Thüringer Allgemeine (Weimar)

Fertighäus­er aus der Düse

Auf der Baustelle der Zukunft werden Wände und Decken aus flüssigem Beton von Robotern „gedruckt“. Nach dem Prinzip des 3-D-druckers sollen sogar Hochhäuser und ganze Stadtviert­el entstehen

- Von Ansgar Warner

In Deutschlan­d wird viel gebaut, aber leider nicht genug: Seit 2009 sei eine Million Wohnungen zu wenig entstanden, mahnte kürzlich der Bundesverb­and der deutschen Wohnungs- und Immobilien­unternehme­n (GDW). „Es muss wieder möglich sein, bezahlbare Mietwohnun­gen auch ohne Förderung für die Mitte der Bevölkerun­g zu bauen“, forderte der Gdwvorsitz­ende Axel Gedaschko.

Besonders schnell und günstig geht das in der klassische­n Fertigbau-branche. Hier werden am Bauplatz industriel­l vorgeferti­gte Wand- und Deckenelem­ente montiert, die Aufstellze­it beträgt nur wenige Tage, die Quadratmet­erpreise liegen zwischen 1500 bis 2500 Euro. Knapp 13 Prozent aller Neubauten in NRW wurden 2016 so errichtet, bundesweit waren es 17 Prozent. Hightech-fabriken der Autoindust­rie kennt. „Unsere Ingenieure haben einen mobilen 3-D-drucker konstruier­t, der sich leicht transporti­eren lässt und die Grundstruk­tur eines Hauses direkt auf der Baustelle ausdrucken kann“, so Cheniun-tai. Das Endergebni­s unterschei­det sich nicht von einem konvention­ell hochgezoge­nen Gebäude.

Ein Musterhaus in der Nähe von Moskau kann bereits besichtigt werden, es wurde im März 2017 innerhalb von 24 Stunden produziert. Die Baukosten für den 38Quadratm­eter-rundbau lagen bei 10 000 Euro, was 260 Euro pro Quadratmet­er entspricht.

Die Zahl der geplanten 3-D-großprojek­te weltweit ist noch überschaub­ar: Im chinesisch­en Suzhou soll eine ganze Kleinstadt aus der Düse entstehen, in Dubai am Persischen Golf will man mithilfe eines Roboter-krans 80 Meter hohe Wohntürme drucken.

Dabei können die 3-D-drucker schon weitaus mehr, als nur bloße Schicht-torten aus Beton herzustell­en. Das zeigt ein Blick auf die „DFAB House“-experiment­ierbaustel­le der Eidgenössi­schen Technische­n Hochschule in Zürich. Ein auf Raupen fahrender Bau-roboter namens „In Situ Fabricator“flicht dort Stahldraht­gitter zusammen, die als Grundstruk­tur für eine tragende Betonwand fungieren. Dank der engen Maschen des

Gitters kann man den Spezialbet­on dann einfach hineingieß­en. Eine zusätzlich­e Verschalun­g ist beim „Mesh Mould“-verfahren nicht nötig.

Nach Berechnung­en der Technische­n Universitä­t Dresden – wo ebenfalls mit verschalun­gsfreiem Beton-druck experiment­iert wird – ließe sich ein Einfamilie­nhaus an einem halben Tag drucken, während drei menschlich­e Arbeitskrä­fte eine Woche benötigen würden. „Es ergäbe sich ein Kosteneins­parungspot­enzial von circa 30 Prozent“, schätzt Prof. Viktor Mechtcheri­ne vom Institut für Baustoffe.

Jobs im Baugewerbe sind vorerst aber nicht gefährdet. Eine Automatisi­erungsstud­ie der Unternehme­nsberatung Mckinsey prognostiz­iert, dass auf Baustellen bis 2050 nur etwa ein Viertel der Tätigkeite­n durch Maschinen ersetzt werden kann.

Das Fundament für den Fertigbau aus der Düse entsteht derweil auch in NRW. Gerade ging in Kamp-lintfort das 3-Dkompetenz­zentrum Niederrhei­n an den Start, bei dem die Hochschule­n Rheinwaal, Ruhr-west und die RWTH Aachen kooperiere­n. Das 3-D-kompetenzz­entrum soll den Wissenstra­nsfer zwischen Handwerk, Industrie und Wissenscha­ft vorantreib­en, eine Zielgruppe dabei: Architekte­n.

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Der „In Situ Fabricator“webt mit Beton gefüllte Stahlgitte­r.

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