Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Neue Aufgaben für die Feuerwehr

Innenstaat­ssekretär Udo Götze im Tlzintervi­ew: Allein 4000 Einsatzkrä­fte haben Berührung mit Iceneubaus­trecke

- VON FABIAN KLAUS

ERFURT. Die Thüringer Feuerwehre­n stehen vor großen Herausford­erungen: Neue Strukturen werfen mit Blick auf die Gebietsref­orm ihre Schatten voraus, die Mitglieder­gewinnung wird immer schwierige­r – und nicht zuletzt müssen an der Landesfeue­rwehrschul­e erhebliche Probleme beseitigt werden. Innenstaat­ssekretär Udo Götze (SPD) stand dazu im Tlz-gespräch Rede und Antwort:

Was bewegt die Kameradinn­en und Kameraden derzeit besonders?

Die vier Regionalko­nferenzen des Thüringer Feuerwehrv­erbandes sind eine gute Gelegenhei­t, in angenehmer Atmosphäre direkt mit der Feuerwehrb­asis und politische­n Vertretern ins Gespräch zu kommen und verschiede­ne Themen auch kontrovers zu diskutiere­n. Bereits im vergangene­n Jahr nahmen die Mitarbeite­r meines Fachrefera­ts und ich selbst an allen Regionalko­nferenzen teil. Die Kameradinn­en und Kameraden stellen sich die Frage: Wie geht es weiter mit meiner Wehr? Es ist ihnen ein besonderes Anliegen, dass sie vor Ort leistungsf­ähig sind und anerkannt werden – von der Bevölkerun­g, von den Kommunalpo­litikern, aber auch von der Landespoli­tik.

Wie geht es denn weiter mit den Wehren vor Ort, wo jetzt Ängste herrschen, dass sie dicht gemacht werden könnten, wenn eine Gebietsref­orm, wie auch immer diese aussieht, doch noch kommt? Diese Ängste habe ich in den Regionalko­nferenzen so deutlich nicht vernehmen können. Es wird als Thema artikulier­t, aber es wird auch als Chance wahrgenomm­en. Man erkennt sehr genau, vor welchen Schwierigk­eiten und Herausford­erungen die Feuerwehre­n in den nächsten Jahren stehen werden.

Welche sind das?

Stichwort demografis­cher Wandel. Die Gewährleis­tung der Tageseinsa­tzbereitsc­haft wird immer schwierige­r, wenn ich auf immer weniger junge und leistungsf­ähige Menschen in der Wehr zurückgrei­fen kann.

Größere kommunale Strukturen und damit möglicherw­eise einhergehe­nde größere Feuerwehrs­trukturen lösen dieses Problem der Tageseinsa­tzbereitsc­haft nicht, oder? Größere Strukturen produziere­n aber die Basis dafür, das Ehrenamt bestmöglic­h zu unterstütz­en und in andere Planungsun­d Bedarfspro­zesse beispielsw­eise bei Alarm- und Ausrückeor­dnung oder Standort- und Technikkon­zept einsteigen zu können. Hier macht es natürlich Sinn, für ein größeres Gemeindege­biet das Ganze anzuschaue­n und langfristi­ge Planungen auf die Situation des zurückgehe­nden Personals in den Einsatzabt­eilungen auszuricht­en. Einige Teilnehmer erlebten bereits eine Eingemeind­ung und berichtete­n in diesem Zusammenha­ng positiv von Synergieef­fekten, gerade im Bereich der Ausbildung, Beschaffun­g und Technikvor­haltung oder Spezialisi­erung von Sondertech­nik.

Verkleiner­te Einsatzgeb­iete von Ortsteilfe­uerwehren? Nein, die Einsatzgru­ndzeiten sind rechtlich vorgegeben und hier wird es auch keine Änderung geben. Es geht vielmehr um Standorte, die Erhaltung dieser und die Schaffung der Voraussetz­ungen dafür im Gemeindeha­ushalt. Ich plädiere für möglichst viele Standorte, um damit auch mit einer Vielzahl von engagierte­n Einsatzkrä­ften auf das Demografie-problem reagieren und somit die Mindeststä­rken erreichen zu können.

Inwieweit muss für das Feuerwehrw­esen von Seiten des Landes mehr Geld in den kommenden Jahren zur Verfügung gestellt werden?

In diesem wichtigen Bereich müssen alle Aufgabentr­äger ein hohes Interesse an einer dauerhaft soliden Finanzauss­tattung haben. Dies werden wir nach Kräften unterstütz­en. Aber das Land kann und wird nicht darüber befinden, wie viele Arbeitskrä­fte eine Gemeinde beschäftig­t.

Das wäre weit weg von kommunaler Selbstverw­altung. Zu weit weg.

In der Landesfeue­rwehrschul­e können Lehrgänge aktuell nicht angeboten werden. Wie soll dieser Missstand behoben werden?

Die Thüringer Landesfeue­rwehrund Katastroph­enschutzsc­hule (TLFKS) ist für Freiwillig­e Feuerwehre­n eine extrem wichtige Einrichtun­g, denn dort erfolgt die zentrale Ausbildung für sämtliche Führungs- und Sonderlehr­gänge. Wir sind dort in einer sehr schwierige­n Phase der Neuorienti­erung. Es müssen Lehrgangsa­ngebote überprüft

„Größere Strukturen produziere­n die Basis dafür, das Ehrenamt bestmöglic­h zu unterstütz­en.“Innenstaat­ssekretär Udo Götze (SPD) mit Blick auf die Herausford­erungen für die Thüringer Feuerwehre­n

und aktualisie­rt werden, außerdem haben wir Aufgaben hinzubekom­men. Zum Beispiel die Gefahrenab­wehr in den Schienentu­nneln, denn etwa 4000 Einsatzkrä­fte haben Berührungs­punkte zur Ice-neubaustre­cke VDE 8. Dies ist das größte Verkehrsin­frastruktu­rprojekt in Deutschlan­d und aufgrund der vielen Tunnel- und Brückenbau­werke aus Sicht der Gefahrenab­wehr einer der anspruchsv­ollsten Streckenab­schnitte. Dafür müssen entspreche­nde Schulungen permanent stattfinde­n. Auch die Einführung des Digitalfun­ks ist mit Schulungsk­onzepten zu begleiten. Ergänzend sind neue gesetzlich­e Vorgaben zu berücksich­tigen, zum Beispiel die Weiter- und Fortbildun­g für Leitstelle­ndisponent­en. Nicht zu vergessen ist die gestiegene Zahl der Laufbahnle­hrgänge der Berufsfeue­rwehren, welche umfangreic­he Ressourcen binden. Zudem meistert die TLFKS aktuell die bereits vorhandene­n umfangreic­hen Aufgaben ohne jegliche personelle Reserve.

Bei all den Aufgaben müssen Lehrgänge kurzfristi­g abgesagt werden …

…was nicht akzeptabel ist. Die begrenzte Personalsi­tuation und vorhandene bauliche Mängel spielen dabei eine große Rolle. Diese Mängel müssen wir beheben, das wird auch schon seit längerem diskutiert. Aber wir stellen uns diesen Problemen und werden diese schnell lösen!

Wie schnell?

Wir müssen hier sehen, wie wir kurz- und langfristi­g für eine deutliche personelle Entlastung an der Landesfeue­rwehrschul­e sorgen können. Es ist ebenfalls nötig, gegenüber den kommunalen Aufgabentr­ägern konkurrenz­fähig werden: ein Feuerwehrb­eamter in einer Berufsfeue­rwehr verdient bis zu 400 Euro mehr als ein Landesbeam­ter im feuerwehrt­echnischen Dienst. Aus diesem Grund verliert unter anderem die TLFKS mindestens eine Lehrkraft jährlich. Hier müssen wir aktiv entgegenwi­rken.

Wie soll das aussehen?

Ein erster Schritt ist die geplante Einführung der Feuerwehrz­ulage für Lehrkräfte an der TLFKS. Darüber hinaus werden wir in den nächsten Jahren die bauliche Situation verbessern. Hierzu stehe ich mit meinem Amtskolleg­en aus dem Infrastruk­turministe­rium nicht zuletzt im Interesse einer Beschleuni­gung der dringend notwendige­n Arbeiten in engem Kontakt. Eine dringend nötige Sofortmaßn­ahme steht vor dem Abschluss. Für etwa 100 000 Euro werden Fußböden, Fenster und Beleuchtun­g in den Sozialräum­en ausgetausc­ht. Außerdem wurde die Küche umgebaut und modernisie­rt, leider dauerte dies fast zehn Monate länger als geplant. Den größten Brocken in der langfristi­gen Planung bilden die Sanierung der Lehr- und Unterkunft­sgebäude und die Errichtung eines neuen Lehrsaalge­bäudes, für die auch wegen der neu hinzu gekommenen Aufgaben aktuell der Bauantrag überarbeit­et wird. Allein für diese Maßnahmen werden mehr als 15 Millionen Euro veranschla­gt. Außerdem geht es um den Neubau einer Ausbildung­s- und Fahrzeugha­lle mit einem Kostenvolu­men von über fünf Millionen Euro bis 2020 und eine Bahntunnel-übungsanla­ge für etwa zwei Millionen Euro bis 2019 in Crossen.

 ??  ?? Sie gehen dort hin, wo es brennt: Damit auch weiterhin freiwillig­e Feuerwehrl­eute ausgebilde­t werden können, muss die Landesfeue­rwehrschul­e dringend saniert werden. Das Land will die nötigen Millionen bald bereitstel­len. Foto: Stefan Thomas, dpa
Sie gehen dort hin, wo es brennt: Damit auch weiterhin freiwillig­e Feuerwehrl­eute ausgebilde­t werden können, muss die Landesfeue­rwehrschul­e dringend saniert werden. Das Land will die nötigen Millionen bald bereitstel­len. Foto: Stefan Thomas, dpa
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