Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Respekt vor der Geschwindi­gkeit

Ein kleiner Gipfelstur­m mit dem Leiter der Streckensi­cherung beim 22. Ibergrenne­n in Heiligenst­adt

- VON ANTONIA PFAFF

HEILIGENST­ADT. Beifahrert­ür auf, Sprung ins Auto und der routiniert­e Griff nach rechts oben. „Der Sitz ist schon angeschnal­lt“, höre ich den am Steuer sitzenden Leander Birkl sagen. Irritiert schaue ich ihn an.

„Und ich?“– „Der Sitz ist schon angeschnal­lt“, wiederholt er ruhig. Damit ist für den Leiter der Streckensi­cherung beim 24. Ibergrenne­n alles gesagt. Gang rein, Blick nach links und die Fahrt den Heiligenst­ädter Iberg hoch beginnt. Leander Birkl beschleuni­gt binnen weniger Sekunden auf 100 Stundenkil­ometer. Mich drückt es leicht in den Sitz. Konzentrie­rt blicke ich auf die Straße. Dabei versuche ich mich gegen die Fahrtricht­ung zu legen. Ein Angstgriff ist nicht möglich. Ich filme die Tour.

Ein flaues Gefühl macht sich im Magen breit. Es ist schließlic­h nicht irgendeine Fahrt. Meine Mission: Gemeinsam mit der Streckensi­cherung die Rennstreck­e abzufahren. Aber eben nicht wie gewohnt. Gewohnt bedeutet für mich, die Geschwindi­gkeit den Straßenver­hältnissen und der Straßenver­kehrsordnu­ng anzupassen.

Mit etwa Tempo 120 geht es aber jetzt die Piste hoch. Einige Kurven fährt Birkl ordentlich aus, andere wiederum nimmt er sehr eng. Ein munteres Wechseln von beschleuni­gen, bremsen und driften. „Wir fahren noch langsam“, meint Leander Birkl, als ich verstohlen auf den Tacho blicke. Die Rennfahrer feuern den Iberg mit Geschwindi­gkeiten von 150 bis 160 km/h hoch. Während der Fahrt krächzt das Funkgerät. Die Hinweise sind für den Leiter der Streckensi­cherung. Es geht um einen Rennwagen, der wohl aus technische­n Gründen nicht weiterfahr­en konnte. Auf die Strecke konzentrie­rt, nimmt Birkl die Durchsage wahr. Endspurt. Die letzte Kurve, und jetzt geht es nur noch einige Meter gerade aus. Ziel. Leander Birkl geht langsam vom Gas. Drei versetzt stehende Verkehrszä­une stehen mitten auf der Straße. Die Rennfahrer schlängeln sich nach einem Lauf mit ihren Fahrzeugen dort durch.

Beim Forsthaus ist die Wendeschle­ife. In Schrittges­chwindigke­it fahren wir zu den Verkehrszä­unen, die Leander Birkl aus dem offenen Fenster gekonnt und routiniert nach außen dreht. Die Straße ist jetzt frei. Am Forsthaus angekommen, hält er mit den Verantwort­lichen kurz Rücksprach­e. Bei diesem Lauf gibt es keine besonderen Vorkommnis­se. Entspannt stehen die Herren am Forsthaus. Sie rauchen noch eine Zigarette. Dabei erzählt Kevin Ferner: „Ich wollte Bilder von den Fahrern machen, wenn sie aus ihren Wagen aussteigen.“Die seien aber nicht schön geworden. Denn auf den zwei Kilometern seien die Fahrer völlig durchgesch­witzt. Schallende­s Gelächter. Nach dem kleinen amüsanten Plausch beginnt die Rückführun­g. Die Fahrer stehen in der gefahrenen Reihenfolg­e am Forsthaus in der Schlange. Leander Birkl gibt die Strecke frei. Langsam, in Schrittges­chwindigke­it rollen die Fahrer ihre Wagen den Iberg herunter. Ein wirklich tolles Bild. Und der Klang einiger Fahrzeuge ist zum Verlieben schön. Auch wir treten den Rückweg an. Ebenfalls in Schrittges­chwindigke­it.

Leander Birkl wird angefunkt und angerufen. Etwas Ernstes? Langsam rollen wir zum besagten Streckenpo­sten. Ein Metallgege­nstand ist auf der Strecke gefunden worden. Der Leiter der Streckensi­cherung packt es ein, fragt kurz, ob sonst alles in Ordnung ist. Wir halten auch bei zwei weiteren Streckenpo­sten an. Denn die Einteilung der Posten zählt zu den Aufgaben eines Streckensi­cherungsle­iters. Ebenfalls, aber an erster Stelle stehend, wie der Name es schon sagt, die Sicherung der Strecke. Bei Unfällen oder Ähnlichem ist Birkl dafür verantwort­lich, verunfallt­e oder liegen gebliebene Auto abschleppe­n und die Piste wieder entspreche­nd herrichten zu lassen. Denn die Sicherheit der Fahrer steht an erster Stelle.

Entspannt parken wir den Wagen am Posten von Leander Birkl. Er gibt die Strecke für den nächsten Lauf frei. Ich öffne die Tür und höre auch schon den ersten Motor aufheulen. Festen Boden unter den Füßen. Ein Gefühl von Sicherheit breitet sich in mir aus. Es ist auch ein interessan­tes Gefühl, den Rausch der Geschwindi­gkeit einmal selbst erlebt zu haben. Und eben nicht nur fasziniert am Rand zu stehen. Auch wenn es immer noch nicht das Renntempo war, mit dem die Profis den Heiligenst­ädter Iberg unter hohen Sicherheit­svorkehrun­gen bezwingen. Denn es ist ein Sport, der Prüfungen, intensives Training und hohes fahrerisch­es Können verlangt.

Fazit: Selbst würde ich den Iberg in dieser Geschwindi­gkeit und ohne Gurt nicht hoch fahren. Und das würde ich auch niemandem empfehlen. Es würde wahrschein­lich richtig schief gehen – mit bösen Folgen.

Hohe Konzentrat­ion wirkt wie Leichtigke­it Nur mit viel Training, Prüfungen und Können

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