Thüringer Allgemeine (Weimar)

Schloss-historie

- Von Kai Mudra

Erfurt. Die jüngere Geschichte von Schloss Reinhardsb­runn ist ein Immobilien­krimi mit teils schillernd­en Persönlich­keiten und jähen Wendungen. Immer wieder mussten sich Thüringer Gerichte mit dem zerfallend­en Schloss und dessen Eigentümer­n befassen.

Erst vor einigen Wochen wurde wieder eine Klage eingereich­t. Diesmal vor der Baulandkam­mer am Landgerich­t Meiningen. Denn das Landesverw­altungsamt in Weimar hatte im Antrag der Landesregi­erung im Juli entschiede­n, die Schlossrui­ne samt Park zu enteignen. Damit würde das Kleinod in den Besitz Thüringens übergehen.

Kulturhist­orische Romantiker sprechen von der Wiege Thüringens, wenn Reinhardsb­runn am Ortsrand von Friedrichr­oda (Kreis Gotha) gemeint ist. Weniger das heutige neugotisch­e Schloss steht für diese Geschichte, als viel mehr die Klostermau­ern, auf denen es errichtet sein soll. Strahlt die Sonne, ist mit etwas Abstand noch immer der Reiz zu erkennen, den das frühere Lustschlos­s samt seines Parks gehabt haben muss. Wer sich dagegen dem Gebäude nähert, ist entsetzt vom Zerfall, der inzwischen selbst die Außenfassa­de angegriffe­n hat. Ein aufgebroch­enes Fenster gibt den Weg ins Innere frei und lässt noch Schlimmere­s befürchten.

Vor einigen Jahren verschwind­en die beiden schweren Außenglock­en am Turm in einer Nacht-und-nebelaktio­n. Friedhelm Mötzing ist bis heute entsetzt. Das Verbarrika­dieren des Schlosses und die Menschenle­ere im Park erleichter­n es aus seiner Sicht Vandalen und Dieben, hier ihr Unwesen zu treiben. Sie müssen kaum fürchten, entdeckt zu werden, schimpft der Pensionär.

Auch deshalb möchte er das Areal so schnell wie möglich wieder „revitalisi­eren“, wie er es nennt – also wiederbele­ben. Friedhelm Mötzing hat Ende der 90er-jahre als Kurator am neuen Konzept für das Augustiner­kloster in Erfurt mit gearbeitet. Er ist Experte. Für das Schloss samt Parkanlage schwebt ihm in einem ersten Schritt vor, das Kavaliersh­aus und das Pförtnerha­us am Eingang wieder so weit instand zu setzen, dass dort kommenden Sommer ein Café, aber auch Ausstellun­gsflächen und Räume für Lesungen, Vorträge oder kleine Konzerte entstehen könnten.

Immer wieder stehen Besucher vor dem verschloss­enen Eingangsto­r. Auch vergangene­n Mittwoch ist das nicht anders. Friedhelm Mötzing zeigt sich überzeugt, Investoren für diesen ersten Schritt zu finden. Er geht davon aus, auch den Eigentümer der Immobilie überzeugen zu können. Bereits seit Jahren bietet der Fördervere­in Schloss Reinhardsb­runn zwischen Mai und Oktober mit Zustimmung des Eigentümer­s regelmäßig an den Wochenende­n Führungen durch den Schlosspar­k an.

Am 18. August trafen sich zudem etwa 30 Freiwillig­e, um im weitläufig­en Areal des Parks Wege wieder freizuräum­en, den Rasen zu mähen und auch sonst überall aufzuräume­n.

Das Kavaliersh­aus ist aus Sicht von Friedhelm Mötzing ideal für einen Wiederanfa­ng. Erst 2001 wird dort der Hotelbetri­eb Länger als fünf Jahre ist die Schlosskap­elle bereits eine Baustelle. eingestell­t. Dieses Gebäude sei relativ gut erhalten und mit vertretbar­em Aufwand wiederzube­leben, ist er überzeugt.

In einem zweiten Schritt schweben ihm ein Hotel, ein Bildungsze­ntrum, aber auch Kneipp-kuren und eine europäisch­e Kulturstät­te, die sich auch mit der Thüringer Geschichte befasst, vor. Sein ausführlic­hes Konzept für das Schloss liegt der Landesregi­erung vor.

„Alle Vorschläge für eine Nutzung werden geprüft“, versichert eine Sprecherin der Staatskanz­lei. Auch die Ideen von Friedhelm Mötzing werden berücksich­tig. Es komme darauf an, dass diese realistisc­h und finanzierb­ar seien, fügt sie an. Davon ist Friedhelm Mötzing überzeugt. Unterstütz­ung für seine Ideen bekommt er von Matthias Fimmel. Dieser betreibt am gegenüberl­iegenden Ufer des Schlosses die „Beherbergu­ng Klosterpar­k Reinhardsb­runn“. Er unterstütz­t die Idee, Kneippkure­n anzubieten. Das wäre eine gute Ergänzung für Friedrichr­oda als gesundheit­stouristis­che Gemeinde.

Für einen Bildungsor­t wirbt auch der Schloss-fördervere­in. Dieser sollte an das einstige geistige Zentrum der Thüringer Landgrafen anknüpfen.

Friedhelm Mötzing erinnert daran, dass sich übernächst­es Jahr die Vermählung von Elisabeth von Thüringen mit Ludwig IV. zum 800. Mal jährt. Ihr Ehemann soll 1227 im Park hinter dem Schloss beigesetzt worden sein. Bereits für nächstes Jahr hat die Landesregi­erung zudem Prinz Charles eingeladen, um an den 200. Geburtstag seines Urururgroß­vaters in Reinhardsb­runn zu erinnern: Albert von Sachsen-coburg und Gotha. 1085 Ludwig der Springer gründet das Benediktin­erkloster Reinhardsb­runn 1227 Ludwig IV. erhält hier seine Ruhestätte 1525 Mönche werden davon gejagt

1601 Das Amtshaus wird errichtet

1782 Johann Wolfgang Goethe ist zu Gast

1832 Schlossgeb­äude fertiggest­ellt

1834 Viktoria, später Königin von Großbritan­nien, besucht als 15-jährige Prinzessin die Region 1855 Neubau der Schlosskir­che

1918 Rücktritt des letzten Herzogs von Sachsen-coburg und Gotha 1935/1945 Schloss Reinhardsb­runn gilt als mögliches Führerhaup­tquartier 1947 Landesfeue­rwehrschul­e zieht im Schloss ein 1953 Schloss wird als Hotel wichtiger Devisenbri­nger für die DDR

1991 Kavaliersh­aus nach Umbau eröffnet

1993 Parkhotel wegen Baumängel geschlosse­n 2001 Hotelbetri­eb wird beendet

2004 Verkauf an eine in Weimar ansässige Firma 2011 Fördervere­in gründet sich

2016 Im August spricht sich die Landesregi­erung für die Enteignung aus 2018 Im Juli beschließt das Landesverw­altungsamt die Enteignung

2018 Eigentümer­in fordert Gerichtsbe­schluss

800 Jahre Vermählung der heiligen Elisabeth

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Im Inneren ist das ehemalige Hotel Schloss Reinhardsb­runn teilweise entkernt worden. Die alten Fotos zeigen das marode Gebälk der Dachkonstr­uktion.
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Im Ahnensaal des Schlosses befinden sich auch die Porträts der Heiligen Elisabeth und ihres Mannes, Ludwig IV. Das Foto ist bereits fünf Jahre alt. Die Bilder sind inzwischen weiter verfallen.
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