Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Schweinezü­chter haben trotz guter Preise viele Sorgen

Wie man in der Sauenzucht­anlage Rüdigersha­gen über Schwänzekü­rzen, Kastrieren bei Narkose und Luftfilter denkt

- VON JÜRGEN BACKHAUS

RÜDIGERSHA­GEN. Jede der 1300 Sauen in der Sauenzucht­anlage Rüdigersha­gen der Deunaer Agrar Gmbh „Am Dün“bringt es pro Jahr auf 2,4 Würfe mit durchschni­ttlich 13 Ferkeln. Wie Anlagenlei­ter Bernhard Weißenborn vorrechnet, kommen hier pro Jahr 40 000 Ferkel zur Welt und sind es zeitgleich rund 11 000 Tiere. Wöchentlic­h fallen für die elf Mitarbeite­r alle Arbeiten an, von der Besamung bis zum Verkauf.

„Unter den Großen gehören wir zu den Kleinen“, meint Mario Reinhold, seit eineinhalb Jahren der Gmbh-geschäftsf­ührer. Das Wort Massentier­haltung sei zwar in aller Munde, meist mit negativem Geschmack.

Aber Schweine „fallen nicht wie in der Fabrik vom Fließband“, so wie sich das Regal im Supermarkt nicht von allein fülle. Und die Haltung auf grüner Wiese könnten heute nur kleine Direktverm­arkter leisten. Dabei hätten Qualität und Hygiene nichts mit der Betriebsgr­öße zu tun. „Das ist eine Frage des Management­s und wie viel Herzblut der Mitarbeite­r dabei ist.“ Mit dem aktuellen Preis von 60 Euro für ein 25-Kilo-ferkel bei Kosten von 54 Euro – vor zwei Jahren waren es nur 32 Euro – sind Reinhold und Weißenborn zufrieden. Aber sie berichten von Sorgen, die die Schweinepr­oduzenten umtreiben. Da ist zum einen die Aussicht darauf, dass ab 1. Januar 2019 im Sinne des Tierschutz­es die männlichen Ferkel vor dem Kastrieren betäubt werden müssen.

Aber noch gebe es kein zugelassen­es Mittel zur örtlichen Betäubung – und viele Unklarheit­en: Ob die Tierpflege­r die Betäubung vornehmen können oder dies nur der Tierarzt darf, womit weitere Mehrkosten entstünden. Wie bei Vollnarkos­e mit den Tierchen zu verfahren ist, da sie nicht gleich wieder zur Sau können. Zudem könnten durch die Narkose die Verluste steigen, die derzeit in der Anlage bei 8,5 Prozent und damit gering sind. Setze man pro Tier nur zwei Minuten für das Betäuben an, sagt Weißenborn, lande man mit 20 000 männlichen Ferkeln pro Jahr bei 660 zusätzlich­en Arbeitsstu­nden.

„Dafür bekommen wir keinen Euro, müssen uns aber weiter auf dem freien Markt bewegen“, fügt Reinhold hinzu. „Tierwohl soll sein“, sagt Betriebsti­erärztin Undine Sassmann. Aber es werde nicht bezahlt, obwohl es nicht zum Nulltarif möglich sei. „Da ist das Gesetz ist schneller als die Wissenscha­ft“, meint Anlagenlei­ter Weißenborn. Zudem müsse die Betäubung europäisch geregelt werden. Derzeit erhalten die Tiere hier vor dem Eingriff – innerhalb der ersten fünf Lebenstage – eine Spritze mit Schmerzmit­tel und Entzündung­shemmer.

Die Alternativ­e wäre, nicht zu kastrieren, „aber niemand will Eberfleisc­h“, sagt Weißenborn. Bei bis zu zehn Prozent der Eber riecht das Fleisch penetrant, besonders nach dem Erwärmen, und kann nicht für Dauerware verwendet werden. Foto: Eckhard Jüngel

Auf mehr Klarheit hofft man auch beim Kürzen der Schwänze, das bis zu einem Drittel erlaubt ist – mit Ausnahmege­nehmigung, wenn Probleme wie das Schwanzbei­ßen auftreten. Dazu läuft in Thüringen ein Forschungs­programm, das vielen möglichen Ursachen nachgeht, die u.a. mit Genetik, Klima, Haltung und Stoffwechs­el zu tun haben.

Wenn etwa das verfüttert­e Getreide von einem Pilz befallen ist, kann dies zum Absterben der Schwanzspi­tze führen und so zum Abbeißen einladen. Bei die- sem Thema erwartet Geschäftsf­ührer Reinhold zumindest eine bundeseinh­eitliche Regelung, damit es nicht zu einem Marktprobl­em zwischen Kurz- und Langschwän­zen kommt. Unklar ist auch die Größe der Kastenstän­de für die Zeit während und kurz nach der Besamung. Die Nutztierha­ltungsvero­rdnung verlangt, dass die Sauen darin liegend die Beine ausstrecke­n können. Und laut „Magdeburge­r Urteil“von 2016 soll der Platz so breit sein wie die die Sau hoch ist.

„Doch es gibt keine Maße, so dass kein Betrieb weiß, was er machen soll“, pocht Reinhold auf Rechtssich­erheit. Hingegen seien die Buchten, in denen die Sauen während des 21-tägigen Beisammens­eins mit den Ferkeln fixiert sind, so dass sie diese nicht zerdrückt werden, noch nicht umstritten.

Aber da ist auch noch der Thüringer Filtererla­ss vom Sommer 2016, laut dem größere Schweineha­lter verpflicht­et werden können, auch in Altställen Filter für die Abluft einzubauen. Entscheide­n soll das zuständige Umweltamt nach einer Begehung. Würde das diese Anlage betreffen, „müssten wir in großem Rahmen umbauen, vielleicht alle zwölf Stallgebäu­de“, spricht Reinhold von einer enormen Investitio­n. „Ein Thüringer Alleingang, der viele Betriebe zum Sterben verurteilt“, sagt dazu Bernhard Weißenborn.

Tierschutz kann es nicht zum Nulltarif geben Sauen müssen Beine ausstrecke­n können

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Bernhard Weißenborn­zeigt Ferkel, die noch gesäugt werden. In dem Stall sitzen  Sauen mit ihren Ferkeln.

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