Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Kind und Kittel? Aber klar!
Eine Weimarer Hausärztin steht dem Berufsnachwuchs als Mentorin zur Seite – Fünf solcher Gruppen gibt es in Thüringen
WEIMAR. Geht das – Mutter sein und Vollzeit-hausärztin? „Klar geht das“, antwortet Dorothea Stula lachend, „ich bin doch das beste Beispiel dafür.“Die Fachärztin für Allgemeinmedizin, die seit 2004 in Weimar praktiziert, ist Mutter von drei Kindern im Alter von 8, 10 und 11 Jahren – und nach wie vor mit ganzem Herzen Hausärztin. Die „Freiheit der freien Zeiteinteilung“, die die Selbstständigkeit habe, ermögliche es ihr, Familie und Beruf gut unter einen Hut zu bringen. Vermutlich besser als in einer Klinik, in der Ärzte oft auch nachts und am Wochenende Dienst haben.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im ambulanten Bereich ist indes nur eines von vielen Themen, über die sich Dorothea Stula mit angehenden Allgemeinmedizinern austauscht. Als erfahrene Ärztin leitet sie in Weimar eine Mentorengruppe, weitere vier gibt es in Erfurt, Jena, Gotha und Suhl. Derzeit betreut Dorothea Stula acht Mentees – junge Ärzte in verschiedenen Stadien der fünfjährigen Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin – und berät sie in allen Fragen, die im Laufe der Ausbildung mit Blick auf eine spätere Niederlassung auftreten. Schließlich weiß sie aus eigenem Erleben, dass die Basis für einen guten Hausarzt zwar eine fundierte klinische Ausbildung ist, „aber die Anbindung an die Allgemeinmedizin oft ebenso fehlt wie der Austausch mit den älteren Kollegen“.
Ihre Mentorengruppe kommt einmal im Quartal zusammen – entweder in ihrer Praxis oder in den Räumen der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen – Dorothea Stula ist Allgemeinmedizinerin in Weimar und Mentorin für den Berufsnachwuchs. Foto: Sibylle Göbel und widmet sich jeweils einem konkreten Thema. An diesem Nachmittag wollen die jungen Mediziner mehr darüber erfahren, welche Ärzte in Weimar und im Weimarer Land demnächst in den Ruhestand wechseln wollen, so dass die Aussicht auf eine Praxisübernahme besteht. Eine Kvt-mitarbeiterin erklärt, dass in den nächsten drei bis fünf Jahren allein in Weimar acht Sitze vakant sein könnten, weil die Ärzte bereits über 60 sind. Aber da es bei Medizinern kein festes Renteneintrittsalter gebe, sei das mit einiger Vorsicht zu genießen. Das Interesse des Nachwuchses an einer Niederlassung in Städten wie Weimar ist groß, bestätigt Dorothea Stula. „Die Attraktivität des Landes ist mäßig.“Die Ärztin ist davon überzeugt, dass die Betreuung der Landbevölkerung in Zukunft wohl von den Ärzten in den Städten aus mit gewährleistet werden muss. Ihre eigene Praxis sei für diese Vorgehensweise ein gutes Beispiel: Es ist eine sogenannte überörtliche Gemeinschaftspraxis, die zwei Sitze im Ärztehaus an der Weimarer Carl-august-allee 14 und zwei Sitze in Buttelstedt hat. Insgesamt betreuen die vier Ärzte rund 4200 Patienten.
Dorothea Stula weiß, dass sich etliche Weiterbildungsassistenten die eigene Niederlassung vorstellen können. „Sie sorgen sich aber um das wirtschaftliche Risiko, also das Investitionsvolumen und Regressforderungen.“Nicht zuletzt befürchteten sie, als Hausarzt stets und ständig präsent sein zu müssen. Die erfahrene Fachärztin versucht, diese Ängste zu nehmen, Mut zu machen. Als authentisches Gegenüber spricht sie offen beispielsweise über betriebswirtschaftliche Belange, den Umgang mit dem Praxisteam, die Abwicklung des Papierkrams – bei ihr nur noch von zu Hause aus! – und natürlich auch darüber, dass sie ihre Entscheidung nie bereut hat.
Dabei war es für Dorothea Stula ein Sprung ins kalte Wasser: Sie hatte sich als Notärztin in Erfurt zwar auf die Liste derer setzen lassen, die sich niederlassen wollten, doch dann ging es Schlag auf Schlag. An einem Donnerstag erreichte sie ein Hilferuf, weil in Weimar eine Ärztin erkrankt war, am Freitag unterschrieb sie ihren Aufhebungsvertrag, am Montag saß sie in der Praxis. „Ein halbes Jahr später habe ich sie übernommen. Nach neun Jahren als Notarzt war es einfach an der Zeit.“Bei jedem Kind blieb sie sechs Wochen zuhause, um danach eine Zeitlang nur die vorgegebene Sprechzeit von wöchentlich 20 Stunden in der Praxis zu sein, in der sie ihre Babys auch stillte.
Ein authentisches Gegenüber