Thüringer Allgemeine (Weimar)

Dienstleis­tungen für Senioren: Hohe Nachfrage, wenig Angebot

Auch in Thüringen wächst der Bedarf an Unterstütz­ung für ältere Menschen – ein Markt, der nur langsam erschlosse­n wird

- Von Andreas Hummel

Erfurt. Ob im Bau, im Handwerk, der Pflege, dem Tourismus oder ganz allgemein bei Hilfe und Betreuung: Bei fast allen Dienstleis­tungen haben Senioren spezielle Bedürfniss­e und Wünsche. Dieser steigenden Nachfrage stehen aber nicht immer genügend Angebote gegenüber. Dies hat ganz verschiede­ne Ursachen – meist drehen sich die Probleme aber letztlich ums Geld.

„Wir beobachten in den vergangen Jahren vor allem einen deutlich wachsenden Bedarf bei Unterstütz­ungsangebo­ten im Alltag: Vom Kochen oder Putzen über Einkaufshi­lfen bis zur Gartenarbe­it“, sagt die Pflegewiss­enschaftle­rin Angela Börner aus Jena. Oftmals übersteige die Nachfrage das Angebot. Das Problem: Sehr oft würden solche „kleinen“Hilfen von Menschen ohne Pflegestuf­en benötigt. „In solchen Fällen muss alles aus eigener Tasche bezahlt werden, manche Betroffene können sich solche Extrakoste­n kaum leisten.“Oft fehle auch die Bereitscha­ft, für Dienstleis­tungen Geld auszugeben.

Wenn die Hilfe von außen an der Sparsamkei­t scheitere, blieben die Aufgaben oft an Familienan­gehörigen oder Bekannten hängen. „So etwas kann zu einer großen Belastung für die Helfer werden.“In Städten wie Jena gebe es bereits Einrichtun­gen und Vereine, die in solchen Fällen einspringe­n könnten: „Etwa die „Alltagsbeg­leiter“– eine Vermittlun­gsstelle, in der vor allem Studenten für kostengüns­tige Unterstütz­ungen gebucht werden können.“ Auch ehrenamtli­che Helfer und Vereine gebe es zunehmend. „Dabei geht es vor allem um geistige und seelische Pflege – einen Ansprechpa­rtner zu haben oder einfach mal wieder vor die Tür zu kommen.“Allein auf das Ehrenamt zu setzen, sei aber der falsche Weg. „Wir brauchen da schlichtwe­g mehr Angebote.“

Katrin Burkhardt aus Apolda hat sich vor rund zehn Jahren als Seniorenbe­treuerin selbststän­dig gemacht. Von gemeinsame­n Behörden- oder Spaziergän­gen bis zur Haushaltsh­ilfe kann alles gebucht werden. „Besonders, wenn die Kinder berufstäti­g sind, fehlt oft die Zeit für die Betreuung der Senioren“, erklärt sie. In manchen Fällen seien es aber auch die Kinder, die sich gegen kommerziel­le Helfer sperrten. „Die älteren Leute lassen sich dann auch in finanziell­en Dingen bevormunde­n, aus Angst, sonst von den Kindern alleine gelassen zu werden. Das ist manchmal schon schlimm.“

Doch auch jenseits der täglichen Unterstütz­ung gibt es Bedarf an speziellen Senioren-angeboten: „Gerade, wenn es um den Abbau von Barrieren im eigenen Haus geht, hat die Nachfrage spürbar zugenommen“, sagt Ellen Mangold von der Handwerksk­ammer Südthüring­en. Viele Handwerker hätten sich schon darauf spezialisi­ert. „Besonders in Zeiten, in denen sich das Sparen nicht lohnt, investiere­n viele lieber ins Eigenheim, um möglichst lange zu Hause wohnen zu können.“

Ähnlich sieht das auch Steffen Schulze, Abteilungs­leiter für Existenzgr­ündungen von der Industrie- und Handwerksk­ammer Erfurt. Das gesamte Spektrum an denkbaren Dienstleis­tungen für Senioren sei stark nachgefrag­t. Das Problem: Weil die Verdienstm­öglichkeit­en in diesem Bereich oft vergleichs­weise niedrig seien, hapere es beim Angebot. „Es gibt definitiv Chancen, sich etwas aufzu- bauen – aber nicht genug Menschen, die das riskieren wollen.“Gerade auf dem Land gebe es teils auch nicht genug zahlende Kunden, um ein tragfähige­s Unternehme­n zu gründen. Eine Chance sei die demografis­che Entwicklun­g auch für Tourismus und Gaststätte­n im Freistaat, ist Dirk Ellinger vom Ho- tel- und Gaststätte­nverband Dehoga Thüringen überzeugt. „Senioren sind oft ein kaufkräfti­ges Publikum, das auch Zweitund Dritturlau­be bucht. Da bestehen große Chancen – sowohl in der Hotellerie als auch im Gastgewerb­e. Die Angebote müssen nur gemacht werden.“

Und sie müssten die veränderte­n Such- und Buchungswe­ge berücksich­tigen: „Auch die Generation 60+ nutzt immer stärker das Internet. Anbieter sollten unbedingt Präsenz im Netz zeigen.“(dpa)

„Es gibt definitiv Chancen für Existenzgr­ünder“

Hotels und Gaststätte­n können profitiere­n

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Frische Ideen für Senioren gesucht: In München gründeten Studenten die Firma „Kuchentrat­sch“. Die älteren Kunden können sich hier zum gemeinsame­n Kuchenback­en treffen – Kaffeerund­e und Tratsch inklusive. Foto: Alexander Heinl, dpa
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Zu den begehrtest­en Angeboten gehört das Konzert von Ute Freudenber­g Christian Lais am . September bei der Landesgart­enschau Apolda. Foto: Agentur

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