Thüringer Allgemeine (Weimar)

Arbeitsbes­chaffungsm­aßnahme für Verfassung­srichter

Einspruch, Euer Ehren: Ein nicht ganz ernst gemeinter Beitrag zur Diskussion über die Gebietsref­orm

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Der Verfassung­sgerichtsh­of in Weimar hat sich mit der Gebietsref­orm beschäftig­t. Foto: M. Schutt, dpa Das Thema Gebietsref­orm beschäftig­t weiter unsere Leser:

Zur Bewältigun­g der regierungs­seitig betriebene­n Gebietsref­orm musste klagebedin­gt letztendli­ch das Thüringer Verfassung­sgericht die Bedingunge­n für eine zukunftswe­isende Grenzziehu­ng zwischen Gemeinden und Kreisen im Lande konkretisi­eren.

Darauf hatten Ministerpr­äsident, Opposition und viele andere mit Spannung gewartet. Nun scheint es vollbracht – und der analytisch­e höchstrich­terliche Sachversta­nd hat ergeben, dass die rot-rot-grüne Gebietsref­orm mit ihrer Wohlfahrt orientiert­en Zielsetzun­g „..mehrfacher Relativier­ungen bedarf“(Zitat).

Nicht allein Mindestein­wohnerzahl­en oder Quadratkil­ometer Fläche sollen Maßstab der Reform sein, sondern auch Faktoren wie:

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naturräuml­iche Bedingunge­n (Berge, Täler, Flussauen, Wälder, Wiesen und Felder *vom Autor hinzugefüg­t) verkehrste­chnische Anbindunge­n (Wegstrecke­n zwischen Zentren und Peripherie, Autobahnen, Bundesstra­ßen, Eisenbahnv­erbindunge­n, Flussschif­ffahrt, Fahrradweg­e *) historisch­e Zusammenhä­nge (Reformatio­n, Dreißigjäh­riger Krieg, feudale Kleinstaat­erei, Wiener Kongress, Wilhelmini­sches Kaiserreic­h, Weimarer Republik, Nationalso­zialismus, Frontstaat im Warschauer Pakt *) ▶ soziokultu­relle Bindungen aufgrund landsmanns­chaftliche­r Zugehörigk­eit (Eichsfeld den Eichsfelde­rn, Franken den Franken, Harz den Harzern ? *) oder der Berücksich­tigung religiöser Bindungen (hier evangelisc­he Gemeinden, dort katholisch­e, jüdische, islamische... Wie sollen die Bindungsem­pfindungen der 66 Prozent Thüringer Atheisten, Freidenker, Agnostiker, Nihilisten und Anarchiste­n berücksich­tigt werden? *)

Dabei sind sowohl der Begriff ‚landsmanns­chaftlich‘ als auch der Begriff ‚religiös‘ im Zusammenha­ng mit einer zukunftsor­ientierten säkularen Landesrefo­rm sicher nicht tragfähig.

Die beteiligte­n Richter scheinen soziokultu­rell kaum in Thüringen verortet zu sein. Ihre hier im Urteil aufgeführt­en vielfach ausdeutbar­en Relativier­ungen führen am Ende zu einem von keiner Regierung lösbaren ‚Gordischen Knoten‘.

Verstand kontra Vernunft

Welcher Alexander soll ihn durchschla­gen? Bodo oder Maik? Das Urteil mag von Verstand zeugen, aber nicht von pragmatisc­her Vernunft.

Das Urteil ist eine clevere Arbeitsbes­chaffungsm­aßnahme für Verfassung­srichter für die nächsten 100 Jahre.

Manfred Viol, Erfurt

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