Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Respekt vor der Geschwindigkeit
Ein kleiner Gipfelsturm mit dem Leiter der Streckensicherung beim 22. Ibergrennen in Heiligenstadt
HEILIGENSTADT. Beifahrertür auf, Sprung ins Auto und der routinierte Griff nach rechts oben. „Der Sitz ist schon angeschnallt“, höre ich den am Steuer sitzenden Leander Birkl sagen. Irritiert schaue ich ihn an.
„Und ich?“– „Der Sitz ist schon angeschnallt“, wiederholt er ruhig. Damit ist für den Leiter der Streckensicherung beim 24. Ibergrennen alles gesagt. Gang rein, Blick nach links und die Fahrt den Heiligenstädter Iberg hoch beginnt. Leander Birkl beschleunigt binnen weniger Sekunden auf 100 Stundenkilometer. Mich drückt es leicht in den Sitz. Konzentriert blicke ich auf die Straße. Dabei versuche ich mich gegen die Fahrtrichtung zu legen. Ein Angstgriff ist nicht möglich. Ich filme die Tour.
Ein flaues Gefühl macht sich im Magen breit. Es ist schließlich nicht irgendeine Fahrt. Meine Mission: Gemeinsam mit der Streckensicherung die Rennstrecke abzufahren. Aber eben nicht wie gewohnt. Gewohnt bedeutet für mich, die Geschwindigkeit den Straßenverhältnissen und der Straßenverkehrsordnung anzupassen.
Mit etwa Tempo 120 geht es aber jetzt die Piste hoch. Einige Kurven fährt Birkl ordentlich aus, andere wiederum nimmt er sehr eng. Ein munteres Wechseln von beschleunigen, bremsen und driften. „Wir fahren noch langsam“, meint Leander Birkl, als ich verstohlen auf den Tacho blicke. Die Rennfahrer feuern den Iberg mit Geschwindigkeiten von 150 bis 160 km/h hoch. Während der Fahrt krächzt das Funkgerät. Die Hinweise sind für den Leiter der Streckensicherung. Es geht um einen Rennwagen, der wohl aus technischen Gründen nicht weiterfahren konnte. Auf die Strecke konzentriert, nimmt Birkl die Durchsage wahr. Endspurt. Die letzte Kurve, und jetzt geht es nur noch einige Meter gerade aus. Ziel. Leander Birkl geht langsam vom Gas. Drei versetzt stehende Verkehrszäune stehen mitten auf der Straße. Die Rennfahrer schlängeln sich nach einem Lauf mit ihren Fahrzeugen dort durch.
Beim Forsthaus ist die Wendeschleife. In Schrittgeschwindigkeit fahren wir zu den Verkehrszäunen, die Leander Birkl aus dem offenen Fenster gekonnt und routiniert nach außen dreht. Die Straße ist jetzt frei. Am Forsthaus angekommen, hält er mit den Verantwortlichen kurz Rücksprache. Bei diesem Lauf gibt es keine besonderen Vorkommnisse. Entspannt stehen die Herren am Forsthaus. Sie rauchen noch eine Zigarette. Dabei erzählt Kevin Ferner: „Ich wollte Bilder von den Fahrern machen, wenn sie aus ihren Wagen aussteigen.“Die seien aber nicht schön geworden. Denn auf den zwei Kilometern seien die Fahrer völlig durchgeschwitzt. Schallendes Gelächter. Nach dem kleinen amüsanten Plausch beginnt die Rückführung. Die Fahrer stehen in der gefahrenen Reihenfolge am Forsthaus in der Schlange. Leander Birkl gibt die Strecke frei. Langsam, in Schrittgeschwindigkeit rollen die Fahrer ihre Wagen den Iberg herunter. Ein wirklich tolles Bild. Und der Klang einiger Fahrzeuge ist zum Verlieben schön. Auch wir treten den Rückweg an. Ebenfalls in Schrittgeschwindigkeit.
Leander Birkl wird angefunkt und angerufen. Etwas Ernstes? Langsam rollen wir zum besagten Streckenposten. Ein Metallgegenstand ist auf der Strecke gefunden worden. Der Leiter der Streckensicherung packt es ein, fragt kurz, ob sonst alles in Ordnung ist. Wir halten auch bei zwei weiteren Streckenposten an. Denn die Einteilung der Posten zählt zu den Aufgaben eines Streckensicherungsleiters. Ebenfalls, aber an erster Stelle stehend, wie der Name es schon sagt, die Sicherung der Strecke. Bei Unfällen oder Ähnlichem ist Birkl dafür verantwortlich, verunfallte oder liegen gebliebene Auto abschleppen und die Piste wieder entsprechend herrichten zu lassen. Denn die Sicherheit der Fahrer steht an erster Stelle.
Entspannt parken wir den Wagen am Posten von Leander Birkl. Er gibt die Strecke für den nächsten Lauf frei. Ich öffne die Tür und höre auch schon den ersten Motor aufheulen. Festen Boden unter den Füßen. Ein Gefühl von Sicherheit breitet sich in mir aus. Es ist auch ein interessantes Gefühl, den Rausch der Geschwindigkeit einmal selbst erlebt zu haben. Und eben nicht nur fasziniert am Rand zu stehen. Auch wenn es immer noch nicht das Renntempo war, mit dem die Profis den Heiligenstädter Iberg unter hohen Sicherheitsvorkehrungen bezwingen. Denn es ist ein Sport, der Prüfungen, intensives Training und hohes fahrerisches Können verlangt.
Fazit: Selbst würde ich den Iberg in dieser Geschwindigkeit und ohne Gurt nicht hoch fahren. Und das würde ich auch niemandem empfehlen. Es würde wahrscheinlich richtig schief gehen – mit bösen Folgen.
Hohe Konzentration wirkt wie Leichtigkeit Nur mit viel Training, Prüfungen und Können