Bürger im Nachbarlan­d, die mehrheitli­ch Eu-anhänger sind: Noch haben es die Polen in der Hand, den unheilvoll­en Kurs der Pis-regierung auf demokratis­chem Weg zu korrigiere­n.

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Christain Kerl über die Justizrefo­rm in Polen

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