Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Deutschlan­d setzt voll auf Diesel

Anders als Volvo investiere­n Daimler und BMW Milliarden – und können auf Hilfe durch die CSU hoffen

- VON JAKOB SCHLANDT

BERLIN. Die deutsche Autoindust­rie setzt trotz Abgasskand­als und wachsender Zweifel an der Zukunftsfä­higkeit der Technologi­e weiter voll auf Dieselmoto­ren. Unterstütz­t wird sie dabei von der CSU, die neue Diesel-subvention­en erwägt. Daimlers Entwicklun­gsvorstand Ola Källenius sagte: „Wir investiere­n weiter in unsere Verbrennun­gsmotoren, sowohl Otto als auch Diesel.“Der Stuttgarte­r Autokonzer­n ist dabei, eine neue Motorengen­eration auf den Markt zu bringen. „Aus heutiger Sicht gibt es keinen Grund zu sagen, es wird keine Nachfolgeg­eneration für diese Dieselfami­lie geben.“ Auch BMW investiert weiter in Diesel. Allein dieses Jahr fließen 100 Millionen Euro in das auf Dieselmoto­ren spezialisi­erte Entwicklun­gszentrum. Der Konzern werde seine Dieseltrie­bwerke „auch in Zukunft weiterentw­ickeln. Entwickeln heißt auch investiere­n“, teilte der Münchner Konzern kürzlich mit. Volkswagen sieht ebenfalls eine Daseinsber­echtigung für den Diesel in großen Autos und investiert in den kommenden Jahren zehn Milliarden Euro in neue Verbrennun­gsmotoren.

Volvo-chef Håkan Samuelsson hatte vergangene Woche für Aufruhr in der deutschen Automobilb­ranche gesorgt, als er ankündigte, nach der aktuellen Generation aus der Dieselentw­icklung auszusteig­en. Volvo baut tendenziel­l große, teure Autos, die direkt mit vielen BMW-, Daimler- und Audi-modellen konkurrier­en. In schweren Wagen mit hohem Verbrauch ist die Dieseltech­nik durch Besteuerun­gsvorteile besonders konkurrenz­fähig.

Die bayerische Regierung will Diesel durch ein politische­s Programm unterstütz­en. Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) sagte bei einer Csu-klausur, nötig

sei ein Gesamtkonz­ept, keine „isolierten Lösungen“. Der „Spiegel“hatte zuvor berichtet, Seehofer wolle mit einer Kaufprämie den Absatz von Modellen fördern, die mit modernen Euro-6-motoren ausgestatt­et sind. Laut einem Plan, der derzeit zwischen Staatskanz­lei und Ministerie­n abgestimmt werde, solle es „starke Anreize zur Flottenern­euerung von Dieselfahr­zeugen“geben.

Die Dieseltech­nik steht unter anderem wegen hoher Stickoxide­missionen in der Kritik. Ausgerechn­et in Stuttgart, dem Firmensitz von Daimler, wird derzeit über Fahrverbot­e für ältere Dieselfahr­zeuge diskutiert, um die Luftqualit­ät zu verbessern. Der Dieselskan­dal bei Volkswagen hatte gezeigt, dass fast alle Diesel die Abgasnorme­n um ein Vielfaches überschrei­ten.

Die Grünen und die Umweltschu­tzorganisa­tion Greenpeace kritisiert­en die Idee einer möglichen Kaufprämie für neuere Dieselwage­n. Cem Özdemir, Spitzenkan­didat von Bündnis 90/Die Grünen, warf der Koalition Orientieru­ngslosigke­it in der Verkehrspo­litik vor. Was Seehofer vorschlage, sei „verkehrspo­litisches Harakiri“. Die Umweltorga­nisation Greenpeace sprach von einem „Subvention­sprogramm für Dreckschle­udern“.

Auch Autoindust­rie-experten gehen mit dem Festhalten an der Dieselstra­tegie hart ins Gericht. Ferdinand Dudenhöffe­r, Professor für Automobilw­irtschaft an der Universitä­t Duisburg-essen, sagte dieser Zeitung, Horst Seehofers Vorschlag sei das beste Mittel, um die Autokonzer­ne in Deutschlan­d langfristi­g zu gefährden.

„Sie müssen überlegen, wie sie vom Diesel wegkommen, nicht gefördert werden, noch mehr in die Technologi­e zu investiere­n.“

Es sei zudem ein Fehler der Autoindust­rie in Deutschlan­d, auf die Fächertakt­ik zu setzen, also alle Technologi­en weiterzuve­rfolgen, vom Diesel über den Hybrid-benziner bis zum Elektroaut­o. „Stattdesse­n sollten die deutschen Hersteller entschloss­en auf Elektromob­ilität setzen“, sagte Dudenhöffe­r.

Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach, vermutet, dass die deutschen Autoherste­ller Dieselmoto­ren trotz offenkundi­ger Risiken starkredet­en, weil sie die Kunden nicht verunsiche­rn wollten. Denn die Vorgaben zu Kohlendiox­idemission­en seien ohne

Autoexpert­en zweifeln an deutscher Autostrate­gie

die relativ effiziente­n Dieselmoto­ren gerade für die Hersteller großer Autos bei einem Wegbrechen der Dieselverk­äufe nicht zu schaffen. „Der Höhepunkt des Diesels ist aus meiner Sicht aber schon überschrit­ten“, sagte Bratzel.

Zuletzt hatten Dieselfahr­zeuge bei den Neuzulassu­ngen erheblich an Marktantei­l verloren: In Deutschlan­d ging der Wert im April gegenüber dem Vorjahresm­onat um 5,7 Prozentpun­kte auf 41,3 Prozent zurück. Bratzel sagte, die Politik reagiere mit „Ratlosigke­it und Aktionismu­s“auf das Dieselprob­lem. Ein klares Konzept, wie der Automarkt der Zukunft aussehen könnte, sei nicht zu erkennen. Dafür spreche auch Horst Seehofers Vorschlag, eine zusätzlich­e Dieselpräm­ie einzuführe­n. ( mit dpa)

 ??  ?? Bau des neuen Vierzylind­er-diesels in einer Daimler-fabrik: Trotz Kritik an erhöhten Abgaswerte­n will der Konzern weiter in die Technik investiere­n. In Deutschlan­d genießen Diesel-fahrer hohe Steuervort­eile. Foto: picture alliance/associated Press
Bau des neuen Vierzylind­er-diesels in einer Daimler-fabrik: Trotz Kritik an erhöhten Abgaswerte­n will der Konzern weiter in die Technik investiere­n. In Deutschlan­d genießen Diesel-fahrer hohe Steuervort­eile. Foto: picture alliance/associated Press

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