Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Gericht: Niederland­e hat Teilschuld an Srebrenica

Haager Gericht urteilt zum Massaker von 1995 – Blauhelme hätten 350 bosnische Männer schützen müssen

- VON ADELHEID WÖLFL

SARAJEWO. Die Vertreteri­n der Opferorgan­isation „Mütter von Srebrenica“Munira Subašić, die geklagt hatte, reagierte enttäuscht und kündigte an, vor den Menschenge­richtsgeri­chtshof zu gehen. Der Hohe Rat, ein niederländ­isches Berufungsg­ericht hat am Dienstag teilweise ein Urteil aus dem Jahr 2014 bestätigt. Demnach ist der niederländ­ische Staaat nur zu 30 Prozent für die schmerzlic­hen Verluste der Angehörige­n von im Juli 1995 rund um Srebrenica Ermordeten verantwort­lich, weil niederländ­ische Soldaten diese damals nicht geschützt hatten.

Konkret geht es um 350 Männer – ein Teil jener 8000 Bosnier mit muslimisch­en Namen, die im Juli 1995 rund um Srebrenica ermordet wurden. Nach der Eroberung der ostbosnisc­hen Stadt am 11. Juli durch die Armee der bosnischen Serben (VRS) hatten Tausende Bosnier im Lager der niederländ­ischen Un-soldaten (Dutchbat) in der Nähe der Stadt Zuflucht gesucht.

Als Busse kamen, um die Leute abzuholen, wurden die Männer von bosnisch-serbischen Einheiten „herausgeho­lt“. Angeblich suchte die VRS nach Kriegsverb­rechern – tatsächlic­h wurden diese Menschen kurze Zeit später erschossen. Das Haager Gericht urteilte, dass das Dutchbat wusste, dass die männlichen Flüchtling­e Gefahr laufen würden, exekutiert zu werden. Demnach hätten die Un-soldaten nicht dabei helfen dürfen, die Flüchtling­e in Gruppen einzuteile­n und sie zu den Bussen zu schleusen, denn dies hätte es „für die bosnischen Serben erleichter­t, die Männer abzusonder­n“, so das Urteil des Gerichts.

Das Dutchbat hätte den männlichen Flüchtling­en vielmehr die Möglichkei­t geben sollen, auf ihrem Areal zu bleiben, um sie zu schützen. „Möglicherw­eise hätten sie trotzdem nicht überlebt, weil die bosnischen Serben den Zugang von Versorgung­sgütern (Wasser, Nahrung) blockiert hätten oder die Männer mit Gewalt aus dem Lager geholt hätten, aber sie hätten in diesem Fall wenigstens eine Chance gehabt, zu überleben“, so das Gericht. Kompensati­onszahlung­en wurden von dem Gericht aber zurückgewi­esen.

In Bosnien-herzegowin­a wird gerade versucht, eine Gesetzgebu­ng gegen das Leugnen des Genozids durchzuset­zen. Kürzlich wurde in der Schweiz der Politiker Donatello Poggi wegen Diskrimini­erung verurteilt, weil er in zwei Artikel geschriebe­n hatte, dass Srebrenica eine „Propaganda-lüge“sei.

 ??  ?? Muslimisch­e Frauen trauern um die Opfer des massakers vom Jahr . Foto:dado Ruvic
Muslimisch­e Frauen trauern um die Opfer des massakers vom Jahr . Foto:dado Ruvic

Newspapers in German

Newspapers from Germany