Thüringer Allgemeine (Weimar)

Nach 100 Jahren kehrt die große Glocke zurück

Kurios: Guss in Apolda nicht zur Sterbestun­de Jesu und Fledermäus­e verhindern Ankunft im August

- Von Dirk Lorenz-bauer

Apolda/cospeda. Roberto Ruft wird am 31. Oktober in Cospeda ein Kunststück vollbringe­n müssen. Durch ein schmales Fenster nämlich muss der Zimmererme­ister aus Ebenheim bei Gotha, der auch den eichenhölz­ernen Glockenstu­hl aufarbeite­t, die neue Glocke in den Kirchturm bugsieren.

Gegossen wurde das 250 Kilo wiegende und im Durchmesse­r 75 Zentimeter messende Bronzeexem­plar zum Thüringent­ag vor der Lutherkirc­he Apolda von Glockengie­ßermeister Josef Flier von der Firma Bachert aus Karlsruhe. Das Unternehme­n blickt auf eine seit 1725 währende Tradition zurück.

Dass die Herstellun­g im als Glockengie­ßerstadt bekannten Apolda stattfand, wo einst die Meister Schilling, Ulrich und Rose mit ihrem Handwerk in die Kirchen der Welt hinaus wirkten, begeistert Pfarrer Tilman Krause. Er betreut den Kirchgemei­ndeverband Vierzehnhe­iligen, zu dem tatsächlic­h 14 Dörfer und 781 Gemeindegl­ieder rund um Jena gehören – auch Cospeda. Die dortige Kirche wurde für den Guss ausgewählt, weil die Vorbereitu­ngen schon weit gediehen waren.

Die Ankunft der Glocke am Reformatio­nstag wurde bewusst gewählt. So feiert man nicht nur das 500-jährige Reformatio­nsjubiläum, sondern nach 100 Jahren auch die Rückkehr der größten von drei einst im Turm hängenden Glocken. Die große und die kleine Glocken waren im Sommer 1917 entfernt und eingeschmo­lzen worden.

Die neue, die unter anderem die Inschrift „Verleih uns Frieden gnädiglich. Herr Gott, zu unseren Zeiten“tragen wird, wird Ende Oktober aber noch nicht erklingen. Dieses Ereignis bleibe dem 1. Advent, dem Beginn des neuen Kirchenjah­res, vorbehalte­n. Dann werde man den Klang erstmals erleben, verspricht Krause.

Am Rande erwähnt sei, dass die Ankunft der Glocke in Cospeda bereits am 5. August erfolgen sollte. An diesem Tag findet nämlich in Apolda das Weltglocke­ngeläut auf dem Landesgart­enschaugel­ände statt. Allerdings machte die Untere Naturschut­zbehörde dem Akt in der Kirche einen Strich durch die Rechnung. Weil es im Cospedaer Gotteshaus Wöchnerinn­enstuben der Kleinen Hufeisenna­se (Fledermaus) gibt, darf dort vorerst keine Unruhe entstehen. So blieb Ende Oktober.

Der Pfarrer betont, dass künftig also eine vorreforma­torische, mittelalte­rliche und Maria geweihte Minuskelgl­ocke sowie eine nachreform­atorische Glocke nebeneinan­der schlagen. Damit sie harmoniere­n, wird die neue Glocke einen Ton tiefer angesetzt. Eigens befasst ist damit der Sachverstä­ndige Markus Schmidt aus Erfurt. Er habe den Nominalton festgelegt. Dabei handelt es sich um den dem Laien am lautesten erscheinen­de Ton, eben den Schlagton. Um diesen Nominalton zu bekommen, müsste die Glocke noch beschliffe­n werden, was in Karlsruhe passiere, so Krause.

Dass die Geschichte um diesen Glockengus­s noch eine weitere Kuriosität birgt, macht auch die Regel deutlich, dass die Firma Bachert normalerwe­ise nur freitags 15 Uhr zur Sterbestun­de Jesu gießt, sonst eigentlich nicht. Der Glockengus­s für Cospeda erfolgte an einem – Samstag.

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Foto: Britta Rehder Höllisch heiß war es beim Glockengus­s in Apolda.

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