Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Nsu-prozess: Zschäpe-pflichtver­teidiger wollen nicht weitermach­en

Streit entfacht um mehrere Befangenhe­itsanträge gegen den Vorsitzend­en Richter Manfred Götzl und einen Beisitzer

- VON CHRISTOPH LEMMER

MÜNCHEN/ JENA. Fast drei Wochen lang sind im Nsu-prozess wegen Befangenhe­itsanträge­n die Verhandlun­gstermine ausgefalle­n. Stattdesse­n gingen Schriftsät­ze hin und her, die es in sich haben. Die Zschäpe-verteidigu­ng steckt wieder in der Krise. Drei der Pflichtver­teidiger der mutmaßlich­en Rechtsterr­oristin Beate Zschäpe, die aus Jena stammt, haben die Entlassung aus dem Nsu-prozess beantragt.

Eine Fortsetzun­g ihrer Tätigkeit sei für sie „auch in persönlich­er Hinsicht nicht mehr zumutbar“, schrieben die Anwälte Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm. Sie reagierten damit auf einen Brief Zschäpes an den 6. Strafsenat des Münchner Oberlandes­gerichts. Darin hatte sie sich von mehreren Befangenhe­itsanträge­n gegen den Vorsitzend­en Richter Manfred Götzl und einen Beisitzer distanzier­t, die Heer, Stahl und Sturm außerhalb der Verhandlun­g vergangene Woche in Zschäpes Namen gestellt hatten.

In einem Schreiben an das Gericht machten die drei Anwälte geltend, sie hätten ihr Vorgehen abgesproch­en und seien von einem Einverstän­dnis Zschäpes ausgegange­n. Detaillier­t beschreibe­n sie eine Folge von E-mails und Telefonate­n mit Zschäpes viertem Pflichtver­teidiger, Mathias Grasel. Grasel war im Sommer 2015 zusätzlich berufen worden, nachdem sich Zschäpe mit Heer, Stahl und Sturm überworfen hatte.

Grasel habe erklärt, er gebe „schon mal ein Einverstän­dnis“und er sehe „keine Gefahr“, dass Frau Zschäpe den Befangenhe­itsanträge­n nicht zustimme.

Heer, Stahl und Sturm schreiben weiter, sie hätten ihre fertigen Anträge per Fax an Grasel und dessen Kanzleipar­tner Hermann Borchert übermittel­t. Borchert fungiert zusätzlich als Vertrauens­anwalt Zschäpes und wird nicht vom Staat bezahlt. Widerspruc­h gegen die Anträge habe es nicht gegeben.

Erst nach mehreren Tagen habe Grasel auf einen weiteren Antrag seiner drei Kollegen reagiert, in dem sie Richter Götzl erneut ablehnten. In einer E-mail habe Grasel mitgeteilt, Frau Zschäpe sei lediglich mit zwei vorherigen Anträgen einverstan­den. Dann wiederum habe die Kanzlei Borchert einen handschrif­tlichen Brief Zschäpes verschickt. Sie schrieb darin, sie stehe nur hinter dem ersten Befangenhe­itsantrag dieser Serie, der am bisher letzten Prozesstag am 9. März in der Verhandlun­g gestellt wurde. Alle anderen Anträge seien „nicht mit mir abgesproch­en“und entspräche­n nicht „meinem Willen oder Wunsch“.

Das weisen Heer, Stahl und Sturm zurück. Sie hätten sich jederzeit mit Zschäpes Vertrauens­anwälten abgestimmt und „keinen Anlass“gehabt, an deren „Ermächtigu­ng, für sie zu sprechen, (...) zu zweifeln.“Eine „ordnungsge­mäße Verteidigu­ng von Frau Zschäpe“sei jetzt nicht mehr möglich. Entweder maßten sich „Grasel und Borchert eine ihnen tatsächlic­h nicht verliehene Entscheidu­ngskompete­nz an“oder Zschäpe bezichtige sie „erneut wider besseren Wissens der Verletzung berufsrech­tlicher Pflichten“.

Rechtsanwa­lt Grasel war zunächst nicht für eine Stellungna­hme zu erreichen. Rechtsanwa­lt Borchert wollte keine Fragen beantworte­n. Das Gericht plant, den Nsu-prozess heute fortzusetz­en.

Zschäpe ist seit Mai 2013 wegen Mittätersc­haft an den Verbrechen des „Nationalso­zialistisc­hen Untergrund­s“angeklagt. Dazu gehören neun Morde an türkisch- und griechisch­stämmigen Zuwanderer­n.

 ??  ?? Wollen nicht länger die Anwälte der Angeklagte­n Beate Zschäpe sein: Wolfgang Stahl (links), Wolfgang Heer und Anja Sturm. Der neuerliche Streit hat sich an Befangenhe­itsanträge­n entzündet, die die Drei jüngst gestellt haben. Foto: Peter Kneffel
Wollen nicht länger die Anwälte der Angeklagte­n Beate Zschäpe sein: Wolfgang Stahl (links), Wolfgang Heer und Anja Sturm. Der neuerliche Streit hat sich an Befangenhe­itsanträge­n entzündet, die die Drei jüngst gestellt haben. Foto: Peter Kneffel

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