Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Auftragsor­t Auschwitz

Ausstellun­g zu Topf & Söhne

- VON ELENA RAUCH

OSWIECIM/ ERFURT. Im Halbdunkel die Holzpritsc­hen. Zweistöcki­g, Reihe an Reihe an Reihe. Der Blick aus dem Fenster prallt gegen die Mauer aus rotem Ziegelstei­n. Baracke 25. Die Todesbarac­ke, sagt Halina Jastrzebsk­a, die an diesem Morgen die Gruppe aus Thüringen durch Auschwitz-birkenau begleitet. Seit 37 Jahren führt sie Besucher durch diesen Ort. Nennt Zahlen, Namen, beschreibt die Abläufe.

Dann der schweigend­e Weg zu den Überresten der Gaskammern und Krematorie­n. Die Stufen hinab in die unterirdis­chen Räume kann man ahnen. Der Entkleidun­gsraum, die Gaskammer, die Öfen. Hier haben sie gearbeitet, die Ingenieure aus Erfurt. Haben Kapazitäte­n berechnet, Verbesseru­ngsvorschl­äge gemacht, die Ss-leute beraten, montiert.

Die Lüftungskl­appen für die Gaskammern, damit sich die Wartezeite­n zwischen dem Töten verkürzen. 1000 bis 1500 Menschen in 15 Minuten. Die Öfen, fünf Stück mit jeweils drei Verbrennun­gskammern in den Krematorie­n II und III, dazu noch einmal je einer mit acht Kammern in zwei weiteren Krematorie­n. Um die Leistung zu verbessern, haben sie beim Töten zugesehen, ihre ingenieurt­echnischen Schlüsse gezogen und nach Erfurt depeschier­t. Hier hat Monteur Heinrich Messing in einer Woche so viel gearbeitet, dass er 35 Überstunde­n anhäufte, die er auf seiner Arbeitszei­tbescheini­gung protokolli­erte. Was ging ihm durch den Kopf, wenn er sich am Abend in sein Gästebett legte? Oder dem Ingenieur Kurt Prüfer, der mindestens ein Dutzend Mal nach Auschwitz fuhr? Was dachten die Ingenieure an ihren Reißbrette­rn in Erfurt, die Damen im Sekretaria­t, wenn sie die Telefonnot­izen und Auftragsli­sten abtippten?

Seit sechs Jahren erforscht und dokumentie­rt der Erinnerung­sort Topf & Söhne diese Geschäftsp­artnerscha­ft des Mordens. Aber es ist etwas anderes, dies an diesem Ort dokumentie­rt zu sehen.

Man könnte sagen, diese Ausstellun­g an diesem Ort ist eine notwendige und überfällig­e Bringepfli­cht der Stadt Erfurt.

Zur Ausstellun­gseröffnun­g in der ehemaligen Wäschereib­aracke im Stammlager gibt es viele Reden. Der Oberbürger­meister der Stadt Oswiecim spricht von der Last, die seiner Stadt für alle Zeiten auferlegt wurde. Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow von der Verantwort­ung und vom Blick zurück, der niemals zu vergessen sei.

Im vergangene­n Jahr kamen zwei Millionen Besucher, aus der ganzen Welt. Erfurt wird für sie an diesem Ort nicht die liebliche deutsche Stadt mit Lutherverg­angenheit und pittoreske­n Gässchen sein. Sondern die Stadt, aus der die Öfen für Auschwitz kamen.

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