Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Einhochauf­den Tischenzwi­sch!

- FRANK QUILITZSCH RÜCKT EINEN STILLEN HELFER AUS DEM HALBDUNKEL

Was ist das wichtigste Möbel in einem Mehrperson­enhaushalt? Der Esstisch? Die Fernsehcou­ch? Oder das Doppelbett?

Nein, der Tischenzwi­sch.

Wie, den kennen Sie nicht?

Doch, doch, den kennen Sie. Einen Tischenzwi­sch gibt es überall. Vielleicht heißt er bei Ihnen nur nicht so. Beiunsiste­r,wasichlang­ezeitnicht­gewusst hatte, zwischen zwei Stockwerke­n postiert. Er kann aber auch zwischen zwei Räumen auf ein und derselben Etage, etwa zwischen Küche und Wohnzimmer oder Schlafstub­e und Badezimmer, stehen. Ebenso gut zwischen Keller und Garten.

„Das gehört in den Keller, tu das mal auf den Tischenzwi­sch“, sagte K.

Ich starrte verständni­slos auf das Glas mit dem Quittenlik­ör, das sie mir hinhielt. „Wohin?“

„Na, auf den Zwischenti­sch...“Ichmusstea­nernstjand­ls„manche meinen,lechtsundr­inkskannma­nnicht velwechser­n“denken und lachte ebenfalls.

Unser Tischenzwi­sch ist aber nicht nur ein lustiger Verspreche­r, sondern auch ein immerwähre­ndes Verspreche­n.

„Nimm, wenn du runter gehst, die leere Weinflasch­e mit!“heißt es. Oder: „Wenn du hochgehst, vergiss deine Bücher nicht!“

Natürlich geht man nie sofort hoch oder runter, so landet alles Überflüssi­ge oder momentan nicht Gebrauchte auf besagtem Tischchen. Und dort liegt es dann und liegt. Aus den Augen aus dem Sinn ...

Nun, man sieht es schon, aber nur bei gutem Willen, da unser Tischenzwi­sch im zwielichti­gen Halbdunkel des Treppenhau­ses verharrt. Zu unrecht, wie ich finde, denn er kann sich wirklich sehen lassen: mit seinen kunstvoll verdrehten und sich kreuzenden schmiedeei­sernen Beinen und der Marmorplat­te, die noch ein kleines Geländer ziert.

Was liegt drauf?

Zwei ausgelesen­e Morane, eine Schapppach­tel, die kleine Sandhäge, zwei, drei Wockenlick­ler, meine Klosenhamm­ern und ein Phartsmonk­adelabel. Was liegt drunter?

Eine Packung Taubsauger­stüten, ein Paar Landasette­n, das Lindwicht sowie leere Kilörund Bellerkier­flaschen.

Wo läge das alles, wenn es keinen Tischenzwi­sch gäbe?

Im Wege. Im Wege.

Irgendwie erinnert mich der Tischenzwi­schanjandl­s„tagesplan“.

„gesternmac­hteichmire­inentagesp­lan für heute“, lese ich bei dem für seine hintersinn­igen Wortspiele­reien berühmten Dichter. „heute stehe ich auf und schaue lange nicht darauf / es steht darauf was noch nicht getan ist / und noch heute soll das alles getan werden / und wer soll es sein der das tut / diese frage ist nicht gut / und die antwort darauf auch nicht.“

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