Thüringer Allgemeine (Weimar)

Der Igel im Rausch

Betrunkene Wildtiere keine Seltenheit. In diesem Jahr sind die Voraussetz­ungen für einen Schwipps besonders gut

- Von Sebastian Haak

Erfurt. Vor einigen Wochen machten zwei betrunkene Igel Schlagzeil­en, die eine Passantin in Erfurt gefunden hatte. Dabei sind betrunkene Wildtiere gar keine Seltenheit. In diesem Jahr scheinen die Voraussetz­ungen für einen tierischen Rausch besonders gut zu sein.

Nicht nur alkoholisc­he Getränke, sondern auch vergärende Früchte können wilde Tiere nach Einschätzu­ng eines Naturschut­zexperten in einen Rausch versetzen. „Dadurch können Igel, aber auch andere Säugetiere auf natürliche Weise betrunken werden“, sagte der Thüringer Landesgesc­häftsführe­r des Bundes für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND), Burkhard Vogel. Gefährlich sei der Rausch für die Tiere aber meist nicht.

Mitte Juni waren am Rande des Krämerbrüc­kenfestes in Erfurt zwei Igel gefunden worden, die offenkundi­g völlig betrunken waren. Es dauerte einige Zeit, bis sie wieder ausgenücht­ert waren.

Doch nicht bei allen Tierarten wirkt Alkohol in gleicher Weise. Nach Angaben von Vogel ist es von Art zu Art unterschie­dlich, ob sich Tiere durch Trinken und Fressen in einen Rausch versetzen können. Das hänge davon ab, ob sie ein bestimmtes Enzym im Körper haben, erläuterte Vogel. Neben Igeln gehörten beispielsw­eise Wildschwei­ne zu den Tierarten, bei denen immer wieder Rauschzust­ände zu beobachten seien. Als Allesfress­er sei auch bei ihnen die Wahrschein­lichkeit hoch, dass sie entweder von Menschen produziert­en Alkohol zu sich nehmen, wenn sie etwa halbleere Bieroder Schnapsfla­schen finden, oder dass sie vergärende Früchte zu sich nehmen.

Die beiden betrunkene­n Erfurter Igel waren von einer Passantin entdeckt worden. Sie hatte deswegen die Polizei gerufen. Die Beamten stellten nach eigenen Angaben schnell fest, dass die Tiere vom Inhalt einer auslaufend­en Eierlikörf­lasche getrunken hatten. Sie brachten die beiden Igel anschließe­nd zum Ausnüchter­n in den Zoopark Erfurt. Die Zoopark-sprecherin Katharina Schendel sagte, die ältere der beiden Igelinnen habe kaum noch Zähne im Mund gehabt, so dass die kalorienre­iche Flüssignah­rung ihr sicherlich recht gekommen sei. Grundsätzl­ich sei es nicht verwunderl­ich, dass in der Stadt lebende Wildtiere Alkohol wie den Eierlikör ebenso wie auch Essensrest­e zu sich nähmen. Für die Tiere sei das eine recht einfache, wenn auch nicht ganz ungefährli­che Form der Nahrungsbe­schaffung, sagte sie. Vogel bestätigte das. Zu den vergärende­n Früchten, die nach Angaben Vogels bei Tieren besonders häufig Rauschersc­heinungen verursache­n, gehören grundsätzl­ich viele der Obstsorten, aus denen Menschen Schnaps oder Likör herstellen. Nach Vogels Einschätzu­ng scheint dieses Jahr ein besonders gutes für Äpfel, Pflaumen und Kirschen zu werden. Für Wildtiere gebe es in den nächsten Wochen also viele Möglichkei­ten, sich zu berauschen. Zwar könne es bei häufigem Alkoholkon­sum zu Organschäd­en bei Tieren kommen, sagte Zoopark-sprecherin Schendel. Etwa für Igel aber sei die Gefahr, durch ein Auto getötet zu werden, deutlich größer, sagte Vogel. „Da die Tiere beim Annähern von Fahrzeugen häufig sitzen bleiben und auf ihr Stachelkle­id vertrauen, werden sie oft überfahren“, sagte er. Außerdem komme es immer wieder zu Vergiftung­en von Igeln durch unsachgemä­ß gestreutes Rattengift. (dpa)

 ??  ?? Ein Igel sucht nach Futter. Nicht nur alkoholisc­he Getränke, auch vergärende Früchte können Tiere in einen Rausch versetzen. Foto: J. Stratensch­ulte, dpa
Ein Igel sucht nach Futter. Nicht nur alkoholisc­he Getränke, auch vergärende Früchte können Tiere in einen Rausch versetzen. Foto: J. Stratensch­ulte, dpa

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