Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Neue Aufgaben für die Feuerwehr
Innenstaatssekretär Udo Götze im Tlzinterview: Allein 4000 Einsatzkräfte haben Berührung mit Iceneubaustrecke
ERFURT. Die Thüringer Feuerwehren stehen vor großen Herausforderungen: Neue Strukturen werfen mit Blick auf die Gebietsreform ihre Schatten voraus, die Mitgliedergewinnung wird immer schwieriger – und nicht zuletzt müssen an der Landesfeuerwehrschule erhebliche Probleme beseitigt werden. Innenstaatssekretär Udo Götze (SPD) stand dazu im Tlz-gespräch Rede und Antwort:
Was bewegt die Kameradinnen und Kameraden derzeit besonders?
Die vier Regionalkonferenzen des Thüringer Feuerwehrverbandes sind eine gute Gelegenheit, in angenehmer Atmosphäre direkt mit der Feuerwehrbasis und politischen Vertretern ins Gespräch zu kommen und verschiedene Themen auch kontrovers zu diskutieren. Bereits im vergangenen Jahr nahmen die Mitarbeiter meines Fachreferats und ich selbst an allen Regionalkonferenzen teil. Die Kameradinnen und Kameraden stellen sich die Frage: Wie geht es weiter mit meiner Wehr? Es ist ihnen ein besonderes Anliegen, dass sie vor Ort leistungsfähig sind und anerkannt werden – von der Bevölkerung, von den Kommunalpolitikern, aber auch von der Landespolitik.
Wie geht es denn weiter mit den Wehren vor Ort, wo jetzt Ängste herrschen, dass sie dicht gemacht werden könnten, wenn eine Gebietsreform, wie auch immer diese aussieht, doch noch kommt? Diese Ängste habe ich in den Regionalkonferenzen so deutlich nicht vernehmen können. Es wird als Thema artikuliert, aber es wird auch als Chance wahrgenommen. Man erkennt sehr genau, vor welchen Schwierigkeiten und Herausforderungen die Feuerwehren in den nächsten Jahren stehen werden.
Welche sind das?
Stichwort demografischer Wandel. Die Gewährleistung der Tageseinsatzbereitschaft wird immer schwieriger, wenn ich auf immer weniger junge und leistungsfähige Menschen in der Wehr zurückgreifen kann.
Größere kommunale Strukturen und damit möglicherweise einhergehende größere Feuerwehrstrukturen lösen dieses Problem der Tageseinsatzbereitschaft nicht, oder? Größere Strukturen produzieren aber die Basis dafür, das Ehrenamt bestmöglich zu unterstützen und in andere Planungsund Bedarfsprozesse beispielsweise bei Alarm- und Ausrückeordnung oder Standort- und Technikkonzept einsteigen zu können. Hier macht es natürlich Sinn, für ein größeres Gemeindegebiet das Ganze anzuschauen und langfristige Planungen auf die Situation des zurückgehenden Personals in den Einsatzabteilungen auszurichten. Einige Teilnehmer erlebten bereits eine Eingemeindung und berichteten in diesem Zusammenhang positiv von Synergieeffekten, gerade im Bereich der Ausbildung, Beschaffung und Technikvorhaltung oder Spezialisierung von Sondertechnik.
Verkleinerte Einsatzgebiete von Ortsteilfeuerwehren? Nein, die Einsatzgrundzeiten sind rechtlich vorgegeben und hier wird es auch keine Änderung geben. Es geht vielmehr um Standorte, die Erhaltung dieser und die Schaffung der Voraussetzungen dafür im Gemeindehaushalt. Ich plädiere für möglichst viele Standorte, um damit auch mit einer Vielzahl von engagierten Einsatzkräften auf das Demografie-problem reagieren und somit die Mindeststärken erreichen zu können.
Inwieweit muss für das Feuerwehrwesen von Seiten des Landes mehr Geld in den kommenden Jahren zur Verfügung gestellt werden?
In diesem wichtigen Bereich müssen alle Aufgabenträger ein hohes Interesse an einer dauerhaft soliden Finanzausstattung haben. Dies werden wir nach Kräften unterstützen. Aber das Land kann und wird nicht darüber befinden, wie viele Arbeitskräfte eine Gemeinde beschäftigt.
Das wäre weit weg von kommunaler Selbstverwaltung. Zu weit weg.
In der Landesfeuerwehrschule können Lehrgänge aktuell nicht angeboten werden. Wie soll dieser Missstand behoben werden?
Die Thüringer Landesfeuerwehrund Katastrophenschutzschule (TLFKS) ist für Freiwillige Feuerwehren eine extrem wichtige Einrichtung, denn dort erfolgt die zentrale Ausbildung für sämtliche Führungs- und Sonderlehrgänge. Wir sind dort in einer sehr schwierigen Phase der Neuorientierung. Es müssen Lehrgangsangebote überprüft
„Größere Strukturen produzieren die Basis dafür, das Ehrenamt bestmöglich zu unterstützen.“Innenstaatssekretär Udo Götze (SPD) mit Blick auf die Herausforderungen für die Thüringer Feuerwehren
und aktualisiert werden, außerdem haben wir Aufgaben hinzubekommen. Zum Beispiel die Gefahrenabwehr in den Schienentunneln, denn etwa 4000 Einsatzkräfte haben Berührungspunkte zur Ice-neubaustrecke VDE 8. Dies ist das größte Verkehrsinfrastrukturprojekt in Deutschland und aufgrund der vielen Tunnel- und Brückenbauwerke aus Sicht der Gefahrenabwehr einer der anspruchsvollsten Streckenabschnitte. Dafür müssen entsprechende Schulungen permanent stattfinden. Auch die Einführung des Digitalfunks ist mit Schulungskonzepten zu begleiten. Ergänzend sind neue gesetzliche Vorgaben zu berücksichtigen, zum Beispiel die Weiter- und Fortbildung für Leitstellendisponenten. Nicht zu vergessen ist die gestiegene Zahl der Laufbahnlehrgänge der Berufsfeuerwehren, welche umfangreiche Ressourcen binden. Zudem meistert die TLFKS aktuell die bereits vorhandenen umfangreichen Aufgaben ohne jegliche personelle Reserve.
Bei all den Aufgaben müssen Lehrgänge kurzfristig abgesagt werden …
…was nicht akzeptabel ist. Die begrenzte Personalsituation und vorhandene bauliche Mängel spielen dabei eine große Rolle. Diese Mängel müssen wir beheben, das wird auch schon seit längerem diskutiert. Aber wir stellen uns diesen Problemen und werden diese schnell lösen!
Wie schnell?
Wir müssen hier sehen, wie wir kurz- und langfristig für eine deutliche personelle Entlastung an der Landesfeuerwehrschule sorgen können. Es ist ebenfalls nötig, gegenüber den kommunalen Aufgabenträgern konkurrenzfähig werden: ein Feuerwehrbeamter in einer Berufsfeuerwehr verdient bis zu 400 Euro mehr als ein Landesbeamter im feuerwehrtechnischen Dienst. Aus diesem Grund verliert unter anderem die TLFKS mindestens eine Lehrkraft jährlich. Hier müssen wir aktiv entgegenwirken.
Wie soll das aussehen?
Ein erster Schritt ist die geplante Einführung der Feuerwehrzulage für Lehrkräfte an der TLFKS. Darüber hinaus werden wir in den nächsten Jahren die bauliche Situation verbessern. Hierzu stehe ich mit meinem Amtskollegen aus dem Infrastrukturministerium nicht zuletzt im Interesse einer Beschleunigung der dringend notwendigen Arbeiten in engem Kontakt. Eine dringend nötige Sofortmaßnahme steht vor dem Abschluss. Für etwa 100 000 Euro werden Fußböden, Fenster und Beleuchtung in den Sozialräumen ausgetauscht. Außerdem wurde die Küche umgebaut und modernisiert, leider dauerte dies fast zehn Monate länger als geplant. Den größten Brocken in der langfristigen Planung bilden die Sanierung der Lehr- und Unterkunftsgebäude und die Errichtung eines neuen Lehrsaalgebäudes, für die auch wegen der neu hinzu gekommenen Aufgaben aktuell der Bauantrag überarbeitet wird. Allein für diese Maßnahmen werden mehr als 15 Millionen Euro veranschlagt. Außerdem geht es um den Neubau einer Ausbildungs- und Fahrzeughalle mit einem Kostenvolumen von über fünf Millionen Euro bis 2020 und eine Bahntunnel-übungsanlage für etwa zwei Millionen Euro bis 2019 in Crossen.