Apoldas Plattform für Kunst aus Weimar
„Born to be Bauhaus“in der Kulturfabrik präsentiert die fünf Preisträger eines neuen Wettbewerbs für die Fakultät Kunst und Gestaltung
Apolda. Vierfach mit Schwarz-rotgold beflaggt zeigt sich seit Donnerstag die Kulturfabrik Apolda. Eine Deutschlandfahne jedoch befindet sich darunter nicht. Hä? Hier stimmt was nicht. Semiotik und Farbgebung klaffen auseinander. In Schwarzrot-gold getaucht sieht man hier die Flaggen der USA und Großbritanniens, Burundis und der Marshallinseln. Ursprünglich gehörten noch Thailand und Jamaika dazu: vor einem Jahr, als Francis Kamprath mit Freunden und Flaggen mitten hinein in eine Pegida-demonstration Dresdens marschierte. Sie wurden dann alsbald des Platzes verwiesen.
Nun sind die Flaggen, die gewohnte Sichtweisen aus der Balance zu bringen vermögen, irritierende Hingucker in Apolda. Obwohl sie gleichsam auch eine subtil und ironisch politisierende Kunst hinter der Fassade der Kulturfabrik ankündigen, sind sie aber nicht das Eigentliche.
Nicht insofern zumindest, als eine andere Arbeit des Medienkünstlers Francis Kamprath hier im Zentrum steht: das Bilderprojekt „Brautkleid [xxx] Brautkleid“. Es ist eines von fünf Werken, die sich im ersten Wettbewerb „Born to be Bauhaus“unter 70 Bewerbungen durchsetzten.
Ihn zu etablieren, geht auf ein nächtliches Kunstgespräch zurück: zwischen Andreas Lenz, Kurator in der schon länger heimatlos gewordenen Weimarer Universitätsgalerie, und Kulturmanagerin Sibylle Müller von der Kulturfabrik. Bald danach wurde Christiane Wolf vom „Archiv der Moderne“an der Bauhaus-universität die Dritte im Bunde.
Das Archiv kaufte bislang jährlich für die Universität drei Kunstwerke von Studenten und Absolventen an. Nun ist daraus ein größerer Kunstpreis geworden: zur rechten Zeit auch deshalb, weil sich durch Umstrukturierung die Fakultät Kunst und Gestaltung unlängst neu formierte, als einzige, wenn auch inoffizielle Kunsthochschule Thüringens.
Mit der Sparkassenstiftung Mittelthüringen und dem „Über Land e.v.“ins Leben gerufen, werden die preisgekrönten Arbeiten für insgesamt 5000 Euro angekauft: als „unveräußerbares und dauerhaft geschütztes Kunstgut im öffentlichen Interesse“. Zur fünfköpfigen Jury gehörten unter anderen der Direktor der Kunsthalle Wien, Nicolaus Schaffhausen, und die Geschäftsführerin der Iba Thüringen, Marta Doehler-behzadi.
Gesichtslose Bräute und brennende Flüchtlingsheime
Angekauft hat das Archiv der Moderne auf diesem Weg erstmals auch eine Domain, eine Internetseite, die ein leeres „Facebook“-konto beherbergt. „Mindful Scrolling“heißt diese Arbeit von Matthias Pitscher, der seine Internetkunst gemeinhin zwischen Video, Website und Performance anlegt. Ironisch angehaucht, „Social Media Mediation“heißt eine Arbeit des nunmehr preisgekrönten Internet- und Performancekünstlers Matthias Pitscher (Mitte) in der Kulturfabrik Apolda. Sie befasst sich mit Menschenbildern in der digitalen Welt: www. socialmediameditation.net. Foto: Matthias Pitscher Schwarz-rot-gold an der Kulturfabrik, keine Deutschlandfahne: eine Verfremdung von Francis Kamprath. Fotos (): Hannsjörg Schumann
präsentiert er in Apolda seine „Social Media Meditation“. Jenseits aller Spiritualität spielt er damit, dass sich ein Selbst im Internet sehr verlieren kann, aber auch neu (er-)finden. Der Mensch begreift sich selbst als Medium, sein digitales Profil wird Teil seiner selbst, das Smartphone wie eine Prothese Teil seines Körpers.
Ins Internet führt uns auch Francis Kampraths „Brautkleid [xxx] Brautkleid“, zur insgesamt 4000 Bilder umfassenden Sammlung von Hochzeitskleidern auf Verkaufsplattformen. Zu sehen sind gesichtslose, anonymisierte Bräute, die die Kleider ihrer ganz individuellen Lebensund
Liebesgeschichte als Secondhand-ware an die Masse veräußern.
Kamprath, 1983 als Engländer geboren, in Hessen aufgewachsen, beschäftigt sich mittels Verschiebung und Verfremdung von Bedeutungen mit dem Deutschsein. Er befragt die „German Angst“, etwa bei anonymisierten Brautbildern.
Von Deutschland aus die eigene Heimat (und was davon erinnernd übrig bleibt) befragt Darko Velazquez. „Since I‘ve been gone“(Seit ich fortging) heißt seine menschenleere Fotoserie aus Sanlúcar de Barrameda, Andalusien. Vom einst prosperierenden Südspanien bleibt: Patina. Philine Görnandt vor der „Länderfaschistenverteilung“von Anna Härtelt: Tuschebildern zu brennenden Flüchtlingsunterkünften.
Was von brennenden Flüchtlingsunterkünften im Bildarchiv des kollektiven Gedächtnisses bleibt, untersucht Anna Härtels 22-teilige Tuschearbeit „Länderfaschistenverteilung“. Sie spielt mit Blickwinkeln heimattümelnder Stadt- und Dorfmotive, die ebenfalls menschenleer und auch entmenschlicht sind: in die sich Hass im Wortsinn einbrennt.
Ganz anders, ins Abstrakte gewendet, arbeitet Charlene Hahne in „Bring Shelter“mit den Konventionen der Landschaftsmalerei. Da bleibt, wie auf Fragmente reduziert, zunächst nicht viel übrig: nicht von der Landschaft, nicht von der Malerei.
Beides kehrt nach längerem Hinschauen aber unvermittelt zurück.
„Born to be Bauhaus“empfiehlt sich erstmals als 1000 Quadratmeter umfassende ganz reale Plattform für zeitgenössische Kunst – und Thüringer Kunststudenten, deren Arbeit sinnentleert wäre, würde sie nicht ausgestellt. Als mittelfristiges Ziel vor Augen hat man das Jahr 2023, wenn sich zum 100. Mal die Weimarer Bauhaus-ausstellung jährt. Dann sollen alle bis dato prämierten Kunstwerke in einer Schau vereint werden.
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„Born to be Bauhaus“bis . August in der Kulturfabrik Apolda