Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Höckes einsamer Kritiker
Matthias Wohlfarth will erneut Absetzung der Landeschefs erreichen – Parteisprecher sieht Abstimmung gelassen entgegen
BERLSTEDT/ SEITENRODA. Der Parteitagssaal ist rappelvoll. Erneut sitzen vor einem Monat mehr Delegierte auf den Plätzen als beim vorangegangenen Parteitag der AFD. Die will nicht nur die Landesliste für die Bundestagswahl aufstellen – sie strebt auch danach, einen ordentlichen Parteitag abzuhalten.
Und – welche Überraschung – auf dessen Tagesordnung findet sich ein Antrag, der die Absetzung von Björn Höcke als Landessprecher fordert. Auch sein Co-sprecher Stefan Möller solle sein Amt zur Verfügung stellen. Der Antragsteller hat der Thüringer AFD selbst bei ihrer Gründung vorgestanden: Matthias Wohlfarth. Es ist der Mann, der die AFD in Thüringen aus der Taufe gehoben hat, als den umstrittenen Björn Höcke niemand kannte. Wohlfarth ist jener, der in den ersten Jahren der AFD den Machtkampf gegen eben jenen Höcke verlor. Dennoch bleibt er bis heute der Partei treu, die sich rechts neben der CSU nach wie vor zu etablieren versucht und deren Vertreter bisweilen die Grenze des Rechtspopulismus deutlich überschreiten.
Wohlfarth, der gern davon fabuliert, dass Journalisten ihre Anweisungen für das, was sie Schreiben dürfen, aus der Regierung erhalten und nicht frei seien in ihrem Tun, schlägt die Töne an, die man aus der AFD in Thüringen kennt. Er kritisiert „die Flüchtlingspolitik“, er meckert über „die Altparteien“– und fordert die Thüringer AFD auf, ihrem Landessprecher Höcke einen Teil seiner parteiinternen Unangefochtenheit zu nehmen. Wohlfarth will erreichen, dass Höckes Macht als Landes-
chef und Vorsitzender der Landtagsfraktion beschnitten wird.
Ob er das am Samstag, wenn die AFD ihren ordentlichen Parteitag in Berlstedt nachholt, zum dritten Mal versucht, lässt er selbst offen – sein Antrag, Maßnahmen einzuleiten, die die Absetzung der beiden Landessprecher zum Ziel haben, steht jedenfalls wieder auf der Tagesordnung. Bei den letzten beiden Versuchen in Arnstadt wurde Wohlfarth deutlich überstimmt – und für sein Ansinnen ausgebuht. Mit mehr als 91 Prozent, die Höcke als Landessprecher bei der Wiederwahl erhielt, zeigten die Delegierten ihm, was sie von seinem Vorhaben halten.
Wohlfarth wird indes nicht müde, Kritik an Björn Höcke zu üben, auch wenn er seinen Parteiausschluss nicht öffentlich fordert. „Ich sehe in dem Agieren von Höcke etwas, das der Thüringer AFD sehr schadet“, so
Wohlfarth im Gespräch mit der TLZ. Allerdings, und damit ist er wieder dicht an der Linie der AFD, sagt er auch: „Es fällt einem schon schwer, Höcke zu kritisieren, wenn Merkel ständig die Gesetze bricht.“Eine Anspielung, die man aus der Partei kennt – und die ganz deutlich auf die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin abzielt.
Matthias Wohlfarth hält die Thüringer AFD für unmündig und „längst nicht bereit, aus dieser selbstverschuldeten Unmündigkeit herauszukommen“.
Selbst verschuldet? Höcke habe zu viel Macht, aber er habe nicht die „Legitimation, von einer Bewegungspartei zu sprechen“, so Wohlfarth, der sich einige wenige Mitstreiter gesucht hat. Dazu gehört beispielsweise Klaus Gebhardt, der in den ersten Jahren als Landesschatzmeister die Finanzen der Partei geregelt hat. Auch Jürgen Ptucha findet sich in dem kleinen Kreis – es ist jener, der gegen Höcke bei dessen Wiederwahl zum Landesvorsitzenden antrat und nicht einmal zehn Prozent der Delegiertenstimmen auf sich vereinen konnte. Wohlfarth, Ptucha, Gebhardt und einige andere gehören zu den Unterzeichnern eines Offenen Briefes an den Bundesvorstand, in dem dieser ausdrücklich aufgefordert wird, „an konsequenten Ordnungsverfahren gegen den Landessprecher festzuhalten“. Der Bundesvorstand hatte nach Höckes Dresdener Rede, die er nach eigenen Worten in einer Bierzeltstimmung „vergeigt“hat, ein Parteiausschlussverfahren gegen den Thüringer Politiker eingeleitet.
Dennoch: Kritik an ihm bleibt innerhalb der Partei ein Stroh- feuer, denn die größten Kritiker haben die Partei und die Fraktion längst verlassen. Wohlfarth steht daher fast allein auf weiter Flur.
Resolution soll Parteichef stützen
Der Sprecher des Landesverbandes, Torben Braga, kommentiert den erneuten Absetzungsantrag dann auch entsprechend gelassen: „Die ständigen Versuche, einer verschwindend kleinen Minderheit unserer Mitglieder, die AFD Thüringen als zerstrittene Partei darzustellen, könnten unzutreffender kaum sein.“Er sagt aber auch: „In keiner anderen Partei haben die Mitglieder mehr Mitsprache, Meinungsfreiheit und Mitwirkungsmöglichkeiten als bei der AFD. Folgerichtig steht es auch jedem frei, die Auftritte von Björn Höcke zu kritisieren oder selbst seine Abwahl als Landessprecher zu beantragen.“Ob es dazu am Wochenende kommen wird, das lässt Wohlfarth nach wie vor offen. Wohl auch deshalb, weil eine Resolution zur Abstimmung steht, die genau das Gegenteil von dem will, was Wohlfarth beantragt hat.