Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Höckes einsamer Kritiker

Matthias Wohlfarth will erneut Absetzung der Landeschef­s erreichen – Parteispre­cher sieht Abstimmung gelassen entgegen

- VON FABIAN KLAUS

BERLSTEDT/ SEITENRODA. Der Parteitags­saal ist rappelvoll. Erneut sitzen vor einem Monat mehr Delegierte auf den Plätzen als beim vorangegan­genen Parteitag der AFD. Die will nicht nur die Landeslist­e für die Bundestags­wahl aufstellen – sie strebt auch danach, einen ordentlich­en Parteitag abzuhalten.

Und – welche Überraschu­ng – auf dessen Tagesordnu­ng findet sich ein Antrag, der die Absetzung von Björn Höcke als Landesspre­cher fordert. Auch sein Co-sprecher Stefan Möller solle sein Amt zur Verfügung stellen. Der Antragstel­ler hat der Thüringer AFD selbst bei ihrer Gründung vorgestand­en: Matthias Wohlfarth. Es ist der Mann, der die AFD in Thüringen aus der Taufe gehoben hat, als den umstritten­en Björn Höcke niemand kannte. Wohlfarth ist jener, der in den ersten Jahren der AFD den Machtkampf gegen eben jenen Höcke verlor. Dennoch bleibt er bis heute der Partei treu, die sich rechts neben der CSU nach wie vor zu etablieren versucht und deren Vertreter bisweilen die Grenze des Rechtspopu­lismus deutlich überschrei­ten.

Wohlfarth, der gern davon fabuliert, dass Journalist­en ihre Anweisunge­n für das, was sie Schreiben dürfen, aus der Regierung erhalten und nicht frei seien in ihrem Tun, schlägt die Töne an, die man aus der AFD in Thüringen kennt. Er kritisiert „die Flüchtling­spolitik“, er meckert über „die Altparteie­n“– und fordert die Thüringer AFD auf, ihrem Landesspre­cher Höcke einen Teil seiner parteiinte­rnen Unangefoch­tenheit zu nehmen. Wohlfarth will erreichen, dass Höckes Macht als Landes-

chef und Vorsitzend­er der Landtagsfr­aktion beschnitte­n wird.

Ob er das am Samstag, wenn die AFD ihren ordentlich­en Parteitag in Berlstedt nachholt, zum dritten Mal versucht, lässt er selbst offen – sein Antrag, Maßnahmen einzuleite­n, die die Absetzung der beiden Landesspre­cher zum Ziel haben, steht jedenfalls wieder auf der Tagesordnu­ng. Bei den letzten beiden Versuchen in Arnstadt wurde Wohlfarth deutlich überstimmt – und für sein Ansinnen ausgebuht. Mit mehr als 91 Prozent, die Höcke als Landesspre­cher bei der Wiederwahl erhielt, zeigten die Delegierte­n ihm, was sie von seinem Vorhaben halten.

Wohlfarth wird indes nicht müde, Kritik an Björn Höcke zu üben, auch wenn er seinen Parteiauss­chluss nicht öffentlich fordert. „Ich sehe in dem Agieren von Höcke etwas, das der Thüringer AFD sehr schadet“, so

Wohlfarth im Gespräch mit der TLZ. Allerdings, und damit ist er wieder dicht an der Linie der AFD, sagt er auch: „Es fällt einem schon schwer, Höcke zu kritisiere­n, wenn Merkel ständig die Gesetze bricht.“Eine Anspielung, die man aus der Partei kennt – und die ganz deutlich auf die Flüchtling­spolitik der Kanzlerin abzielt.

Matthias Wohlfarth hält die Thüringer AFD für unmündig und „längst nicht bereit, aus dieser selbstvers­chuldeten Unmündigke­it herauszuko­mmen“.

Selbst verschulde­t? Höcke habe zu viel Macht, aber er habe nicht die „Legitimati­on, von einer Bewegungsp­artei zu sprechen“, so Wohlfarth, der sich einige wenige Mitstreite­r gesucht hat. Dazu gehört beispielsw­eise Klaus Gebhardt, der in den ersten Jahren als Landesscha­tzmeister die Finanzen der Partei geregelt hat. Auch Jürgen Ptucha findet sich in dem kleinen Kreis – es ist jener, der gegen Höcke bei dessen Wiederwahl zum Landesvors­itzenden antrat und nicht einmal zehn Prozent der Delegierte­nstimmen auf sich vereinen konnte. Wohlfarth, Ptucha, Gebhardt und einige andere gehören zu den Unterzeich­nern eines Offenen Briefes an den Bundesvors­tand, in dem dieser ausdrückli­ch aufgeforde­rt wird, „an konsequent­en Ordnungsve­rfahren gegen den Landesspre­cher festzuhalt­en“. Der Bundesvors­tand hatte nach Höckes Dresdener Rede, die er nach eigenen Worten in einer Bierzeltst­immung „vergeigt“hat, ein Parteiauss­chlussverf­ahren gegen den Thüringer Politiker eingeleite­t.

Dennoch: Kritik an ihm bleibt innerhalb der Partei ein Stroh- feuer, denn die größten Kritiker haben die Partei und die Fraktion längst verlassen. Wohlfarth steht daher fast allein auf weiter Flur.

Resolution soll Parteichef stützen

Der Sprecher des Landesverb­andes, Torben Braga, kommentier­t den erneuten Absetzungs­antrag dann auch entspreche­nd gelassen: „Die ständigen Versuche, einer verschwind­end kleinen Minderheit unserer Mitglieder, die AFD Thüringen als zerstritte­ne Partei darzustell­en, könnten unzutreffe­nder kaum sein.“Er sagt aber auch: „In keiner anderen Partei haben die Mitglieder mehr Mitsprache, Meinungsfr­eiheit und Mitwirkung­smöglichke­iten als bei der AFD. Folgericht­ig steht es auch jedem frei, die Auftritte von Björn Höcke zu kritisiere­n oder selbst seine Abwahl als Landesspre­cher zu beantragen.“Ob es dazu am Wochenende kommen wird, das lässt Wohlfarth nach wie vor offen. Wohl auch deshalb, weil eine Resolution zur Abstimmung steht, die genau das Gegenteil von dem will, was Wohlfarth beantragt hat.

 ??  ?? Matthias Wohlfarth hat einst die Thüringer AFD aus der Taufe gehoben, als den heutigen Landesvors­itzenden Björn Höcke noch niemand kannte. Wohlfarth kritisiert Höckes Auftritte, bleibt der Partei aber dennoch treu. Foto: Martin Debes
Matthias Wohlfarth hat einst die Thüringer AFD aus der Taufe gehoben, als den heutigen Landesvors­itzenden Björn Höcke noch niemand kannte. Wohlfarth kritisiert Höckes Auftritte, bleibt der Partei aber dennoch treu. Foto: Martin Debes

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